Kempen verliert die Prinzenrolle „Wir hatten keine Wahl“ - De Beukelaer verteidigt Entscheidung

Kempen · Nach mehr als 60 Jahren wird die Fertigung der Prinzenrolle von Kempen nach Thüringen verlagert. „Wir hatten keine andere Wahl“, sagt ein Firmensprecher. Was aus dem Gelände wird, ist noch offen.

 Keksproduktion in Kempen (Archivbild).

Keksproduktion in Kempen (Archivbild).

Foto: wolfgang kaiser

Am Ende bleibt die einfache Erkenntnis, dass Tradition allein keine Überlebensgarantie für ein Werk schafft. Wenn ein Unternehmen wachsen und die Fertigung ausbauen will, am alten Standort aber schlechtere Bedingungen vorfindet als woanders, ist woanders eben besser. Mitunter löst so etwas erhebliche politische Diskussionen aus, wie zu Beginn des Jahrtausends, als der Hagener Zwieback-Hersteller Brandt den Produktionsstandort aufgab und die Fertigung ins thüringische Ohrdruf (Landkreis Gotha) verlagerte. In Hagen lief der letzte Zwieback 2003 vom Band.

Jetzt verliert die niederrheinische Mittelstadt Kempen nach mehr als sechs Jahrzehnten die Produktion der De-Beukelaer-Prinzenrolle. Der mit dem Doppelkeks, 6,5 Zentimeter Durchmesser pro Keks, dazwischen Schokolade. Erfunden vor fast 150 Jahren von dem belgischen Bäckermeister Edouard de Beukelaer, der sein Produkt seinerzeit dem belgischen Prinzen Philippe widmete und es entsprechend „Le petit prince fourrée („der kleine gefüllte Prinz“) nannte. Eine Marke, die sich seit Mitte der 50er Jahre jedem eingeprägt hat, auch wenn die Markenrechte längst bei dem US-Lebensmittelkonzern Mondelez liegen.

Der gefüllte Prinz wandert aus. Wie seinerzeit Brandt nach Thüringen, genauer gesagt nach Kahla, wo die Griesson-de-Beukelaer-Gruppe bereits den größten ihrer vier Standorte betreibt. Bis 2020 soll die Fertigung der Prinzenrolle (etwa 35 Millionen rollen derzeit in Kempen jährlich vom Band) schrittweise verlagert werden. In Kahla ist im Februar der erste Spatenstich für eine neue Produktionsanlage erfolgt, in die das Unternehmen rund 100 Millionen Euro investiert

„Das ist natürlich ein trauriger Tag für Kempen“, räumt Griesson-Sprecher Peter Gries ein, „aber wir hatten keine andere Wahl. Der Maschinenpark muss dringend erneuert werden, wir wollen die Kapazitäten steigern, und wir brauchen einen zusätzlichen Logistik-Standort, der nicht so weit von unseren ostdeutschen Produktionsstandorten (neben Kahla ist das noch Wurzen in Sachsen, d. Red.) entfernt ist.“ Derzeit gibt es neben den Fertigungsstandorten ein Hochregallager in Koblenz mit insgesamt 40.000 Stellplätzen. Die Logistik für Griesson betreibt die Bremer Firma BLG Logistics.

Für den Standort Kempen ist die Verlagerung nach Thüringen der zweite Schlag binnen acht Jahren. 2010 war die Produktion von Butterkeksen an den Unternehmenssitz in Polch (Rheinland-Pfalz) verlagert worden. Mit dem Wechsel der Doppelkeks-Fertigung nach Thüringen verliert der niederrheinische Standort nun 270 Jobs. Bisher waren am Niederrhein nach Angaben von Griess 170 Männer und 100 Frauen in der Fertigung tätig. Durchschnittsalter: etwa 46 Jahre. Da liegt es nahe, dass nicht jeder das Angebot nutzen wird, an einen anderen Standort innerhalb der Gruppe zu wechseln. Nachdem am Freitag Gesamtbetriebsrat, Wirtschaftsausschuss und die Betriebsräte an den Standorten Kempen und Kahla über die Pläne informiert wurden, sollen zeitnah die Gespräche über einen Interessenausgleich für die Mitarbeiter beginnen.

Was aus dem Gelände in Kempen wird, ist noch offen. Der Fabrikverkauf, den dort eine Handvoll Mitarbeiter betreibt, könnte in der Stadt bleiben, aber er würde mit großer Wahrscheinlichkeit woanders weiter gehen. Eine Option für das Unternehmen wäre ein Verkauf des zig tausend Quadratmeter großen Geländes. Darüber gibt es aber noch keine Gespräche, wie Gries unserer Redaktion am Freitag versicherte.

Griesson-De Beukelaer, dessen Eigentümer eine Familienstiftung des Miteigentümers Heinz Gries und dessen Partner Andreas Land sind, gehört nach eigenen Angaben zu den führenden Unternehmen im europäischen Süß- und Salzgebäckmarkt. Allerdings ist der Umsatz in den vergangenen Jahren gesunken. Nach einem Minus von vier Prozent 2016 gingen die Erlöse im vergangenen Jahr noch einmal um 2,5 Prozent auf rund 501 Millionen Euro zurück.

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