Ein Treffen mit Star-Anwalt Sven Thomas "Ich habe Respekt vor Bernie Ecclestone"

Düsseldorf · Sein Name ist wegen des Falles Eccelstone aktuell in aller Munde: Strafverteidiger seiner Güteklasse erhalten bis zu 1000 Euro Stundenhonorar. Arbeiten bis zum Tod will Sven Thomas dennoch nicht.

 Sven Thomas steht wegen des Ecclestone-Prozesses im Fokus der Öffentlichkeit.

Sven Thomas steht wegen des Ecclestone-Prozesses im Fokus der Öffentlichkeit.

Foto: Andreas Endermann

Sven Thomas braucht jetzt Urlaub. Für eine Woche nach Österreich: "Aber ich latsche nicht auf die Berge, schaue sie mir bloß an." Und im Dorf-Wirtshaus darf er noch rauchen. Was einen der besten und bekanntesten deutschen Anwälte für Wirtschaftsstrafrecht diebisch freut, ist, dass in seiner Ferienort-Kneipe der vordere, größere Raum für Raucher, der kleine dahinter für Nichtraucher reserviert ist. Thomas zieht an der "John Player Special" und lacht: "Das ist 'ne Raumaufteilung, die mir Spaß macht."

Der 66-jährige Strafverteidiger gibt zu, dass ihn der spektakuläre Prozess gegen seinen berühmten, schwerreichen Mandanten, den kleinen, großen Formel-1-Zirkusdirektor Bernie Ecclestone, ungeheuer viel Energie gekostet hat: "Solche Kraftakte wie jetzt in München sind nicht beliebig oft wiederholbar."

Allein schon, wenn der Seniorpartner einer auf Strafrecht spezialisierten Düsseldorfer Kanzlei von der Vorbereitung der Verteidigung Ecclestones erzählt! Ein Zimmer in der fünften, der Sven-Thomas-Etage des Anwaltshauses 50 Schritt entfernt von der Kunstsammlung K 21, war voll gestellt mit Akten, darunter 250 Ordner mit Kopien von der Staatsanwaltschaft. Thomas, dem Eitelkeit nicht fremd ist und der sich auf Drängen seiner Frau jetzt wegen der neuen Frisur "jeden Morgen Gel ins Haar schmiert", weist die verbreitete Vorstellung von sich, exzellente Strafverteidiger wie er neigten zu Theatralik und Schauspielerei.

Doktorarbeit über den Mordparagrafen

Thomas, der seine Doktorarbeit über den Mordparagrafen 211 des Strafgesetzbuches geschrieben hat, und zu dessen Mandanten Platzhirsche des Wirtschaftslebens zählten und zählen, hält es ganz altmodisch mit Pflichtgefühl und Arbeitswillen als ersten Voraussetzungen fürs Gelingen: "Sie müssen sich für große Verfahren intensiv vorbereiten, die Unterlagen und den Sachverhalt mindestens so gut, im Zweifel besser kennen als das Gericht."

Jemand wie Thomas, dessen noch junger Anwalts-Stern 1985/86 im Bonner Flick-Parteispenden-Verfahren ("Lambsdorff-Prozess") aufging, weiß, dass er zu den Könnern seines Fachs zählt; was auch Staatsanwälte und Richter bestätigen und Advokatenkollegen anerkennen. Einige aus der Juristenzunft fassen ihren Eindruck von Rechtsanwalt Thomas so zusammen: Außerhalb des Gerichtssaales liebenswürdig, höflich, sogar leise, aber drinnen im Saal, wenn's darauf ankommt und Wirkung erzielt werden soll, bei Bedarf schroff, herrisch, im Übrigen von Mutter Natur ausgestattet mit einem nicht zu überhörenden, auch mal donnernden Bass.

