Extremwetter in NRW „In Japan weiß jedes Kind, was es bei einem Erdbeben tun muss“

Köln · Meteorologe Sven Plöger diskutierte am Montag in Köln beim „Science Talk“ der AXA-Versicherung zum Thema „Extremwetter“. Wie lassen sich Wetterereignisse wie das Sturmtief Bernd besser vorhersagen? Und müssen wir nun häufiger mit Flutkatastrophen rechnen?

 TV-Wetterexperte und Meteorologe Sven Plöger (Archivbild)

TV-Wetterexperte und Meteorologe Sven Plöger (Archivbild)

Foto: dpa/Henning Kaiser

Mehr als 180 Menschen in NRW und Rheinland-Pfalz haben im Juli ihr Leben bei der Flutkatastrophe verloren. Starke Unwetter häufen sich in den vergangenen Jahren. Beim AXA-Science-Talk diskutierten am Montag in Köln Experten zum Thema Extremwetter. Wir haben die wichtigsten Punkte zusammengefasst.

War die Flutkatastrophe eine Ausnahme oder müssen wir uns darauf einstellen, dass solche Unwetter zur Regel werden?

Diplom-Meteorologe Sven Plöger sagt: „Auf den ersten Blick war es ein Tief, das unglaubliche Wassermassen mit sich gebracht hat.“ Doch im Kontext betrachtet sei eingetroffen, was die Klimaforschung schon vor 30 bis 40 Jahren ziemlich präzise vorausgesagt habe: „Dass wir mit mehr Unwettern rechnen müssen – mehr Starkregen, mehr Hagelgewitter, mehr Überflutungen, mehr Trockenheit und Hitze“, wie Plöger sagt. Mit der sogenannten Zuordungsforschung konnten Experten ausrechnen, dass ein solches Extremwetter-Ereignis durch den Klimawandel um mindestens 20 Prozent wahrscheinlicher geworden ist.

Joaquim Pinto erforscht am Karlsruher Institut für Technologie regionale Klima-und Wettergefahren. Der Wissenschaftler sagt: „Je wärmer die Atmosphäre, desto stärker die Niederschläge.“ In den meisten Fällen habe der Klimawandel also Einfluss auf Extremwetterereignisse – wenn auch die Auswirkungen unterschiedlich seien.

Können wir die Menschen besser warnen?

Sven Plöger und Joaquim Pinto weisen auf die Ungenauigkeiten hin, die es bei Wettervorhersagen immer gibt. So sei zwar schon zwei, drei Tage vor der Flut klar gewesen, dass bis zu 200 Liter Regen pro Quadratmeter runterkommen würden – eine exakte Lokalisierung sei aber nicht möglich gewesen. „Es hätte auch 200 Kilometer nördlich oder südlich passieren können“, sagt Pinto. Die Vorhersage-Modelle müssten deshalb weiter verfeinert werden. „Man muss den Datenumfang verbessern, um auch sehr außergewöhnliche Ereignisse, die vielleicht nur alle 200 Jahre geschehen, modellieren zu können.“

Laut Plöger müssten zudem die behördlichen Warnungen kurzfristig schneller werden. „Im Sommer hatte zum Beispiel niemand auf dem Schirm, dass das komplette Telekommunikationsnetz zusammenbrechen kann – aber aus jedem Ereignis muss man lernen.“ Langfristig müsse man prüfen, wo man Häuser baut und wie man sie baut. Und wie man die Gebäude versichert. Nach Angaben von Christina Feldges von der AXA-Versicherung wurden nach der Flut 400.000 neue Elementarversicherungen abgeschlossen. „Das ist aber noch zu wenig“, sagt sie. „Die Menschen haben noch nicht so präsent, welche Gefahren von Starkregen ausgehen können.“

Was kann jeder einzelne tun, um sich besser vorzubereiten?

Die Experten sind sich einig, dass in Deutschland schon in den Schulen mehr Wert auf die Prävention gelegt werden muss. „In Japan weiß jedes Kind, was es bei einem Erdbeben tun muss“, sagt Pinto. Plöger ergänzt: „In Deutschland sind wir Sicherheit gewöhnt, weil wir kaum Erdbeben haben und keine Vulkanausbrüche.“ Aber diese Sicherheit ende nun ein Stück weit. „Das hat mit dem Klimawandel zu tun“, sagt Plöger. „Wir müssen aufmerksamer sein, wenn ein Unwetter naht, Wetterberichte verfolgen, eine Warn-App nutzen.“ Prävention heiße auch: Davon ausgehen, dass etwas passieren kann. „Also nichts Wichtiges im Keller aufbewahren und nicht in den Keller laufen, wenn das Wasser kommt.“ Das hätten viele Menschen im Sommer getan. „Aber wenn Wasser von außen gegen eine Kellertür drückt, kriegt kein Mensch diese Tür mehr auf“, warnt Plöger.

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