Bochum Jura-Professor in Hörsaal geschlagen

Bochum · Linksextreme sind in Bochum maskiert in eine Jura-Vorlesung eingedrungen, um einen Neonazi an den Pranger zu stellen. Dabei kam es zu einem folgenreichen Handgemenge. An der Uni wird nun über Konsequenzen diskutiert.

Nach einem gewalttätigen Zwischenfall während einer Jura-Vorlesung schwankt die Stimmung auf dem Campus der Ruhr-Universität Bochum zwischen Ratlosigkeit und Entschlossenheit. Etwa 15 bis 20 als Nikoläuse vermummte Linksautonome waren am Montag ausgerechnet in die Veranstaltung "Grundlehren des Bürgerlichen Rechts" von Professor Georg Borges eingedrungen, um dort einen mutmaßlich rechtsextremen Studenten anzuprangern. Sie zeigten mit einem Holzpfeil auf ihn und boykottierten die Vorlesung mit Megafon-Durchsagen. "Ich habe versucht, den Wortführer hinauszudrängen, als mich einer der anderen unvermittelt ins Gesicht geschlagen hat", erzählt Borges. Einige seiner rund 200 Studenten seien aufgesprungen und hätten den Täter festgehalten, woraufhin es zu tumultartigen Szenen gekommen sei. "Meine Sorge war, dass die Situation weiter eskaliert", sagt Borges. "Aber es war auch extrem wichtig, ein deutliches Zeichen zu setzen, indem man so eine Aktion sofort unterbindet."

Der Attacke auf den in der Bochumer Innenstadt gelegenen Hörsaal war eine massive Plakataktion der Linksextremen auf dem Uni-Campus vorausgegangen. Die teils Din-A3-großen Plakate zeigten das Konterfei des 23-jährigen Jura-Studenten, der der rechtsradikalen, mittlerweile verbotenen Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund" angehört haben soll und Mitglied im Landesverband der Partei "Die Rechte" ist. Diese Plakate mit Foto und Namen verletzen die Persönlichkeitsrechte, sagt Uni-Sprecher Jens Wylkop. "Unabhängig von der politischen Gesinnung können wir eine solche Menschenhetze nicht tolerieren. Als Uni müssen wir dafür sorgen, dass die Rechte des Einzelnen gewahrt bleiben und sich jeder sicher auf dem Campus bewegen kann."

Gerade die Frage der Sicherheit für Studenten und Dozenten scheint aber nach der Attacke im Hörsaal zumindest diskussionswürdig. Während Borges laut Polizei wegen Körperverletzung und Landfriedensbruch — er hatte das Hausrecht inne — Anzeige gegen Unbekannt erstattet hat, will die Uni vorerst nichts unternehmen. Nur die Plakate und Flyer seien sofort entfernt worden. "Rechtsradikale oder rechtsextreme Gedanken haben an der Ruhr-Universität keinen Platz — aber unsere Methode in der Auseinandersetzung damit ist der Diskurs und nicht Gewalt", sagt Rektor Elmar Weiler. Man setze auf die Vernunft der Menschen, dass sich so etwas nicht wiederhole. "So eine einmalige Sache kann nicht gleich darin münden, Security-Personal vor den Hörsälen zu postieren", ergänzt Wylkop. Von den Linksextremen nahm die Polizei vier kurzzeitig fest. Sie äußerten sich nicht zur Sache. Der Staatsschutz ermittelt.

Weder der Uni-Sprecher noch Jura-Professor Borges haben bereits einen ähnlichen Vorfall erlebt. Deshalb dürften die Freiheitsrechte an der Uni auch nicht gleich beschnitten werden, sagt Borges. "Ich bin stolz auf meine Studenten, dass sie richtig gehandelt haben. Das ist ein gutes Signal." Auch seine Kollegen würden größtenteils gelassen reagieren und seine Einschätzung teilen. Sogar Kollegen aus dem Ausland hätten ihm aufmunternde Worte geschickt. "Alle sind nur wahnsinnig froh, dass es nicht während ihrer Vorlesung passiert ist."

Auch der ASta, die Studenten-Vertretung der Uni, verurteilt die Aktion im Hörsaal scharf. Damit sei die Grenze des gesunden Menschenverstandes überschritten, sagt ASta-Vorsitzender Tim Köhler. "Solche Gewaltexzesse gehen gar nicht." Allerdings wolle man auch keine Neonazis unter den Studierenden. Köhler hätte sich gewünscht, dass die Gruppe, die in den Hörsaal gestürmt sei, stattdessen an den ASta herangetreten wäre und diesen über den Studenten informiert hätte. "Wir hätten dann auf andere Weise darauf hinweisen können", erklärt Köhler. Grundsätzlich sei es zu begrüßen, dass man auf Menschen mit fragwürdiger Gesinnung aufmerksam gemacht werde — nur eben nicht durch öffentliches Outing. Vielleicht würde das Thema noch einmal gesondert aufgegriffen.

Daran, dass unter den Studenten solche mit rechts- oder linksextremen Gedankengut seien, sei nichts zu ändern, sagt Wylkop. "Damit muss man sich auseinandersetzen — aber mit verbalen Mitteln."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort