Mordprozess von Höxter "Ich habe sie mal geschubst, vielleicht"

Tag 14 im Mordprozess gegen Angelika und Wilfried W.: Der Angeklagte belastet seine Ex-Frau weiterhin schwer und schiebt jede Verantwortung von sich. Angelika W. habe die vollständige Kontrolle über ihn gehabt.

Wilfried W. sagt im Höxter-Prozess aus
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Gabriele, Daniela, Kathy, Barbara, Anke, Anika, Susanne — es fallen viele Frauennamen an diesem Prozesstag in Saal 205 des Paderborner Landgerichts. Als der Angeklagte Wilfried W. einmal bei einer Nachfrage nicht gleich weiß, um welche Frau es geht, murmelt er: "Weiß nicht, waren so viele." Über Annoncen hat der heute 47-Jährige immer wieder Frauen kennengelernt, es sollen mehr als 100 Anzeigen gewesen sein, er selbst spricht von 30 bis 40. Auch seine mitangeklagte Ex-Frau Angelika W. hatte sich 1999 auf eine Anzeige gemeldet, die er aufgegeben hatte. Am 14. Prozesstag geht es vor allem um die Beziehung der beiden — so wie Wilfried W. sie in Erinnerung hat. Die Version seiner Ex-Frau ist eine andere.

Das ehemalige Ehepaar muss sich wegen zweifachen Mordes durch Unterlassen verantworten, die Staatsanwaltschaft wirft den beiden außerdem 30 Fälle von Körperverletzung vor. Sie sollen mindestens sechs Frauen schwer misshandelt haben, zwei weitere Frauen starben.

Der Fall Höxter – eine Chronologie der Gewalt
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Gleich am ersten Tag habe es beim Eis essen gefunkt zwischen Angelika und ihm, sagt Wilfried W. Schon beim zweiten Treffen sei es darum gegangen, wann sie bei ihm einzieht. "Drei oder vier Monate später haben wir geheiratet", sagt er. Angelika W. hatte in ihrer Vernehmung geschildert, dass es gleich in der ersten Woche zu Gewalt kam, die von ihrem Ex-Mann ausging. Er bestreitet das. "Sie war immer eifersüchtig, hat sich aufgedrängt, wollte bestimmen." Sie habe ihn als "dummen Jungen" hingestellt, der ohne sie nichts kann. Gewalt? "Ich habe sie mal geschubst, vielleicht", sagt er. Einmal habe er ihr eine Tomate hinterher geschmissen. Das war es dann auch schon mit dem, was Wilfried W. auf seine Kappe nimmt. Angelika W. hingegen hätte eine Pfanne nach ihm geworfen, ihn damit verletzt. "Ein Nachbar hat mich mal gefragt: Warum fängt die dauernd Streit an? Ich komm doch auch gut mit dir klar", sagt Wilfried W.

"Ja, das war eine Leere"

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Szenen aus dem Höxter-Prozess in Paderborn

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Der Angeklagte spricht in kurzen Sätzen und selten frei. Das liegt vor allem daran, dass sein Verteidiger Detlef Binder die Einlassung führt: Der Anwalt fragt, sein Mandant antwortet. Oft übernimmt Wilfried W. die Formulierungen des Juristen. "Ja, das war eine Leere, das kann man so sagen", sagt er etwa, als es darum geht, wie er sich gefühlt habe, als seine Ex-Frau einmal zu ihrer Mutter gezogen war.

Angesprochen auf die sadistischen Spielchen, die Angelika W. im Prozess beschrieben hatte — "Titten beißen" und "Decken, Alte" soll der Angeklagte die Quälereien genannt haben — sagt er: "Sie wollte, dass ich sie beim Sex in die Brüste beiße. Das fand sie erotisch oder so." Angelika W. habe immer gefroren, sich deshalb manchmal mit vier oder fünf Decken zugedeckt. Er habe sie dann aufgezogen, aus Spaß "Decken, Alte" gesagt. Man habe zusammen darüber gelacht. In der Version seiner Ex-Frau klingt das Ganze weniger lustig: Wenn Wilfried W. "Decken, Alte" sagte, hieß das demnach für sie, dass er mehrere Decken auf sie warf und sich darauf legte, bis sie zu ersticken drohte. "Das hab ich noch nie gemacht, ich bin doch nicht geisteskrank", sagt Wilfried W.

Und die schweren Verbrennungen, die Angelika W. am Arm hatte? Wilfried W. soll sie mit kochend heißem Wasser verbrüht haben. "Das hat sie selbst gemacht", sagt er. Sie habe nicht wieder als Gärtnerin arbeiten wollen. Um die Angebote des Job-Centers nicht annehmen zu müssen, habe sie sich verbrüht. "Da hat ihre Ex-Frau uns ja ein bisschen was anderes erzählt", sagt der Vorsitzende Richter, Bernd Emminghaus. Angelika W. macht sich viele Notizen an diesem Tag. Sie schaut ihren Ex-Partner immer wieder an, manchmal schüttelt sie den Kopf.

"Angelika hat uns ständig aufgezogen"

Der Angeklagte gibt jede Verantwortung ab — auch wenn es an diesem Tag noch nicht um die Taten auf dem Hof in Höxter-Bosseborn geht, auf dem die beiden gelebt haben. Seine Rolle ist die des hilflosen Mannes, der nicht allein sein kann, seiner intelligenten Partnerin nie Paroli bieten konnte. Selbst als das spätere Todesopfer Anika W. mit auf dem Hof lebte, habe Angelika W. die Oberhand behalten. "Anika und ich konnten uns nicht durchsetzen", behauptet er. "Angelika hat uns ständig aufgezogen, die hat uns nicht ernst genommen. Wir haben beide Angst gehabt." Die Idee, sich vor der Neuen als Bruder und Schwester auszugeben, sei von Angelika gekommen. Im Zuschauerraum sagt eine Frau leise zu ihrer Begleitung: "Der hat ja überhaupt nichts gemacht, wenn man ihn so reden hört. Warum sitzt der überhaupt hier?" Später gibt er zu, eine der Frauen mal an den Haaren gezogen, ihr Ohrfeigen gegeben zu haben, "vier oder fünf Mal."

Ob er mal Unterhalt bezahlt habe für seine beiden Kinder, die aus einer früheren Beziehung stammen, will der Staatsanwalt wissen. "Nur kurz", sagt der Angeklagte — um die Verantwortung gleich wieder von sich zu schieben: "Angelika wollte das nicht." Seine Tochter habe er deshalb auch noch nie gesehen. Vier Jahre, bevor Wilfried W. Angelika kennen lernte, wurde er wegen Körperverletzung zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Er hatte seine erste Ehefrau misshandelt. Darauf angesprochen greift sein Verteidiger ein und bittet, dieses Thema an einem anderen Tag zu besprechen.

Der Prozess wird am 28. März fortgesetzt. Angelika und Wilfried W. drohen lebenslange Freiheitsstrafen.

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