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Viele denken wohl: Den Thomas möchtest du lieber nicht zum Gegner haben, zumal er bedrohlich aus forschenden, wachen Augen gucken kann. Potentielle Mandanten, die sich jemanden wie ihn leisten können (ein Justizkenner spricht von Stundenhonoraren von 600 bis 1000 Euro bei Anwälten dieser Güteklasse), überlegen: Wenn schon Strafprozess, dann den Besten an meiner Seite. In Sven Thomas' Kanzlei gehört es zum Credo, es möglichst nicht zur Hauptverhandlung kommen zu lassen. Ein Oberstaatsanwalt, der den Strafverteidiger im legendären Mannesmann-Prozess vor zehn Jahren in frischer Erinnerung hat, rühmt Thomas' Leidenschaft für die vernünftige Suche nach Möglichkeiten, es nicht zum Äußersten, sprich zur Hauptverhandlung kommen zu lassen: "Mit Doktor Thomas wäre man 2004 in Düsseldorf viel früher zu einer strafprozessual vertretbaren Einigung gekommen, die es viel später ja auch gegeben hat".

Das zuletzt bundesweit vernehmbare Aufjaulen des Volksempfindens und des Presseboulevards über die Einstellung des Ecclestone-Verfahrens gegen eine Auflage zur Zahlung von 100 Millionen US-Dollar (rund 75 Millionen Euro) nimmt Sieger Thomas achselzuckend und missbilligend in Kauf: "Den Boulevard kann ich nicht ändern, und auf den Volksmund darf man bei der Frage nach Strafverfolgung oder nicht keinen sonderlichen Wert legen." Das klingt hochmütig, ist aber nichts anderes als der Satz des BGH-Richters Thomas Fischer im "Spiegel": "Auf das Bauchgefühl des Bürgers zu hören, ist im Rechtsstaat selten eine gute Idee".

Auch dass sein Anwalt Bernie Ecclestone, den viele für den Gerissenen schlechthin halten, aufgrund von dessen Lebensleistung "hohen Respekt" bezeugt, zeigt, dass jener nicht bereit ist, mit den Wölfen zu heulen. Die Vorstellung, Ecclestones Geschäftserfolg sei allein mit Härte zustande gekommen, nennt Thomas absurd: "So etwas schafft man auf Dauer nur, wenn man auch sehr verlässlich ist."

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Foto: dpa, tha kno jai nar

Was macht ein so genannter Staranwalt, wenn er spürt, dass die Spannkraft nachlässt? Golf spielen? Thomas grinst: "Golf? Nein. Frustrationssport." Als er 60 wurde, kamen erste Gedanken ans Aufhören. Ja, die Vorbereitung auf ein Mandat dauere heute länger als mit 40, 45, aber: "Ich hatte unterschätzt, wie sehr der Kräfteverschleiß durch ein Mehr an Erfahrung ausgeglichen wird." Bis zum Tod arbeiten möchte er nicht. Also ist permanente Selbstreflexion vonnöten, wie lange man sein Niveau halten kann.

Und nach Ende der Vita aktiva? Der Shakespeare-Verehrer wird wieder regelmäßig ins Schauspielhaus gehen. Zuletzt hat er "Richard III". gesehen, der "Sommernachtstraum" im September in Düsseldorf ist gebucht. Und der private Sommernachtstraum? Eine Weltreise? "Um Himmels willen. Ich bin kein großer Reisefreund." In dem Zusammenhang eine Breitseite gegen Amerika: "Nirgendwo darf man da mehr rauchen, und dann die Todesstrafe. Danke, das ist nicht mein Land." Noch ein sarkastisches Urteil fällt der privat friedfertige Mann und Schalke-Fan ("Sie können mich beklauen, ich stelle keine Strafanzeige. Das Allerletzte, was ich gebrauchen kann, sind private Konflikte"): "Ich bin auch keiner, der morgens mit drei Wasserflaschen joggt, um sicherzustellen, eine plötzlich einsetzende Dürre lebend zu überstehen."

(RP)
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