Schwimmabzeichen für Kinder Das Seepferdchen – eine trügerische Sicherheit

Düsseldorf · Immer mehr Kinder machen das beliebte Abzeichen. Laut Schwimmverband NRW steigen die Zahlen seit 2014. Doch Experten warnen: Damit können Kinder noch lange nicht richtig schwimmen.

 Ein Mädchen beim Schwimmunterricht. (Symbolbild)

Ein Mädchen beim Schwimmunterricht. (Symbolbild)

Foto: dpa

Michael Grohe kann den Unmut mancher Eltern gut verstehen, wenn sie für ihr Kind keinen Platz in einem Schwimmkursus bekommen. „Zum Teil gibt es in den Ortsgruppen derzeit lange Wartelisten“, sagt der Sprecher der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) Nordrhein. Es könne Monate dauern, bis ein Platz frei werde. Ein Kursus der DLRG für zwölf Kinder dauert durchschnittlich zwischen vier und sechs Monate. Erst dann seien die meisten Kinder soweit, um die Seepferdchen-Prüfung absolvieren zu können. „Es könnte auch schneller gehen, wenn die Schwimmtrainer mit den Kindern nicht bei null anfangen müssten“, sagt Grohe.

Landesweit steigt die Nachfrage nach Schwimmkursen für Kinder im Vorschulalter. Insbesondere in den Großstädten wie Düsseldorf ist der Andrang groß. „Wir haben festgestellt, dass immer mehr Kinder das Seepferdchen machen“, sagt Marc Sandmann vom Schwimmverband NRW. Seit vier Jahre steige die Zahl der abgelegten Prüfungen kontinuierlich. Demnach bekamen beim Schwimmverband im vergangenen Jahr 23.900 Kinder das Seepferdchen-Abzeichen. Im Jahr davor waren es 23.650, 22.950 im Jahr 2015 und 22.500 im Jahr 2014. Und auch bei der DLRG in NRW sind die Zahlen seit Jahren konstant. Und das obwohl immer weniger Kinder in Nordrhein-Westfalen noch richtig schwimmen können, wie Lehrer, Verbände und Schwimmtrainer gleichermaßen festgestellt haben.

Für Grohe ist das kein Widerspruch. „Wer ein Seepferdchen hat, kann noch lange nicht richtig schwimmen. Das ist nur ein Anfang“, sagt er. Der ausgebildete Rettungsschwimmer weiß aber, dass viele Eltern die bestandene Seepferdchen-Prüfung als Beleg dafür nehmen, dass ihr Kind schwimmen kann. „Das ist eine trügerische Sicherheit“, warnt Grohe. Eltern sollten ihre Kinder trotz Seepferdchen nie unbeaufsichtigt ins Wasser lassen und maximal zehn Meter entfernt sein, um im Notfall schnell eingreifen zu können. „Und sie sollten die Verantwortung für ihre Kinder in Schwimmbädern nicht an der Kasse abgeben“, sagt Grohe.

Stefan Derks (Name geändert) aus Neuss ist Vater dreier Kinder. „Mein Eindruck ist, dass das Seepferdchen zuweilen einfach verschenkt wird – weil Schwimmkurse Geld kosten und die Kunden ausbleiben, wenn die Kinder kein Erfolgserlebnis haben“, sagt er. So habe sich sein fünfjähriger Sohn gerade so über Wasser halten können und trotzdem das Abzeichen bekommen. Dabei habe er die geforderte Bahnlänge von 25 Metern nur mit Hilfe geschafft. Zudem hat Derks festgestellt, dass einige Bademeister das Abzeichen nicht akzeptieren würden. „Das reicht nicht, heißt es dann am Beckenrand. Bitte Schwimmflügel tragen“, so Derks. Auch im Urlaub in den Niederlanden habe er das erlebt. „Die akzeptieren nur Kinder mit niederländischem Schwimmdiplom oder gleichwertig. Ansonsten ist Schwimmflügelpflicht – sogar im Kinderbecken. Seepferdchen wird nicht anerkannt“, sagt er

Von Schwimmflügeln rät die DLRG allerdings ab. „Die können schnell abrutschen. Die Folgen sind dramatisch“, warnt Grohe. „Das ist ähnlich wie mit dem Seepferdchen: Viele Eltern denken fatalerweise, dass ihre Kinder mit Schwimmflügeln gesichert sind.“

Worauf sollten Eltern bei der Schwimmausbildung ihrer Kinder also achten? „Auf jeden Fall skeptisch werden, wenn eine Abzeichengarantie versprochen wird“, sagt Sandmann. Gute Kurse zeichneten sich durch die Qualifikation und die Erfahrung der Übungsleiter aus. „Wir sehen eine Gruppengröße von maximal zehn Kindern auf zwei Übungsleiter als ideal an“, erklärt Sandmann. Zudem sollte ein Kursus aus mindestens zehn Einheiten bestehen. Alles darunter würde keinen Sinn machen. Die Kinder sollten mindestens fünf oder sechs Jahre alt sein. „Sonst fehlen die motorischen Voraussetzungen fürs Schwimmenlernen“, sagt Grohe.

Mit der Schwimmausbildung sollte laut Schwimmverband NRW jedoch so früh wie möglich begonnen werden – bereits im Kindergarten mit spielerischem Heranführen ans Wasser. Die Eltern sollten von Beginn an unterstützend tätig sein. „Mütter und Väter müssen ihren Kindern keine perfekte Technik vermitteln, aber schon im Baby- und Kleinkindesalter können kleinere Spiele im Schwimmbad, in der Badewanne oder unter dem Rasensprenger den Kindern helfen, sich ans Wasser zu gewöhnen“In der Grundschule sollten dann verpflichtend pro Woche 90 Minuten Schwimmunterricht in den ersten beiden Klassen stattfinden, und bis zur vierten Ergänzungsunterricht. „Auch die weiterführenden Schulen sollten bis zur zehnten Klasse schwimmen verpflichtend in den Lehrplan aufnehmen“, sagt Sandmann.

(csh)
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