Gründerbischof des Bistums Essen Missbrauchsvorwürfe gegen verstorbenen Kardinal Hengsbach

Essen · Dem prominenten Kirchenmann werden sexuelle Übergriffe in den 50ern und 60ern zur Last gelegt. Im Bistum Paderborn und im Bistum Essen soll der Kardinal Minderjährige missbraucht haben. Auch sein Bruder, ebenfalls Priester, soll eine Rolle gespielt haben.

Der als «Ruhrbischof» bekannte Theologe Franz Hengsbach, 1988 vom Papst zum Kardinal ernannt.

Der als «Ruhrbischof» bekannte Theologe Franz Hengsbach, 1988 vom Papst zum Kardinal ernannt.

Foto: dpa/Fritz Fischer

Die katholische Kirche untersucht Missbrauchsvorwürfe gegen den Gründungsbischof des Ruhrbistums und späteren Kardinal Franz Hengsbach (1910-1991). In einem Fall geht es um den mutmaßlichen Missbrauch einer 16-jährigen Jugendlichen im Jahr 1954 im Erzbistum Paderborn in Hengsbachs Zeit als Weihbischof. Einen zweiten Fall hatte eine betroffene Person, die anonym bleiben will, im Oktober 2022 im Bistum Essen angezeigt: Sie meldete einen mutmaßlichen sexuellen Übergriff durch Bischof Hengsbach aus dem Jahr 1967. Die betroffenen Bistümer Essen und Paderborn machten die Anschuldigungen am Dienstag öffentlich und riefen mögliche weitere Betroffene auf, sich zu melden. Der jüngste Vorwurf wurde demnach im Oktober 2022 erhoben. Zwei weitere Anschuldigungen stammen bereits aus dem Jahr 2011. Zur Art der vorgeworfenen Übergriffe machte das Bistum keine Angaben und verwies zur Begründung auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen.

Hengsbach ist der erste deutsche Kardinal, der unter Missbrauchsverdacht steht; Vorwürfe richten sich auch noch gegen zwei weitere, bereits verstorbene deutsche Bischöfe.

Der im vergangenen Herbst den unabhängigen Ansprechpersonen des Bistums Essen gemeldete Vorwurf beziehe sich auf das Jahr 1967, so das Bistum. Weitere Nachforschungen in Hengsbachs Heimatbistum Paderborn hätten ergeben, dass er dort beschuldigt wurde, bereits 1954 in seiner Zeit als Weihbischof eine minderjährige Jugendliche sexuell missbraucht zu haben.

Das Erzbistum Paderborn teilte mit, dass diese Anschuldigung sich auch auf Hengsbachs Bruder Paul beziehe, der ebenfalls Priester war. Der dritte, auch im Jahr 2011 erhobene Vorwurf wurde laut Bistum Essen 2014 wieder zurückgezogen. Die Person habe mitgeteilt, dass die Schilderungen aufgrund verschwommener Erinnerungen falsch gewesen seien.

Hengsbach baute als erster Bischof das 1958 gegründete Bistum Essen auf, das aus Teilen der Diözesen Köln, Münster und Paderborn entstand. Er leitete es 33 Jahre lang bis 1991. Zuvor war er Weihbischof in Paderborn. Bei den zahlreichen Zechenschließungen machte sich der kirchenpolitisch konservative Kirchenmann zum Anwalt der Bergleute im Ruhrgebiet. In Gesprächen mit Managern und der Politik drängte er immer wieder auf soziale Ausgleichsmaßnahmen.

(toc/kna)
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