Autobahnen, Bahngleise, Stromleitungen Diese Hochwasser-Schäden werden uns noch Monate begleiten

Düsseldorf · Das Hochwasser hat verheerende Schäden in Teilen von NRW und Rheinland-Pfalz hinterlassen. Mit jedem Tag werden die Ausmaße sichtbarer: Autobahnen, Häuser, Gas- und Stromleitungen wurden beschädigt. Ein Überblick, was alles zerstört wurde und wann es wiederaufgebaut werden soll.

Hochwassers 2021 in NRW: Schäden in Erftstadt, Euskirchen, Bad Münstereifel, Altenahr
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Schwere Schäden durch Überflutungen in NRW

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Foto: dpa/David Young

Häuser liegen in Trümmern, Möbel, Autos und Unrat stehen mit Schlamm überzogen davor, Straßen sind abgesackt, Teile von Autobahnen weggebrochen. Mit jeder Stunde, die verstreicht und in der endlich das Wasser zurückgeht, wird deutlicher, wie viel das Manche Ortschaften wurden durch die Katastrophe von allen Leitungen der Zivilisation abgetrennt, in anderen laufen die Aufbauarbeiten. Wir geben einen Überblick darüber, wie groß die Schäden in NRW sind und wie lange der Wiederaufbau noch dauern wird.

 Autobahnen und Bundesstraßen

 Die Autobahnen 1 und 61 im Süden NRWs wurden massiv getroffen. Bei den Kommunen Erftstadt und Swisttal hatten die Wassermassen Teile der Fahrbahn weggerissen. Die Schadensbegutachtung läuft laut Autobahngesellschaft noch. Erst wenn diese abgeschlossen ist, können die Bauarbeiten beginnen. Wie lange die Reparatur dauern werde, konnte die Autobahngesellschaft noch nicht sagen. Sehr wahrscheinlich geht es aber um mehrere Monate. Bis auf Weiteres gelten Vollsperrungen auf der A1 zwischen dem Autobahndreieck Erfttal und der Anschlussstelle Hürth in der einen Fahrtrichtung und in der anderen Fahrtrichtung vom Kreuz Köln-West bis nach Erfttal, wie die Autobahngesellschaft mitteilte. Die A61, die sich bei Erftstadt mit der A1 verbindet, ist in beiden Fahrtrichtungen zwischen den Autobahnkreuzen Kerpen und Meckenheim voll gesperrt.

Grund für die Sperrungen sind nicht nur die beiden Abbruch-Stellen. An anderen Stellen der gesperrten Strecken ist es nach den Worten des Autobahn-Sprechers noch unklar, ob der Untergrund instabil ist. „Es gibt noch viele Unterspülungen - in verschiedenen Abschnitten muss man damit rechnen, dass etwas nachrutscht oder wegbricht.“ Gutachter würden die Abschnitte untersuchen und gegebenenfalls wieder freigeben, so der Sprecher. Zur Erkundung schickt die Autobahngesellschaft Lastwagen auf die Strecke, um eine mögliche Rissbildung zu beobachten. Erst wenn die Autobahn stabil sei, könnten gewisse Strecken schrittweise freigegeben werden - möglicherweise zunächst ein Fahrstreifen mit Geschwindigkeitsbegrenzung. „Es muss absolut sicher sein“, betonte der Sprecher.

Landesverkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) sprach sich dafür aus, die beschädigte Verkehrsinfrastruktur im Land so schnell wie möglich zu reparieren oder völlig neu zu bauen. Hierbei, so der Minister, gelte es, beim Wiederaufbau möglichst schnell und unbürokratisch zu helfen. „Dort, wo zum Beispiel das Planungsrecht verändert oder die Vergabe von Reparaturaufträgen beschleunigt werden muss, werden wir dies tun“, sagte Wüst unserer Redaktion. Es sei ein Schaden in erheblicher Millionenhöhe entstanden, so der Minister weiter.

Bahnschienen

Nach einem ersten Lagebild wurden in NRW und Rheinland-Pfalz mehr als 80 Stationen und Haltepunkte durch die Unwetterkatastrophe beschädigt, wie die Deutsche Bahn mitteilte. Zudem seien auf mehr als 600 Kilometern Länge Gleise beschädigt worden. Die Unwetterkatastrophe werde noch in den nächsten Tagen Folgen für die Reisenden und Pendler haben. Beim Fernverkehr gibt es erste Fortschritte: Der ICE fährt wieder von Köln nach Brüssel, Bonn ist wieder an den Fernverkehr angeschlossen, und die Fahrt von Berlin nach Köln und Düsseldorf ist wieder möglich. Zum Start in die neue Woche rechnet die Bahn mit „einer weiteren Normalisierung des Fernverkehrs für Ziele in NRW“.

 Gasleitungen

Der Versorger im Rhein-Erft-Kreis GVG hat auf Nachfrage unserer Redaktion bestätigt, dass weite Teile des Gasnetzes in Erftstadt, das unmittelbar nach der Flutkatastrophe aus Vorsicht abgestellt wurde, inzwischen wieder angeschlossen wurden. Die Ortsteile Lechenich, Konradsheim und Herrig haben wieder Gas. In Blessem und Bliesheim ist die Versorgung jedoch nach wie vor abgetrennt. „In Blessem haben wir noch gar keinen Überblick über das Ausmaß des Schadens, da auch unsere Mitarbeiter den Ort noch nicht betreten dürfen“, sagte ein Sprecher am Montag. In Bliesheim überlege man derzeit, die Versorgung aufzuteilen, um zumindest den oberen Ortsteil, der weiter entfernt von der Erft liegt, wieder zeitnah mit Gas versorgen zu können. Die langfristigen Aufräumarbeiten werden aber auch hier Monate in Anspruch nehmen, da noch nicht klar ist, wie stark die Straßen an welchen Stellen unterspült wurden.

