NRW Kassenärzte streichen Notfallpraxen

Düsseldorf · Das Netz der ambulanten Notfallpraxen ist der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein zu teuer. Sie will fast die Hälfte der Praxen streichen. Sozialverbände fürchten um die ländliche Versorgung.

  Ende März schließt die Notdienstpraxis im Nettetaler Krankenhaus. Künftig müssen alle Patienten mit akuten Beschwerden dann nach Dülken fahren, wo eine Anlaufstelle für alle Bürger im Kreis Viersen eingerichtet ist.

Ende März schließt die Notdienstpraxis im Nettetaler Krankenhaus. Künftig müssen alle Patienten mit akuten Beschwerden dann nach Dülken fahren, wo eine Anlaufstelle für alle Bürger im Kreis Viersen eingerichtet ist.

Foto: Busch

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KV) plant massive Kürzungen bei den ambulanten Notdienstpraxen. "Es gibt Pläne, diese Zahl zu reduzieren", bestätigt KV-Sprecher Heiko Schmitz. Nach Informationen unserer Redaktion soll fast die Hälfte der 84 Notdienstpraxen geschlossen werden.

Am kommenden Mittwoch berät die Vertreterversammlung über das Vorhaben. Sie vertritt 19.000 Nordrhein-Vertragsärzte, die neun Millionen Menschen in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln versorgen.

Notdienstpraxen sind Anlaufstellen für Patienten außerhalb der Sprechstundenzeiten. Sie ergänzen den Rettungsdienst (Notrufnummer 112) und die Notaufnahmen der Krankenhäuser. Über die Notfallpraxen organisiert die KV die gesetzlich vorgeschriebene Flächenversorgung nach Feierabend und am Wochenende.

Die Pläne der KV stießen am Dienstag auf Protest: "Aus unserer Sicht wäre eine Ausdünnung der notfall-ärztlichen Versorgung die falsche Entscheidung", sagt Thomas Zander, Geschäftsführer des Sozialverbands VdK in NRW: "Der Bedarf für die Versorgung wird in einer alternden Gesellschaft deutlich zunehmen." Zander sieht schon heute "spürbare Einschränkungen vor allem im ländlichen Raum".

Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im NRW-Landtag, Martina Maaßen, ist besorgt. Nach ihren Informationen würden die Kürzungen allein in ihrem Viersener Wahlkreis zu Anfahrtswegen von bis zu 35 Kilometern führen.

Und es gibt weitere Beispiele. Offenbar sollen auch die Notdienstpraxen in Langenfeld und Ratingen aufgegeben werden. Patienten aus Langenfeld müssten dann nach Hilden fahren, Patienten aus Ratingen nach Velbert. Auch die Notfallpraxis Leverkusen steht offenbar zur Disposition. Deren Patienten würden dann in Köln betreut.

Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) warnt: "Wichtig ist, dass auch im Notdienst die Versorgung in angemessener Entfernung und Zeit sichergestellt bleibt." Eingreifen kann sie nicht: "Die Neuorganisation des ärztlichen Notdienstes erfolgt in Verantwortung der ärztlichen Selbstverwaltung."

Laut KV-Sprecher Schmitz ist das Notdienstpraxen-Netz in dünn besiedelten Gebieten sehr kostspielig, weil es dort von weniger Patienten genutzt wird. Entsprechend hoch sei deshalb die Belastung der dortigen Ärzte durch das Notdienst-Angebot. "Das ist ein Hindernis für junge Mediziner, Landarzt zu werden", so Schmitz.

In Ballungsräumen können hingegen auch Notdienstpraxen lukrativ für die Ärzte sein. Deshalb hat sich in Nordrhein-Westfalen eine Doppelstruktur etabliert: Neben den Notfall-Praxen unter der Regie der KV gibt es Ärzte-Netzwerke und Genossenschaften, auf die die KV kaum Einfluss hat. "Diese Netzwerke haben sich teilweise zu Selbstbedienungsläden entwickelt, manche Ärzte machen dort nur noch Notfälle, weil das lukrativer ist und sich der Kontrolle entzieht", heißt es in Kassen-Kreisen.

Auch mit diesem Flickenteppich will die KV aufräumen. "Jede Notfall-Praxis muss sich der wirtschaftlichen Kontrolle der KV unterziehen. Notfallversorgung darf man nicht Goldgräbern überlassen", sagte Dirk Ruiss, Chef des Ersatzkassenverbandes NRW.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort