„Sind ziemlich enttäuscht worden“ Karnevalisten in NRW fürchten finanziellen Ruin

Düsseldorf · Karnevalsvereine haben Angst, dass sie nicht genügend Geld aus dem Sonderfonds für ihre abgesagten Veranstaltungen bekommen könnten. Wenn das so wäre, könnte es für manche das Aus bedeuten.

 Ein Mann steht mit Karnevals-Mütze am Rosenmontag 2021 in der Düsseldorfer Altstadt (Archivfoto).

Ein Mann steht mit Karnevals-Mütze am Rosenmontag 2021 in der Düsseldorfer Altstadt (Archivfoto).

Foto: dpa/Fabian Strauch

Im Rheinland wächst bei Karnevalsvereinen die Sorge, auf einem deutlich höheren Kostenberg für ausgefallene Veranstaltungen sitzen zu bleiben als angenommen. Die Befürchtung: Die Mittel aus dem Fördertopf könnten nicht ausreichen. „Es gibt die Absichtserklärungen der Politik, aber wenig Definitives. Wenn die Politik jetzt plötzlich sagt, es gibt nur 80 statt der 90 Prozent Fördergelder, weil nicht genügend da ist, sind wir pleite“, sagt Michael Körfer, Präsident der „KG Wenkbülle“ in Mönchengladbach.

Wegen der Pandemie fallen in diesem Jahr die meisten Karnevalsveranstaltungen aus; darauf hatten sich Karnevalisten im Dezember in enger Abstimmung mit der Landesregierung verständigt. Die fehlenden Einnahmen aus den abgesagten Veranstaltungen sollen die Karnevalisten zu 90 Prozent erstattet bekommen. Die finanziellen Mittel sollen vor allem aus dem Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen mit Behördensitz in Hamburg und dem Förderprogramm „Neustart miteinander“ des Landes für eingetragene Vereine kommen.

In NRW gibt es Hunderte Karnevalsvereine; bei nicht wenigen sind Kosten im sechsstelligen Bereich aufgelaufen. Geld, was sie erhoffen, durch den Fördertopf zurückzubekommen. „Die Politik hat aber bislang nur eine Absichtserklärung gegeben“, kritisiert Karl Schäfer, Präsident des Karnevalsverbandes Linker Niederrhein. Er hätte sich auch mehr als die 90-Prozent-Erstattung gewünscht. „Wir sind bei der letzten Videoschalte mit der Staatskanzlei ziemlich enttäuscht worden. 90 Prozent der Kosten sollen erstattet werden. Wir hatten uns eine bessere Lösung vor allem für die kleinen Vereine gewünscht, indem man auf die 100-Prozent-Regelung gegangen wäre“, sagt Schäfer.

Die Gefahr, dass die Gelder zu knapp bemessen sein könnten, sieht auch Günter Claßen, Vorsitzender der „KG Immer lustig Holt 1935“. „Nach unserem Wissen hatte der Topf einen Umfang von 2,5 Milliarden Euro. Das klingt gigantisch. Er war aber ursprünglich für alle Kulturveranstaltungen in Deutschland geplant; da waren wir Karnevalisten noch gar nicht mit im Boot“, sagt er.

Die Behörde für Kultur und Medien in Hamburg, wo der Sonderfonds angesiedelt ist, verweist auf Nachfrage an die Landesregierung NRW. Dort bestätigt man, dass in dem Sonderfonds insgesamt 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. „Damit stehen absehbar ausreichend Mittel bereit“, sagt eine Sprecherin der Staatskanzlei. Die Karnevalsveranstaltungen werden demnach im Sonderfonds statistisch nicht gesondert erfasst. Es sei jedoch von schätzungsweise 1500 Karnevalsveranstaltungen auszugehen, die auf der IT-Plattform des Sonderfonds registriert worden seien, sagt sie. Zudem seien beim Landesprogramm „Neustart Miteinander“‘ bislang gut 170 Anträge von Karnevalsvereinen eingegangen. „Für dieses Programm stehen insgesamt 54 Millionen Euro zur Verfügung, die bislang nur zu einem geringen Teil ausgeschöpft sind. Eine Überzeichnung ist daher derzeit nicht zu erwarten“, sagt sie.

Einige Karnevalisten kritisieren auch das Prozedere; der bürokratische Aufwand für die Beantragung sei enorm. „Das Verfahren ist ziemlich kompliziert. Man braucht einen Steuerberater und am besten auch noch einen Anwalt“, sagt Körfer. „Die Sorge ist da, dass man weniger Geld bekommt, wenn man was versehentlich falsch ausgefüllt hat“, sagt er.

Die Karnevalsvereine müssen unter anderem die Künstler bezahlen, die sie schon unter Vertrag genommen haben. „Die stunden uns momentan ihre Rechnungen, bis wir unsere Fördergelder erhalten“, erklärt der Präsident der KG Wenkbülle. Claßen bestätigt: „Ob kleine oder große Karnevalsvereine: Alle werden mit Ausfallrechnungen bombardiert.“

Künstler-Agent Stefan Kleinehr, der unter anderem Brings vertritt, weiß um die grundsätzliche Problematik. „Wir haben schon viele positive Rückmeldungen von Vereinen bekommen, die sich bei dem Fonds registriert haben. Wir müssen jetzt abwarten, wie die Ausschüttung betrieben wird. Das ist natürlich die große Unbekannte“, sagt er. Den Zeitpunkt der Erstattung kennt auch Körfer nicht: „Wann wir die Gelder bekommen, steht absolut in den Sternen. Das weiß keiner“, sagt er.

Viele ehrenamtliche Vereine, die ihre Veranstaltungen wegen der Pandemie abgesagt haben, blicken missmutig nach Köln, wo kommerzielle Anbieter wieder größere Veranstaltungen in Sälen und Hallen durchführen. „Das ist schwierig für die Vereine“, sagt Kleinehr. „Vereine sind der Ast, auf dem die Künstler sitzen. Brings nimmt nicht an den kommerziellen Geschichten teil“, sagt er. „Aber wenn jetzt ein Verein kommt, der seine Veranstaltung doch durchführt und wir haben einen Vertrag, dann spielen wir auch. Wir halten das für richtig, weil wir damit das Ehrenamt schützen“, so Kleinehr.

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