Friedensdemo mit 250.000 Menschen Köln singt Alaaf für den Frieden

Köln · Außergewöhnlicher Rosenmontag: 250.000 Menschen demonstrieren für Frieden und Demokratie. Das Festkomitee schickt weiße Tauben in den Himmel, Tränen fließen bei Karnevalsliedern. Eindrücke aus Köln.

Die Kölner Friedensdemo am Rosenmontag – Zehntausende erwartet
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Die Kölner Friedensdemo am Rosenmontag – Zehntausende erwartet

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Foto: dpa/Oliver Berg

Als das Gedränge schon sehr groß ist in der Kölner Südstadt und alle darauf warten, dass es losgeht, ruft ein Mann: „Hier kommt ein großer Kinderwagen!“ Er schiebt fünf kleine Mädchen und Jungs in einem Krippenwagen vor sich her. Sie wedeln mit ukrainischen Mini-Nationalflaggen. „Politische Früherziehung“, sagt der Tagesvater, „alles gestern gebastelt“. Dann brüllt er: „Achtung, hier kommt ein sehr großer Kinderwagen!“ Die Menge teilt sich und lässt ihn nach vorn durch. Die Kinder kichern und staunen.

Sternförmig sind am Morgen aus allen Himmelrichtungen die Menschen zum Chlodwigplatz geströmt – sie kamen zu Tausenden. Das Festkomitee Kölner Karneval hatte sein Rosenmontagsfest im Kölner Stadion wegen des Kriegs in der Ukraine abgesagt und stattdessen zur Friedensdemonstration aufgerufen. „Wenn es drauf ankommt, bildet Köln eine Einheit – das zeigt Ihr hier eindrucksvoll“, sagt Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn auf einer Bühne vor der Severinstorburg.

So sehen die Karnevalswagen bei der Kölner Friedensdemo aus
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So sehen die Karnevalswagen bei der Kölner Friedensdemo aus

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Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Die Demo soll ein Zeichen setzen für Frieden und Demokratie in Europa. Das Festkomitee lässt weiße Tauben in die Luft steigen. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) sagt: „In Köln sind zu jeder Zeit alle Menschen willkommen, die vor Krieg und Gewalt fliehen müssen.“ Langer Applaus. Sie empfinde „grenzenlose Bewunderung“ für die mutigen Russinnnen und Russen, die seit Freitag auf die Straßen gehen, sagt Reker. Sänger Wolfgang Niedecken sagt: „Niemand darf vergessen, dass nicht die Russen die Ukraine angreifen, sondern allein Putin.“

Es fließen Tränen, als die Band Brings ihre Ballade „Mir singe Alaaf“ anstimmt. Hier kennen alle den Text: „Un mir singe Alaaf, villeich e betzje stiller…“.  Viele sind verkleidet zur Demo gekommen, die Farben Blau und Gelb ziehen sich dabei durch die Menge. Die Stimmung ist insgesamt ruhig, eher gedämpft. Mit Blick in den wolkenlosen, blauen Himmel sagt ein Mann: „Es könnte alles so schön sein.“ Manche halten Plakate hoch. „Wir duschen kalt, behalt dein Gas!“ steht darauf oder „Stay with Ukraine“. Eine Frau sagt: „Meine Eltern sind in der Ukraine, es hilft ihnen, zu sehen, dass sie nicht vergessen werden.“

Bevor der Zug sich langsam in Bewegung setzt, brüllt die Menge drei Mal „Kölle Alaaf“ auf den Frieden in Europa. Ein einzelner Persiflagewagen rollt vorweg. Es zeigt eine russische Fahne, die die Friedenstaube aufspießt. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) geht mit Oberbürgermeisterin Reker bei der Demo mit. „Ein starkes Zeichen“, sagt er später über den großen Friedenszug. Nach Angaben der Kölner Polizei sind in der Spitze 250.000 Teilnehmer in der Stadt unterwegs. Das Gedränge ist riesig, zeitweise geht es in der Südstadt erstmal gar nicht weiter. Aber alle bleiben gelassen, es ist friedlich, fast alle haben im Trubel Schutzmasken auf. Die Polizei meldet keinen einzigen Zwischenfall.

Köln: Diese Schilder und Symbole zeigen Solidarität mit der Ukraine
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Diese Schilder und Symbole zeigen Solidarität mit der Ukraine in Köln

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Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Die anderen Persiflagewagen, die für das Rosenmontagsfest im Stadion gebaut worden waren, stehen nun entlang der regulären Zugstrecke in der Kölner Innenstadt. Wladimir Putin dengelt sich hier nach dem Motto „Gute alte Zeit“ als Pappmaché-Figur eine neue Sowjetunion zusammen. Ein Mottowagen thematisiert die Düsseldorfer Entscheidung, den Rosenmontagszug auf Mai zu verlegen. Für die Kölner Karnevalisten ein Unding. Eine Figur stellt Michael Laumen dar, Präsident des Comitees Düsseldorfer Carneval, dem Brauchtum und Kultur „driss ejal“ sind: „Falsche Zeit, falscher Ort“ steht auf dem Wagen. In Düsseldorf war für Rosenmontag von offizieller Seite nichts geplant. Wagenbauer Jacques Tilly hat aber einen Karnevalswagen  durch die Stadt rollen lassen. Die Karikatur aus Drahtgeflecht und Pappmaché zeigt Putin, wie er sich die Ukraine in den Rachen steckt mit dem Spruch „Erstick dran!“.

In Köln lässt der eine oder andere diesen besonderen Rosenmontag doch noch in einer Kneipe ausklingen. „Aber ehrlich: Das Kölsch schmeckt heut nicht wie sonst an Karneval“, sagt Thomas Goldmann, der mit zwei Freunden bei der Demo war. Sie stoßen an. Auf den Frieden.

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