Nach mutmaßlichem Spendenbetrug Jetzt spricht Jaluce – „An den Vorwürfen ist nichts dran!“
Exklusiv · Der Essener Influencer Jaluce bittet seine Follower auf Tiktok um Spenden für einen Obdachlosen. Doch der behauptet, kaum Geld bekommen zu haben, von Jaluce mit dem Remmo-Clan bedroht worden zu sein. Die Polizei ermittelt, Jaluce erhält Morddrohungen. Nun äußert sich der 23-Jährige erstmals zu den Anschuldigungen.
Ein Rapper und Influencer, der Geld für einen Obdachlosen sammelt, das er dann angeblich selbst behält und damit kostspielige Reisen finanziert: Die Geschichte um Jaluce, einen Tiktoker aus Essen, schlug kürzlich hohe Wellen. Der 23-Jährige bekam in den sozialen Netzwerken die Enttäuschung und Wut seiner Anhänger zu spüren, bis hin zu Morddrohungen. Er bezeichnet sich auf Tiktok selbst als „Most hyped teenager“, mehr als 850.000 Menschen folgen ihm, auf Instagram sind es noch einmal 400.000.
Nun äußert sich Jaluce erstmals ausführlich zu den Vorwürfen. „Ich habe den Obdachlosen rein zufällig im Sommer 2023 in Essen kennengelernt“, erzählt er unserer Redaktion. Er habe schon immer gerne für seine Social-Media-Kanäle Interviews mit Menschen gemacht, in denen es um deren Schicksale gehe, „das hat mich schon immer brennend interessiert“, wie er sagt. „Als ich auf den Obdachlosen aufmerksam wurde, kam dann einfach aus Mitgefühl die Idee, Ihn finanziell zu unterstützen und ihm ein besseres Leben zu ermöglichen.“ Insgesamt lädt Jaluce danach rund 30 Videos auf seinen Plattformen hoch, lässt den Mann seine Lebensgeschichte erzählen, geht mit ihm zum Friseur, lädt ihn zum Essen ein – und ruft seine Follower zu Spenden auf, die dem Obdachlosen zugute kommen sollen.
„Ich habe niemals damit gerechnet, dass hier Spenden im fünfstelligen Bereich bei mir ankommen würden“, sagt Jaluce. „Ganz ehrlich: Wir haben vielleicht 1000 Euro für realistisch gehalten – wenn überhaupt.“ Doch es kamen offenbar rund 40.000 Euro zusammen. 20.000 Euro gingen nach Angaben von Jaluce an den Obdachlosen. „Der Restbetrag ist an gemeinnützige Zwecke gegangen. Und das kann ich auch beweisen“, sagt er. Er habe den Obdachlosen zuletzt im September vergangenen Jahres gesehen. „Er hatte mir zuvor gegenüber noch bestätigt, dass er große Teile der Spenden bekommen hat und es bestand auch Einigkeit mit ihm, dass der Rest des Spendenbetrages an gemeinnützige Zwecke gespendet wird“, sagt Jaluce. Umso erstaunter sei er gewesen, als bekannt wurde, dass der Obdachlose gegenüber Einsatzkräften des Essener Ordnungsamts und der Polizei schon im August behauptet hatte, nur einen mittleren dreistelligen Betrag der Spenden bekommen zu haben.
Ein städtischer Mitarbeiter hatte den 24 Jahre alten Wohnungslosen zuvor in den Videos gesehen, dazu den Spendenaufruf. Beim zufälligen Aufeinandertreffen im August wunderte sich der Mann nach Angaben der Polizei darüber, dass sich die Lebenssituation des 24-Jährigen offenbar nicht verbessert hatte. „Als die Einsatzkräfte ihn darauf ansprachen, erzählte er ihnen, er sei von dem Influencer unter Druck gesetzt worden, damit er weitere inszenierte Videos mit dem deutsch-libanesischen Tatverdächtigen aufnimmt“, so die Polizei. Jaluce soll ihm mit dem Remmo-Clan gedroht haben. Er ist Mitglied der polizeibekannten Großfamilie, deren Name immer wieder in Verbindung mit schweren Straftaten fällt. Im Februar 2020 wurden etwa zwei Mitglieder der Remmo-Familie für den Diebstahl einer kostbaren Goldmünze – Wert: 3,75 Millionen Euro – aus einem Berliner Museum zu Haftstrafen verurteilt.