 Energienetze Mittelrhein, Gasversorger im Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz hat die Situation als ähnlich dramatisch bezeichnet. „Die Gasleitung ist komplett gerissen. Wirklich zerstört“, sagte ein Unternehmenssprecher kürzlich. Mehrere Kilometer Leitung müssten komplett neu gebaut werden. „Das wird leider Wochen oder Monate dauern, bis dort wieder Gasversorgung ist. Das heißt für die Bürger: kaltes Wasser, und wenn die Heizperiode kommt, auch kalte Wohnung.“

 Stromleitungen

 Zur Stromversorgung im Rhein-Erft-Kreis und im Kreis Ahrweiler hat das Unternehmen Westnetz von erheblichen Beschädigungen an den Verteilungsanlagen durch den Starkregen und die Überschwemmungen gesprochen. „Derzeit kommen die Monteure nicht einmal an alle Schadensstellen heran, weil manche Keller immer noch unter Wasser stehen“, sagte eine Sprecherin auf Nachfrage unserer Redaktion am Montagvormittag. In Erftstadt sind derzeit noch die Ortsteile Blessem und Bliesheim ohne Strom, hier versuche man, sich mithilfe von Drohnen und Helikoptern einen Überblick zu verschaffen. „Das Mittelspannungsnetz in der Region Erftstadt läuft wieder. Damit der Strom aber auch bei den Leuten ankommt, muss jetzt die nachgelagerte Niedrigspannungsebene neu aufgebaut werden“, erklärt die Westnetz-Sprecherin. Dafür sei es aber zwingend notwendig, dass jeder einzelne Stromkasten zuvor von einem Techniker in Augenschein genommen wird. „Wie lange dieser Prozess noch dauern wird, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehen“, so die Sprecherin. Ähnliches ist auch vom Energieversorger Regionetz zu hören, der für die Stromversorgung in der Region Aachen zuständig ist. „Eschweiler und große Teile Stolbergs werden wir vermutlich noch am Montagnachmittag wieder ans Stromnetz anschließen können“, hieß es auf Anfrage unserer Redaktion. In der Innenstadt von Stolberg werde es vermutlich noch länger dauern. Hausbewohner, die auf Strom warten, helfen dem Energieversorger, indem sie ein Schild mit Kontaktdaten ins Fenster oder an die Tür hängen, sodass die Monteure sich Zutritt zum Haus verschaffen können.

 Wasser

 Durch das Hochwasser ist es zu einer Verschmutzung der Wuppertalsperre im Oberbergischen Kreis gekommen. Nach Informationen der Bezirksregierung Köln waren mehrere Betriebe im südlich gelegenen Hückeswagen überflutet worden. Dabei waren verschiedene Stoffe, darunter auch Öl, ausgetreten. Über die Wiebach-Vorsperre floss das Öl dann in die Hauptsperre. Der Wupperverband untersagt deshalb derzeit die Freizeitnutzung der Talsperre. Bootstouren, Angeln, Baden und Tauchen sind verboten.

 Historische Häuser

Die historischen Innenstädte von Schleiden und Bad Münstereifel wurden von der Flut völlig verwüstet. Diverse Häuser sind einsturzgefährdet, vom idyllischen Stadtkern ist nichts mehr wiederzuerkennen.  Auch die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Cornelia Weigand, sagte in einem Interview am Wochenende: "Es ist klar, dass unsere Gemeinden anschließend anders aussehen werden, weil viele der Gebäude, die prägend waren, die dort über 50, 100 oder 150 Jahre gestanden haben, abgerissen werden müssen." Sie hoffe, dass es eine Zukunft für ihre Gemeinde gebe. "Wer zieht da wieder hin, wo ein Jahrhunderthochwasser um den Faktor 3 überstiegen wird. Das ist nicht berechenbar, das ist nicht planbar.“

 Brücken

 In Rheinland-Pfalz stehen nach Angaben von Landeswirtschaftsministerin Daniela Schmitt die Fachleute bereit, die entstandenen Schäden zu begutachten. "Man hat begonnen die Schäden zu identifizieren und auch aufzunehmen", sagt die FDP-Politikerin im Deutschlandfunk. "Aber das ist wirklich der Anfang, an dem wir noch stehen." Man müsse warten, bis das Wasser vollständig zurückgehe, bis man die Bauwerke, die Straßen, die Brücken auch wirklich inspizieren könne. "Einen Überblick haben wir derzeit noch nicht." Auch in NRW werde es noch Wochen dauern, bis die Statik der Brücken, die vom Hochwasser betroffen sind, genau untersucht werden kann. „Die Situation ist einfach noch zu unübersichtlich, um eine genaue Prognose abgeben zu können“, sagte ein Sprecher von Straßen.NRW auf Nachfrage.

(mit Material von dpa und Reuters)
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