Aufklärung von Sexualstraftaten Wie Opfer einer Vergewaltigung Beweise für zehn Jahre sichern können

Köln · Eine anonyme Sicherung von Spuren bietet vergewaltigten Frauen die Möglichkeit, Beweise des Verbrechens für zehn Jahre zu sichern. In Köln haben seit 2011 mehr als 200 Frauen das kostenlose Angebot genutzt.

 Eine Frau sucht Schutz in einem Frauenhaus in Herne. (Symbolbild)

Eine Frau sucht Schutz in einem Frauenhaus in Herne. (Symbolbild)

Foto: dpa/Maja Hitij

Nach einer Sexualstraftat sind viele Frauen erst einmal nicht in der Lage, den Täter anzuzeigen und bei der Polizei das Erlebte in allen Details zu schildern. Eine Vergewaltigung verjährt aber erst nach 20 Jahren, deshalb ist es wichtig, dass Spuren der Tat wie etwa Verletzungen dokumentiert werden – die Frau gewinnt so Zeit, auch später noch Anzeige zu erstatten. Denn viele Verfahren werden aus Mangel an Beweisen eingestellt.

Vor zehn Jahren hat der Kölner Arbeitskreis „Gegen Gewalt an Frauen“ in Kooperation mit dem Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln die Anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftaten, kurz ASS, installiert. Das Verfahren soll Betroffenen den Schritt erleichtern, auch später noch Anzeige zu erstatten – auch wenn sie sich zunächst dagegen entschieden hatten oder unsicher waren. „Es ist wichtig, dass die Frauen so bald wie möglich nach der Tat zum Arzt gehen und Spuren dokumentieren lassen“, sagt die Diplom-Sozialpädagogin Irmgard Kopetzky vom Kölner Arbeitskreis. In sechs Kölner Krankenhäusern ist die anonyme Spurensicherung möglich. Die Ärzte dokumentieren Verletzungen und nehmen Blut- oder Urinproben, wenn der Verdacht besteht, dass der Täter dem Opfer K.O.-Tropfen gegeben hat. Die gesicherten Spuren werden anonymisiert im Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik gelagert und zehn Jahre aufbewahrt. Mit Hilfe einer Chiffrenummer können sie bei einer späteren Anzeigenerstattung zugeordnet werden und im Prozess wichtige Beweise sein. Das Angebot ist kostenlos.

„Die Betroffenen haben so die Möglichkeit, sich in Ruhe zu überlegen, ob sie Anzeige erstatten möchten oder nicht“, sagt Kopetzky. Es gibt viele Gründe, warum Opfer damit hadern, eine Strafanzeige zu stellen. Oft kommt der Täter aus der Familie, es besteht noch eine Beziehung, die möglicherweise gerettet werden soll. „Es gibt auch Frauen, die Angst vor einem langen Gerichtsverfahren haben“, sagt Kopetzky.

In den vergangenen zehn Jahren wurde die anonyme Spurensicherung von 250 Frauen in Anspruch genommen. In jedem zehnten Fall wurde auf die gesicherten Spuren zurückgegriffen und Anzeige gegen den Täter erstattet. Bisher wurde das Angebot in Köln nur von Frauen genutzt, es gilt aber auch für Männer. „Die anonyme Spurensicherung ist ein kleiner, aber wichtiger Beitrag, um die enorme Dunkelziffer bei Sexualstraftaten zu verringern“, sagt Kopetzky. Von der jungen Frau bis zur Seniorin seien alle Altersgruppen vertreten, der Großteil der Fälle liegt aber in der Gruppe der unter 30-jährigen Frauen.

Die Möglichkeit einer anonymen Spurensicherung gibt es auch in Düsseldorf. „Die Frauen gewinnen dadurch ein Stück Autonomie zurück, sie haben die Chance, selbst etwas zu tun“, sagt Britta Gahr, Leiterin der Gewaltopfer-Ambulanz am Rechtsmedizinischen Institut in Düsseldorf. „Durch die Spurensicherung gewinnen sie Zeit, sich in Ruhe Gedanken darüber zu machen, ob sie den Täter anzeigen wollen.“ Etwa ein Drittel der Beweise wurden bislang in Düsseldorf nachträglich abgefragt. „Die meisten Frauen entscheiden sich in den ersten zwei Jahren nach der Tat dafür – dass eine Frau nach vielen Jahren noch auf die gesicherten Spuren zurückgreift, kommt eher nicht vor“, sagt Gahr.

Alle teilnehmenden Kliniken in Düsseldorf sind hier aufgelistet.

Infos zur anonymen Spurensicherung in Köln finden sich hier.

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