Missbrauchsprozess gegen Priester in Köln Ex-Kirchenrichter bestreitet Mitverantwortung – „Das war nicht meine Aufgabe“

Köln · Im Missbrauchsprozess gegen einen Gummersbacher Priester hat der Kirchenrechtler Günter Assenmacher als Zeuge ausgesagt. Er verteidigte seinen Umgang mit den Vorwürfen gegen den Geistlichen. Er habe in der Angelegenheit nur eine beratende Funktion gehabt.

 Günter Assenmacher, früherer Kirchenrichter des Erzbistums Köln, wartet am Donnerstag an der Sicherheitskontolle des Landgerichts. Er war im Prozess gegen einen Priester als Zeuge geladen.

Günter Assenmacher, früherer Kirchenrichter des Erzbistums Köln, wartet am Donnerstag an der Sicherheitskontolle des Landgerichts. Er war im Prozess gegen einen Priester als Zeuge geladen.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Günter Assenmacher will eins gleich zu Beginn seiner Zeugenvernehmung im Kölner Landgericht klarstellen: „Das war nicht meine Aufgabe.“ Der 69-Jährige meint die nähere Beschäftigung mit dem Fall des katholischen Priesters Hans U. in den Jahren 2010 und 2011. Assenmacher war damals oberster Kirchenrichter des Erzbistums Köln. Die damalige Justiziarin trat mit einer anonymen Anzeige an ihn heran, in der der Gummersbacher Priester Hans U. des sexuellen Missbrauchs seiner kleinen Nichte beschuldigt wurde.

„Meine Tätigkeit in dieser Angelegenheit war rein beratend, als es um die Frage ging: Muss das nach Rom gemeldet werden“, sagt Assenmacher. Der Fall wurde nicht nach Rom gemeldet. Die Strafanzeige gegen U. war damals zurückgezogen worden, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zunächst eingestellt. „Wir standen vor dem Problem: Es gab niemanden, der etwas aussagen wollte“, sagt Assenmacher. Also sei die Sache „ad acta“ gelegt und die Beurlaubung des Priesters aufgehoben worden. Die Familie des Priesters habe die Dinge damals wohl untereinander geregelt, sagt Assenmacher. „Das habe ich respektiert.“

 Der angeklagte katholische Priester Hans U. im Kölner Landgericht. (Archivbild)

Der angeklagte katholische Priester Hans U. im Kölner Landgericht. (Archivbild)

Foto: dpa/Federico Gambarini

Seit November steht Hans U. nun vor Gericht, weil er zwischen 1993 und 1999 in 31 Fällen in Gummersbach seine drei minderjährigen Nichten teils schwer sexuell missbraucht haben soll. In Wuppertal soll er 2011 zwei Mal ein elfjähriges Mädchen missbraucht haben. Der Termin für das Urteil wurde bereits um vier Wochen verschoben, da sich im Laufe des Prozesses immer mehr mutmaßliche Opfer beim Gericht gemeldet haben. Unter ihnen auch die ehemalige Pflegetochter des Geistlichen, heute 55 Jahre alt, die im Prozess aussagte, als Jugendliche zweimal von U. geschwängert worden zu sein.

Assenmacher gibt im Zeugenstand an, Hans U. habe damals die schweren Vorwürfe seine Nichte betreffend „kategorisch bestritten“. „Er sagte: Das kommt dabei raus, wenn man es mit einer kranken Person zu tun hat“, sagt Assenmacher. U. habe damit angedeutet, die Nichte habe psychische Probleme. Assenmacher sagt, es sei ihm komisch vorgekommen, dass die Nichten des Priesters von ihrer Mutter immer wieder zu ihm geschickt worden seien. Wenn da etwas vorgefallen sein sollte, hätten die Mädchen ihren Onkel doch sicher nicht mehr besuchen wollen.Erst 2018 wurde eine kirchliche Untersuchung eingeleitet, angestoßen durch den damaligen Interventionsbeauftragten.

Der Vorsitzende Richter Christoph Kaufmann will von Assenmacher wissen, warum dieser damals keine eigene Recherche unternommen habe, um dem Fall auf den Grund zu gehen. Und Assenmacher wiederholt: „Das war nicht meine Aufgabe.“ Der Vorsitzende zeigt sich erstaunt darüber, dass Assenmacher damals noch nicht mal einen Blick in die Personalakte des angeschuldigten Priesters geworfen hat. Darin hätte er unter anderem lesen können, dass der Priester Ende der 1970er Jahre zwei Pflegekinder hatte – eine Tatsache, die ja mindestens irritierend ist. „Mit wenig Engagement hätten Sie damals viel in Erfahrung bringen können“, sagt der Vorsitzende. Jeder im Umfeld des Priesters habe gewusst, dass im Pfarrhaus „reihenweise Mädchen übernachtet haben“.

Der Vorsitzende hält dem Zeugen einige Mails vor. So fragte die Justiziarin Assenmacher im Mai 2011, ob er sich schon eine Meinung zur Sache Hans U. bilden konnte „anhand der Unterlagen“ und ob die Einleitung einer kirchlichen Voruntersuchung angezeigt sei. Assenmacher antwortete: „Besten Dank für Ihre Erinnerung. Hatte die Unterlagen in den Giftschrank hier eingeschlossen und ganz aus dem Blick verloren.“ Der Giftschrank sei ein Schrank im Zimmer des Generalvikars gewesen, für die nur er, Assenmacher, die Schlüssel gehabt hätte, erklärt der Kirchenrechtler auf Nachfrage. Dort seien höchst unterschiedliche Dinge verwahrt worden, etwa das Bild eines Geistlichen, der bei einer Wallfahrt im toten Meer gebadet habe. Das Bild haben jemand dem Erzbistum geschickt, um den Priester bloßzustellen. Insgesamt scheinen die Akten im Erzbistum nicht geordnet gewesen zu sein. „Ein großes Problem“, sagt Assenmacher. „Es gab weder eine chronologische noch eine systematische Ordnung.“

Seine Zeugenbefragung wurde am Donnerstag unterbrochen, um eine mögliche weitere Betroffene unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu hören. Auch diese Zeugin hatte sich erst im Laufe des Verfahrens gemeldet. Assenmacher soll noch einmal geladen werden. Im vergangenen Jahr wurden ihm in einem Gutachten Pflichtverletzungen bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen vorgeworfen. Daraufhin entband ihn Kardinal Rainer Maria Woelki von seinen Pflichten, später schied er aus dem Amt.

Am kommenden Dienstag ist der heutige Hamburger Erzbischof Stefan Heße als Zeuge geladen. Er war 2010 und 2011 als Personalchef in Köln mit dem Fall U. befasst.

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