Da der Obdachlose behauptet, auch körperlich von Jaluce und zwei weiteren Personen verletzt worden zu sein, hat die Essener Polizei nicht nur Ermittlungen wegen mutmaßlichen Betrugs, Nötigung und Bedrohung, sondern auch wegen gefährlicher Körperverletzung aufgenommen. Die Ermittlungen führt in Essen das Kriminalkommissariat 36, zuständig für Clan-Kriminalität.
Jaluce hat sich einen Anwalt genommen, den Strafverteidiger Burkhard Benecken aus Marl. Der 48-Jährige sagte unserer Redaktion: „Ich halte die ganze Angelegenheit für maßlos aufgebauscht und wenn ich Bezeichnungen wie ‚Remmo-Clan‘ lese, kann ich nur sagen: Das ist ein medialer Hype, der aus der Sache gemacht wird.“ Benecken sagt: „Ein Clan hat mit der Angelegenheit nach meinem Kenntnisstand überhaupt nichts zu tun und deshalb meine ich, sollte man die Kirche im Dorf lassen.“
Jaluce sagt: „Ich bin wirklich entsetzt, wie ich jetzt als angeblicher Straftäter in der Öffentlichkeit über das Netz dargestellt werde. Viele Menschen fällen ein Urteil, ohne mich angehört zu haben.“ Weil es aber nicht nur zu Beleidigungen und Anfeindungen gekommen sei, sondern auch zu Morddrohungen, habe er sich nach Rücksprache mit seinem Anwalt dazu entschieden, jetzt auch öffentlich Stellung zu nehmen, um klarzumachen: „An den Vorwürfen ist nichts dran.“ Er hoffe, dass die Sache vollständig aufgeklärt werde. „Im besten Fall gibt der Obdachlose zu, dass er geflunkert hat“, sagt er. Er selbst will keine Strafanzeige gegen den Mann stellen. „Mir würde am meisten helfen, wenn er nach außen klarmacht: Was er behauptet hat, stimmt so nicht.“
Strafverteidiger Benecken sagt: „Wir werden alles daransetzen, die Sache aufzuklären. Normalerweise hätten wir zu diesem Zeitpunkt kein öffentliches Statement abgegeben, sondern uns zunächst nur der Staatsanwaltschaft gegenüber nach Akteneinsicht geäußert.“ Wegen der Morddrohungen wolle er aber zum Schutz seines Mandanten dringend klarstellen, was wirklich passiert sei. Am Donnerstagabend wird Jaluce auch im True-Crime-Podcast „Mundraub“ des Anwalts über die Anschuldigungen sprechen. „Wir haben umfangreiches Beweismaterial“, sagt Benecken. „Ich glaube, wenn man dieses Beweismaterial sieht, kann man nur zu einem Schluss kommen: Der Obdachlose hat hier eine Sache aufgebauscht und in Teilen die Unwahrheit gesagt.“ Der Anwalt nimmt auch Bezug zu den Urlaubsreisen, die sein Mandant unternommen hat: „Wir können beweisen, dass eine Reise zu dem bekannten Rapper Capital Bra im Zusammenhang mit einem Musikvideo von Sponsoren übernommen wurde. Es gab auch weitere Reisen, die bei Social Media dargestellt wurden, etwa in die Türkei – hier gab es ebenfalls Sponsoren, wie zum Beispiel eine Zahnklinik aus der Türkei, die meinem Mandanten die komplette Reise bezahlt hat.“
Die Ermittler der Essener Polizei haben inzwischen mehr als 2500 potenzielle Spender angeschrieben, die Jaluces Aufruf gefolgt waren, und ihnen einen Anhörungsbogen zugeschickt. „Das wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen“, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Essen am Donnerstag.