In vierter Pandemie-Welle NRW hat bundesweit die höchsten Corona-Zahlen

Düsseldorf · Nach dem Ende der Sommerferien werden in Nordrhein-Westfalen viele Infektionen mit dem Coronavirus festgestellt – deutlich mehr als in anderen Bundesländern. Auch in Kliniken müssen wieder mehr Erkrankte behandelt werden. Die Patientenzahl ist aber relativ niedrig.

 Mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 83,4 rückte NRW am Freitag an die Spitze im Vergleich der Bundesländer.

Mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 83,4 rückte NRW am Freitag an die Spitze im Vergleich der Bundesländer.

Foto: dpa/Oliver Berg

Nordrhein-Westfalen hat in der beginnenden vierten Pandemie-Welle bundesweit inzwischen die mit weitem Abstand höchsten Zahlen. Mit 83,4 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen rückte das bevölkerungsreichste Bundesland am Freitag an die Spitze im Vergleich der Bundesländer, wie aus den Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) hervorgeht. Die NRW-Inzidenz schnellte damit gegenüber dem Vortag um 11,8 kräftig nach oben. Am Donnerstag hatte noch Hamburg die höchste Sieben-Tage-Inzidenz, die jetzt um 6,5 unter der von NRW liegt. Innerhalb nur eines Tages kamen in NRW 4008 neue Infektionen hinzu. Zudem wurden sechs weitere Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus gemeldet. Nach Einschätzung des RKI hat in Deutschland die vierte Welle der Pandemie begonnen.

Unter allen Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland hat die Stadt Leverkusen weiterhin den Spitzenwert. Nach den RKI-Daten von Freitag stieg die Inzidenz auch dort deutlich auf 149,6 am Freitag nach 124,6 am Donnerstag. Deutschlandweit am zweithöchsten war der Wert in der Stadt Wuppertal (130,9). Der dritthöchste bundesweite Wert wurde am Freitag für die Stadt Bielefeld (130,5) ausgewiesen. Insgesamt sind acht der zehn höchsten Regionalwerte in Deutschland in NRW zu finden. Dunkelrot auf der RKI-Landkarte mit Werten über 100 sind 14 Kreise und kreisfreie Städte in NRW eingefärbt, darunter die beiden größten NRW-Städte Köln (107,6) und Düsseldorf (105,3).

Die Inzidenz, die bisher die Grundlage für viele Einschränkungen war, zieht künftig nicht mehr stufenweise Einschränkungen nach sich. In der seit Freitag geltenden neuen Corona-Schutzverordnung für NRW bleibt eine Sieben-Tage-Inzidenz von 35 die einzige Kennziffer, ab der dann die „3G-Regeln“ (geimpft, genesen oder getestet) zum Beispiel für Besuche in der Innengastronomie gelten. Da die Inzidenz für das gesamte Bundesland über 35 liegt, sei diese Regel landesweit wirksam, wie ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums sagte. Das gelte auch für den Kreis Kleve, für den als einzigen in NRW am Freitag mit 30,7 eine Inzidenz unter der Marke 35 ausgewiesen wurde.

Die Politik nimmt bei ihren neuen Regelungen sowie der Beurteilung der Lage neben der Inzidenz stärker die Patientenzahlen in den Krankenhäusern und die Impfquoten in den Blick. Nach einer Übersicht der Landesregierung werden mit Datenstand Freitag landesweit 811 Corona-Patienten in den Krankenhäusern behandelt. Das sind 115 mehr als am Donnerstag. Von den Corona-Erkrankten werden 184 auf einer Intensivstationen versorgt (zwei weniger). Davon wiederum werden 144 mit Beatmungstechnik behandelt (neun mehr). Bereits seit einigen Tagen steigen die Zahlen auf einem sehr niedrigen Niveau an. Zu den Höhepunkten Ende Dezember und Anfang Mai mussten jeweils mehr als 1100 Corona-Infizierte intensivmedizinisch in NRW behandelt werden.

Nach einer anderen RKI-Statitstik von Freitag sind 61,2 Prozent aller Einwohner von NRW inzwischen vollständig gegen Corona geimpft. Mindestens eine Spritze haben 67,5 aller Einwohner in NRW erhalten. In der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen sind 18,9 Prozent der Schüler vollständig geimpft. Eine Erstimpfung haben 30,5 Prozent in dieser jüngsten Altersgruppe der RKI-Impfdaten. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte am Dienstag erklärt, dass rund 80 Prozent der über 16 Jahre alten Menschen in NRW geimpft sind. Damit seien rund drei Millionen Menschen in NRW im Alter von über 16 Jahre bis dahin noch nicht geimpft gewesen. Davon gelte es noch etwa die Hälfte zu überzeugen, um eine Quote von 90 Prozent zu erzielen. Mit mobilen Impfteams versuchen die Kommunen, mehr Menschen zu erreichen.

Nach Ansicht des Epidemiologen Ralph Brinks von der Universität Witten-Herdecke spielen die Ferientermine eine Rolle, warum NRW im Sommer wieder hohe Werte ausweise. Viele würden sich im Urlaub mit dem Virus infizieren, was oft erst bei einem Test nach der Rückkehr auffalle. Das erkläre, warum zum Beispiel Bayern, wo die Sommerferien andauern, derzeit eine vergleichsweise niedrige Inzidenz aufweise, sagte er der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Freitag). Auch die sozio-ökonomische Situation spiele eine Rolle. „Corona trifft vor allem Menschen in ärmlichen Verhältnissen“, erklärte Brinks. Er verwies auf große Städte und Ballungsräume mit sozial benachteiligten Stadtviertel und beengten Wohnverhältnissen. Hohen Werte in Berlin, Hamburg oder Bremen bestätigen diese Erklärung. In NRW hatten mehrere Städte bereits Impfaktionen an sozialen Brennpunkten organisiert.

(bora/dpa)
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