Karlspreis-Verleihung in Aachen Mit Siegeswillen, Faust und Herz

Düsseldorf · Der Karlspreis 2022 geht an die belarussischen Bürgerrechtlerinnen Maria Kalesnikava, Swetlana Tichanowskaja und Veronica Tsepkalo. Für ihren Mut haben sie bitter büßen müssen.

 Veronica Tsepkalo,Swetlana Tichanowskaja und Maria Kalesnikava (v.l.)

Veronica Tsepkalo,Swetlana Tichanowskaja und Maria Kalesnikava (v.l.)

Foto: dpa/Sergei Grits

Langjährige Amts- und Würdenträger waren es in der Regel, die seit 1950 den Internationalen Karlspreis zu Aachen für besondere Verdienste um Europa erhielten. Noch eine Anerkennung on top für altgediente und zuvor vielfach ausgezeichnete Polit-Promis. In 62 Jahren gab es übrigens ganze fünf Preisträgerinnen.

In diesem Jahr ist alles anders.

Am Donnerstag werden in der Karlsstadt gleich drei Frauen auf einmal geehrt. Sie sind keineswegs so satt vom Erfolg wie viele ihrer Vorgänger. Ihrer Mission erreichte nicht ihr Ziel. Vorerst. Für ihren Mut haben sie bitter büßen müssen. Eine von ihnen, Maria Kolesnikowa, sitzt im Gefängnis. Eine andere, Swetlana Tichanowskaja, befindet sich mit ihren Kindern im Exil in Litauern, ihr Ehemann in der Heimat in Haft. Veronica Tsepkalo musste nach Drohungen ebenfalls mit ihrer Familie außer Landes fliehen .

Alle drei sind die Gesichter der gewaltfreien Opposition gegen den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, der sich 2020 durch Wahlbetrug zum sechsten Mal an die Staatsspitze mogelte und mit brutaler Härte gegen seine weiblichen Widersacher vorging. Ein Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin obendrein, der große Teile des im Süden gelegenen ukrainischen Nachbarlandes gerade in Schutt und Asche legen lässt.

Keine Frage, dass diese drei Frauen dennoch Unerhörtes für die europäische Idee geleistet haben. Ihr Markenzeichen – Faust, Herz und zum „Victory“ gespreizte Finger – wurde in Belarus für viele zum Zeichen des Aufbruchs, für den Kampf um Demokratie, um Menschenrechte und für eine offene Gesellschaft. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wird das in ihrer Festrede zu würdigen wissen. „Wir alle möchten Frieden und wollen am Himmelfahrtstag ein Zeichen setzen, dass Europa sich gegen Diktaturen wehrt“, erklärte der Vorsitzende des Aachener Preisdirektoriums, Jürgen Linden, schon mal vorab.

Viele Belarussen sehen in der 39-Jährigen Swetlana Tichanowskaja, die zweimal für den Friedensnobelpreis nominiert wurde, die wahre Siegerin der Wahl von 2020. Eigentlich war ihr Ehemann Sergei als Kandidat der Opposition angetreten, doch Lukaschenko ließ ihn verhaften und anschließend zu 18 Jahren Lagerhaft verurteilen. Also trat Swetlana Tichanowskaja für ihn an. Monatelang dauerten die Proteste, als sie um ihren Wahlerfolg gebracht wurde. Auch die EU erkennt Lukaschenko seither nicht mehr als Präsidenten an.

Veronica Tsepkalo hatte Zichanouskajas Kampagne unterstützt, nachdem ihr eigener Mann nach seinem Versuch, 2020 als Oppositionskandidat aufgestellt zu werden, sich im Ausland in Sicherheit bringen musste. Die 49-jährige musste ihm unmittelbar vor der Wahl folgen. Maria Kalesnikava hingegen, Aktivistin für Menschenrechte und Dritte im Bunde gegen die Unterdrückung im Land, weigert sich, Belarus zu verlassen, wurde inhaftiert und wegen angeblicher Vorbereitung eines Komplotts zur illegalen Machtergreifung zu elf Jahren Haft verurteilt. Für die 40-Jährige reist ihre Schwester Tatsiana Khomich nach Aachen.

Als Ende 2021 die Namen der Preisträgerinnen verkündet wurden, gab es noch keinen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Doch vor dem Hintergrund von Putins Überfall bekommt die Zeremonie besondere Bedeutung. Hinter der Preisvergabe stehe auch die Vorstellung, dass der osteuropäische Raum mit Belarus, Ukraine, Georgien oder Moldawien Teil Europas sei, bekräftigt Direktoriumschef Linden. Im Anschluss an die feierliche Ehrung ist in Aachen eine öffentliche Kundgebung für den Frieden geplant. Dabei werden die Preisträgerinnen sprechen, ebenso Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Er sieht in der Verleihung ein wichtiges Zeichen für Freiheit und Demokratie. Mutig und entschlossen widersetzten sich die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja und ihre Mitstreiterinnen Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo „der brutalen Diktatur in Belarus“, erklärte Wüst am Donnerstag vor der Preisverleihung in Aachen. „Friedlich und gewaltfrei haben sie eine demokratische Bewegung in Gang gesetzt, die das ganze Land erfasst hat und langfristig erfolgreich sein wird.“

Der jährlich in Aachen verliehene Preis gilt als eine der bedeutendsten europäischen Ehrungen. Namensgeber ist Kaiser Karl der Große (742-814). Er gilt als erster Einiger Europas und wählte Ende des achten Jahrhunderts Aachen zu seiner Lieblingspfalz. Zuletzt erhielt Rumäniens Präsident Klaus Iohannis den Karlspreis.

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