Hohe Kosten und Personalausfälle NRW-Krankenhäuser schlagen Alarm vor dem Corona-Herbst

Düsseldorf · In allen Bereichen gehen Kosten durch die Decke, das Personal sei am Limit, die Corona-Welle sei über den Sommer gar nicht abgeebbt. Die Kliniken in Nordrhein-Westfalen warnen in scharfen Tönen: Man fürchte Insolvenzen.

 Ein Pfleger am Bett eines Corona-Patienten auf der Intensivstation. Die Pandemie-Belastungen blieben hoch, man sei weit entfernt von einem Normalbetrieb, sagen die NRW-Kliniken.

Ein Pfleger am Bett eines Corona-Patienten auf der Intensivstation. Die Pandemie-Belastungen blieben hoch, man sei weit entfernt von einem Normalbetrieb, sagen die NRW-Kliniken.

Foto: dpa/Friso Gentsch

Explodierende Kosten bringen die Kliniken in Nordrhein-Westfalen ins Trudeln. Man gehe „personell und finanziell vollkommen ausgepowert in den Corona-Herbst“. Wegen der Pandemie-Belastungen seien die Beschäftigten physisch und psychisch am Limit, „und zwar nicht nur in der Pflege, sondern alle“. In dramatischen Tönen schlug der Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, Ingo Morell, am Freitag Alarm.

Zynisch wurde er mit Blick auf die Auswirkungen der Pandemie. „Der Gesetzgeber hat ja beschlossen, dass Corona in den Krankenhäusern vorbei ist“, ätzte Morell in Richtung Berlin. Der Virus habe sich daran den Sommer über aber nicht gehalten. In der Spitze habe man in NRW-Kliniken 4500 Patientinnen und Patienten mit Corona gehabt: „Die Krankenhäuser sind vom Normalbetrieb meilenweit entfernt“, so Morell. „Die Welle ist aus unserer Sicht nie abgeebbt.“

Nun hätten die meisten Krankenhäuser die Pandemie bisher nur durch staatliche Hilfszahlungen wirtschaftlich überlebt; vor allem Personalausfälle brachten finanzielle Verluste mit sich. Die Aufschläge und Ausgleichszahlungen seien aber inzwischen ausgelaufen, obwohl es weiterhin besondere Belastungen gebe.

Zugleich seien die Kosten überraschend und enorm in die Höhe geschnellt, seit man im Frühjahr über die Budgets verhandelt habe – eine Folge des russischen Krieges in der Ukraine. Betroffen seien alle möglichen Bereichen, von medizinischem Bedarf über Strom und Gas bis hin zu Lebensmitteln. Beispielzahlen lieferte Morell zu Energiekosten. Demnach mussten etwa die fünf Häuser der Elisabeth-Gruppe in Herne im Jahr 2021 noch 5,2 Mio. Euro für Strom und Gas ausgeben, im kommenden Jahr werde man bei 18,2 Millionen Euro landen. Die GFO-Kliniken Troisdorf mit zwei Betriebsstätten würden ihre Energiekosten wohl beinahe verdreifachen, von 1,3 auf 3,6 Millionen Euro im nächsten Jahr. Das Evangelische Krankenhaus Lippstadt rechne mit einer Steigerung von unter einer Million auf 4,6 Millionen Euro. Für solche Situationen sei das Finanzierungssystem im Gesundheitswesen „überhaupt nicht ausgerichtet.“

Die Krankenhausgesellschaft NRW sieht den Bund in der Verantwortung, für einen Inflationsausgleich für das laufende Jahr 2022 und für Lösungen für das Jahr 2023 zu sorgen. „Wir werden sicherlich im Milliardenbereich Hilfestellungen brauchen“, prognostizierte Ingo Morell für ganz NRW. „Wir möchten verhindern, dass Krankenhäuser sich durch eine Insolvenz verabschieden müssen“ – oder dass sie Bereiche schließen müssten, die für die Versorgung der Bevölkerung wichtig seien. Die Landesregierung müsse Druck auf den Bund ausüben.

Nach Einschätzung des NRW-Gesundheitsministeriums von Karl-Josef Laumann (CDU) können Kliniken durch die gegenwärtigen Preissteigerungen durchaus „an ihre wirtschaftliche Belastungsgrenze geraten“. Man habe zu den aktuellen Herausforderungen bereits diverse Gespräche mit den beteiligten Akteuren geführt.

Auch hätten die Gesundheitsminister aller Bundesländer den Bund einstimmig um Hilfe gebeten. „Erst in dieser Woche hat der Bundesgesundheitsminister erstmals in Aussicht gestellt, tätig werden zu wollen. Auf konkrete Maßnahmen warten die Krankenhäuser allerdings bislang vergeblich“, hieß es aus dem Gesundheitsministerium. Man werde „gemeinsam mit den anderen Bundesländern auch weiterhin auf den Bund einwirken“.

Grundsätzlich tragen die Länder die Investitionskosten für die Krankenhäuser. Sie sind also zuständig für Aus- und Umbauten oder auch neue Ausstattung der Kliniken. Die Finanzierung der laufenden Betriebskosten hingegen, die durch die Preissteigerungen gegenwärtig so aus dem Ruder laufen, wird hingegen auf Bundesebene geregelt.

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