Oktoberfeste Karneval trifft Ballermann: "O'zapft is" in NRW

Köln · Vom Ruhrpott bis zur Eifel wird in diesen Tagen das Oktoberfest gefeiert - stilecht in Dirndl und Lederhose. In Köln sind die Bierhumpen allerdings deutlich kleiner als in München. Dafür tritt aber ein echter "DSDS"-Star auf.

So feiert Köln Oktoberfest
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"Ich bin geblendet von soviel Schönheit", schmettert der junge Schlagersänger ins Mikrofon und zeigt grinsend seine unnatürlich weißen Zähne. Die Menge vor der Bühne jubelt begeistert. Alle tragen Tracht. Knielange Dirndl, wohin das Auge blickt, eng geschnürte Dekolletés, Flechtfrisuren, Karohemden, Lederhosen und nackte Männerwaden. Als der braungebrannte, blonde Schlagerbarde mit modischer Undercut-Frisur "Viva Colonia" von den "Höhnern" anstimmt, klettern die Oktoberfest-Besucher in Köln auf die Bänke und singen voller Inbrunst mit.

Bei der RTL-Castingshow "Deutschland sucht den Superstar" wurde Norman Langen vor drei Jahren entdeckt. An diesem Abend ist er einer der Einheizer im Kölner Bayernzelt. "Oktoberfest im Rheinland, das ist eine Mischung aus Karneval und Ballermann", sagt die 25-jährige Nathalie aus Bergheim bei Köln. Auf der Original-Wiesn in München ist sie schon oft gewesen. Nun will sie ihr Dirndl auch mal in der Heimat ausführen. Ihre zwei Freundinnen mussten mit. Natürlich stilecht in Tracht. "Eigentlich ist das Kleid von Tchibo", gesteht Nina (23). "Aber ohne Dirndl zum Oktoberfest? Das geht gar nicht."

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Vom Ruhrpott bis zur Eifel wird in diesen Wochen in NRW die bayerische Zusammenkunft zelebriert. "O'zapft is" heißt und hieß es unter anderem im Dortmunder Revierpark Wischlingen, am Gelsenkirchener Bahnhofscenter, am Düsseldorfer Rheinufer, auf Schalke, an der Ahr, in Duisburg, Xanten, Straelen und im Sauerland.
Die Feste gehen zum Teil bis weit in den Oktober hinein. Den Anfang machte der Bonner Pützchens Markt Mitte September - mit Bayernzelt und großer Kirmes.

"Die fehlt hier allerdings. In dem Punkt kommt das Kölner Oktoberfest nicht an das Münchner ran", meint die 34-jährige Meike. Dafür gibt es auf dem Gelände des Kölner Südstadions bis zum 4. Oktober 3500 Quadratmeter Zelt für rund 3500 Besucher. Brezn, Obatzda und Haxn werden verkauft, auch eine bayerische Band spielt Abend für Abend. Die Bierhumpen sind allerdings deutlich kleiner. Statt Ein-Liter-Maßkrügen werden 0,3-Gläser mit Kölsch gereicht. "Mit größeren Mengen wäre der Rheinländer ja auch überfordert", meint Meike.

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Über den Verdienst der Wiesn-Bedienungen in München wird seit Jahren viel spekuliert. Von 10 000 bis 15 000 Euro für zwei Wochen ist immer wieder die Rede. Kellner Marco in Köln tippt sich nur an die Stirn, wenn er von solchen Summen hört. "Nie im Leben kann man das hier schaffen." Der 0,3 Krug kostet 2,90 Euro, viel Trinkgeld fällt bei dem Preis nicht ab. Dafür watet Marco mit einer anderen Leistung auf: "32 Krüge kann ich auf einmal tragen. Acht in jeder Hand, plus eine zweite Etage jeweils oben drauf". In seinem engen Shirt, das er zur Lederhose trägt, zeichnen sich muskulöse Arme ab.

Schlagersänger Norman Langen ist derweil bei einem seiner neuesten Hits angekommen. "Ich schick dich in die Wüste und dann lauf ich hinterher", schallt es aus den Lautsprecherboxen. Der 29-Jährige klatscht begeistert in die Hände und ruft ekstatisch ins Mikrofon: "Es ist so heiß hier!"

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Unter ihm vor den Bierbänken kocht die Stimmung. Dutzende Besucher tanzen zu dem Disco-Fox-Hit. Männer in Lederhosen wirbeln Frauen in Dirndln durch die Gänge. Jede Menge fremde Füße werden getroffen, Bier verschüttet. Von der Decke tropft Kondenswasser.

"Was für eine Mords-Gaudi", ruft Dirk aus Düren (47) gegen die laute Musik an. "Nur die nette Blonde vom Nachbartisch, die mit der Flechtfrisur und dem rosafarbenen Dirndl, die will mich nicht." An den Bierzeltgarnituren in nächster Umgebung wippt ein ganzes Dutzend Hellhaariger mit beschriebener Tracht im Takt. Eigentlich sehen im Kölner Zelt alle gleich aus.

Das Amt für rheinische Landeskunde in Bonn findet die Uniformität nicht verwunderlich. "Dirndl oder auch Trachten insgesamt stehen für Sehnsucht nach Heimat und Geborgenheit", sagt Kulturwissenschaftlerin und Ritualforscherin Katrin Bauer. "Gleichzeitig wird damit ein Gemeinschaftsgefühl ausgedrückt." Dirndl seien in den vergangenen 100 Jahren enger, schicker und bunter geworden, Zöpfe alltagstauglich, meint die Expertin. Einen Vorteil im Vergleich zu anderen Traditionsveranstaltungen wie Schützenfesten biete die Wiesn außerdem: "Das Oktoberfest ist eine große Party, für die man nicht in einen Verein eintreten muss. Und ob in Bayern oder anderswo: Fest, Musik und Kleidung - alles läuft überall gleich ab."

Dabei wird doch gerade der bayerische Nationalstolz außerhalb des Bundeslandes oft kritisiert, genau wie das Selbstbewusstsein der Fußballer vom FC Bayern. Das Münchner Volksfest dagegen wird kopiert.
"Nein, nein, das muss man alles trennen", ist sich der 52-jährige Oktoberfest-Besucher Jürgen aus Mönchengladbach sicher. "Den Fußballverein, den mag man hier nicht. Aber die Wiesn und die Tracht, das können wir gern nach NRW importieren."

(lnw)
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