Karneval 2017 Frauen erobern die Bütt

Düsseldorf · Männer dominieren die karnevalistischen Bühnen des Landes. Seit einigen Jahren begeistern aber immer mehr Spaßmacherinnen das jecke Publikum. Vier von ihnen erzählen, wie sie es im besten Job der Welt geschafft haben.

 Sabine Holzdeppe als Vingströschen, Helga Schmitz als Oberschwester Helga, Thilly Meester als 'ne Kistedüvel und Annette Eßer als Achnes Kasulke (v.l.).(Montage)

Sabine Holzdeppe als Vingströschen, Helga Schmitz als Oberschwester Helga, Thilly Meester als 'ne Kistedüvel und Annette Eßer als Achnes Kasulke (v.l.).(Montage)

Foto: frede/Zimmermann/ Coenen/AK

Pink ist für sie eine Lebenseinstellung. Lady Gaga aus der Papageiensiedlung werde sie auch genannt, erzählt Rosi aus Vingst, Konfektionsgröße SE, "Small Elephant". So stellt sich das Vingströschen auf der Bühne vor, bürgerlicher Name: Sabine Holzdeppe. Ihrerseits ehemalige Nachwuchsbüttenrednerin beim Literarischen Komitee im Festkomitee Kölner Karneval und seit dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung im Jahr 2011 amtliche Stimmungskanone. Als solche zeigt Holzdeppe in den karnevalistischen Zentren des Landes, dass Frauen auch Säle zum Kochen bringen können - wenn der kleine Gag erlaubt ist. Und die 40-Jährige kalauert längst nicht mehr alleine.

De Frau Kühne aus Xanten, Oberschwester Helga und Achnes Kasulke aus Nettetal, 'ne Kistedüvel aus Neuss, Engel Hettwich aus Schwalmtal, das Vingströschen aus Bergisch Gladbach und andere haben in den vergangenen Jahren die Bütt erobert und begeistern ein immer größeres Publikum. Annette Eßer etwa absolviert als Putzfrau aus dem Pott Achnes Kasulke an Spitzentagen neun bis zehn Auftritte à 25 Minuten. Jeden davon an einem anderen Ort. Sie stehe dann unter Volldampf, sagt die 46-Jährige. "In einer Session verliere ich acht bis 15 Kilogramm." Auch Thilly Meester bereist als 'ne Kistedüvel alle jecken Ecken des Landes. Und ein Ende der Nachfrage nach weiblichem Humor ist vorläufig nicht in Sicht. "Ich bin sogar schon für einige Veranstaltungen in 2019 gebucht", erzählt Meester.

"Ich habe so einen schönen Job"

Davon, dass das professionelle Spaßmachen im Karneval ein hartes Geschäft ist, wissen alle angesprochenen Büttenrednerinnen zu berichten. Gerade Köln sei ein besonders anspruchsvolles Pflaster, sagt Holzdeppe. Zumal die karnevalistische Bühne von Männern dominiert wird. Überzeugen lasse sich das Publikum nur durch kontinuierliche Leistung, sagt Eßer. "Man muss sich durchzusetzen wissen und immer extrem gut vorbereitet sein", betont Helga Schmitz, die als schrullige Oberschwester Helga seit 2008 den Puls der Jecken hochtreibt. Dafür bekomme man vom Publikum aber auch unwahrscheinlich viel zurück. "Ich habe so einen schönen Job", sagt die 64-Jährige. "Denn wohl in keinem anderen Beruf gibt es so viel zu lachen."

Wobei die Spaßmacherinnen konstatieren, dass Frauen und Männer unterschiedliche Dinge lustig finden. Und dass Männer andere Witze reißen dürfen als Frauen. "Ich bleibe mit meinen Gags stets oberhalb der Gürtellinie", erzählt Schmitz. Männer dürften sich diesbezüglich mehr erlauben, expliziter sein, derber. Jeder mache da seine Anfängerfehler, sagt Meester. "Man entwickelt aber sehr schnell ein Gespür dafür, was gut ankommt und was nicht." Dementsprechend wird das Programm auch noch auf der Bühne umgestellt und an die vorherrschende Stimmung angepasst.

"Lebe deinen Traum"

Inhaltlich bewegen sich die Frauen in ihren Programmen hauptsächlich im Privaten. Politik verkneife sie sich fast ganz, sagt Eßer. "Das traut man einer Putzfrau aus dem Ruhrgebiet nicht zu - und der Themenkomplex wird von den Männern ausreichend abgedeckt." Um Klatsch und Tratsch geht es bei ihr, Meester arbeitet sich an Haushalt, Schwiegermutter und Diät ab, Schmitz lästert über den Krankenhausalltag, Mann und Kinder, und Holzdeppe als Vingströschen nimmt sich den 1. FC Köln aus der Sicht einer Cheerleaderin vor. "Meine Rosi ist ja nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte", sagt sie. Aber die Leute hätten ihren Spaß. Vor allem, wenn sie am Ende jeder Vorstellung ein Tänzchen hinlegt. Das stille Motto ihres Programms: Lebe deinen Traum.

Ein Motto, das wohl alle Karnevalistinnen für sich selbst unterschreiben würden. Denn keine von ihnen spielt auch nur mit dem Gedanken, die Pappnase an den Nagel zu hängen. "So lange die Leute mich lieben, mache ich weiter", sagt Schmitz. Auch Eßer denkt nicht ans Aufhören. Am liebsten würde sie mit ihrer Figur Achnes Kasulke gesund in Rente gehen. "Karneval ist doch eine lebenslange Leidenschaft", sagt sie. "Und es macht mir wirklich Freude, Menschen zum Lachen zu bringen." Nun könnte man sich als Spaßbremse betätigen und anführen, dass die karnevalistische Session zeitlich recht überschaubar ist. Einen echten Jecken kann das aber nicht erschrecken. Helga Schmitz: "Nach dem Karneval ist vor dem Karneval."

(RP)
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