Infrastruktur Jede zweite Bahnbrücke in NRW ist marode

Düsseldorf · In Nordrhein-Westfalen sind fast 2000 Eisenbahnbrücken sanierungsbedürftig: 263 Brücken, die in die schlimmste Zustandskategorie IV eingestuft sind, gelten bereits als so marode, dass es sich nicht mehr lohnt, sie instand zu setzen. Sie müssten abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden.

Stahlkonstruktion der Müngstener Brücke wird erneuert
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Stahlkonstruktion der Müngstener Brücke wird erneuert

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Weitere 1660 Brücken der Kategorie III weisen zwar umfangreiche Schäden auf, können aber noch saniert werden. Damit seien insgesamt 1923 Eisenbahnbrücken in NRW "Mahnmale einer verfallenden Verkehrsinfrastruktur", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer, in Düsseldorf. Die Situation sei dramatisch: Betroffen sei fast jede zweite der 4369 Eisenbahnbrücken in NRW.

Krischer und der Grünen-Landtagsabgeordnete Rolf Beu bezogen sich auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion zum Zustand der Eisenbahnbrücken. Demnach fallen allein auf der Strecke Köln-Aachen neun Brücken in die Kategorie IV. Auf der Strecke Hagen-Lüdenscheid sind es zehn und im Abschnitt Aachen-Mönchengladbach sogar elf.

Er sei "schockiert" gewesen, als er die Auflistung gesehen habe, sagte Krischer. Er warf der Bahn vor, ihren Verpflichtungen jahrelang nicht nachgekommen zu sein und nicht genug zur Instandsetzung der Brücken getan zu haben. Statt dessen sei mit Blick auf den beabsichtigten Börsengang Gewinnmaximierung oberste Leitlinie gewesen. Auch sei viel Geld für "Prestigeobjekte" wie "Stuttgart 21" ausgegeben worden.

Die Bahn bestätigte, dass 270 Brücken in NRW "dringend sanierungsbedürftig" seien. Sie sollen in den nächsten zehn bis 15 Jahren erneuert werden. Derzeit verhandle die Bahn mit dem Bund über die Finanzierung der Infrastruktur, hieß es.

"Die Eisenbahnbrücken leiden ebenso wie die Straßenbrücken unter dem massiven Sanierungsstau, der sich in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut hat", sagte NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD). Diese "gewaltige Herausforderung" lasse sich nur gemeinsam lösen: "Wir brauchen deutlich mehr Geld für den Erhalt unserer Infrastruktur." Er warte aber noch immer auf ein schlüssiges Finanzierungskonzept aus dem Bundesverkehrsministerium.

Die Grünen verwiesen darauf, dass Bahn-Chef Rüdiger Grube zu Jahresbeginn den Investitionsstau bei der Bahn auf 30 Milliarden Euro beziffert habe. Zwar wolle der Bund in dieser Legislaturperiode zusätzlich fünf Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur stecken, doch allein 70 Prozent davon seien für den Aus-und Neubau, und nicht jedoch für die Sanierung vorgesehen. Das sei "skandalös", so Krischer. Notwendig zur Sanierung der Bahnbrücken in NRW seien sechs bis zehn Milliarden Euro pro Jahr.

Laut Krischer und Beu ist nicht auszuschließen, dass in naher Zukunft wegen maroder Brücken Eisenbahnstrecken geschlossen werden müssen, wie dies im Fall der in die Kategorie III eingestuften Müngstener Brücke geschehen sei. Denkbar sei auch, dass die Tonnage der Züge verringert oder das Tempo der Züge gedrosselt werden müsse.

Bundesweit überprüft das Eisenbahnbundesamt im Turnus von sechs Jahren die Eisenbahnbrücken. Alle drei Jahre erfolgt eine Sichtkontrolle. Die Bahn betonte gestern, für sämtliche Zustandskategorien gelte, dass "die Brücken befahrbar sind und die Sicherheit nicht beeinträchtigt ist".

(csi)
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