Deutsche in der Ukraine Paar mit Baby aus NRW harrt in Kiewer Keller aus

Kiew/Düsseldorf · Eine Ehepaar aus Herzogenrath sitzt mit ihrem Baby in einem Keller in Kiew fest – und mit ihnen noch andere Familien aus der ganzen Welt.

 In diesem Keller in Kiew harrt die Familie aus NRW mit anderen Paaren aus.

In diesem Keller in Kiew harrt die Familie aus NRW mit anderen Paaren aus.

Foto: Privat

 S. sitzt mit seiner Frau M. und ihrem drei Wochen alten Baby mit weiteren 15 Familien im Keller eines Wohnhauses in Kiew fest. „Die Detonationen bekommen wir mit“, sagt der 50-Jährige aus Herzogenrath. Und der Krieg scheint immer näher an sie heranzurücken; sie dürfen den Keller aus Sicherheitsgründen kaum noch verlassen. „Am Samstag mussten wir zeitweise alle unsere Handys auf Flugmodus stellen, damit wir nicht geortet werden konnten. Das ist beklemmend“, berichtet er. Wie er mit seiner kleinen Familie aus der umkämpften Stadt kommen will, weiß er nicht.

Unsere Redaktion hat mit S. am Sonntagvormittag telefoniert und dann weiter Kontakt mit ihm mit einem Messenger gehalten. S. und M. halten sich seit dem 4. Februar in der ukrainischen Hauptstadt auf, um ihre kleine Tochter, die am 30. Januar zur Welt gekommen ist, abzuholen. Die Geburtsurkunde, in der S. als leiblicher Vater und M. als Mutter eingetragen worden sind, haben sie bereits erhalten. Es fehlen aber noch weitere wichtige Papiere für die Ausreise.

Mit ihnen harren noch weitere Paare mit Kindern aus Asien, Brasilien, Deutschland, Spanien, Skandinavien und der Türkei in dem Keller aus. „Ich hoffe, dass ein Flugkorridor geschaffen wird und wir alle hier sicherherausgeholt werden. Auf eigene Faust schaffen wir es nicht. Versuche von anderen sind schon gescheitert“, sagt S. Die Familien in dem Keller vereint ein Problem: Ihnen allen fehlen noch nötige Ausweisdokumente für die Kinder; sie konnten wegen des Kriegsausbruchs nicht mehr ausgestellt werden. Die deutsche Botschaft in Kiew wurde geschlossen. „Dort hätten sie einen vorläufigen Ausweis bekommen“, sagt J., der Bruder von S., der aus Heinsberg Kontakt per Telefon und Messenger zu seinen festsitzenden Verwandten in Kiew hält. Zuvor seien etliche Anfragen, das Verfahren zu beschleunigen, fehlgeschlagen. „Von der Botschaft wurde Ihnen noch bis einem Tag vor der Invasion mitgeteilt, dass sie sich gedulden sollen und es überhaupt auch sehr unwahrscheinlich wäre, dass die Botschaft schließt“, so J. Doch es kam bekanntlich anders. „Wenn die jetzt in irgendeine Kontrolle geraten – etwa an der Grenze zu Polen – kann ihnen das Kind weggenommen werden, weil sie keine amtlichen Papieren vorweisen können. Das ist dramatisch“, betont J, der sich verzweifelt und traurig anhört, als er vom Schicksal seines Bruders und dessen Frau berichtet. „Sie wissen nicht, was sie jetzt machen sollen“, sagt er. „Sie hatten überlegt, mit Bus und Taxi irgendwie zur polnischen Grenze zu kommen. Aber es gibt Gerüchte, dass die Russen auf den Straßen dorthin patrouillieren“, sagt J.

Er und sein Bruder verstehen nicht, wieso die Deutschen, die sich noch in der Ukraine aufhalten, nicht besser von den deutschen Behörden informiert werden. „Es kann doch nicht sein, dass der deutsche Staat, seine Bürger so im Stich lässt“, sagt J. „Wir hatten gehofft, dass die Botschaft ein vorübergehendes Schriftstück erstellen kann, das als Ausweis für die kleine fungieren kann, aber im Grunde sind alle komplett im Stich gelassen worden“, kritisiert er 

S. und seiner Familie geht es den Umständen entsprechend gut. „Die Bediensteten hier in dem Haus sind sehr freundlich und helfen, wo sie können“, sagt er. „Für die Babys gibt es genügend Nahrung, und sie können auch gebadet werden“, berichtet er am Telefon.

(csh)
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