Artgerechte Haltung Warum immer mehr Landwirte ein Herz für Tiere haben

Dinslaken · Für immer mehr Landwirte ist die Tierhaltung nicht nur eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Klaus Bird, Kurt Heinrichs und Johannes Vahnenbruck tun viel dafür, dass sich ihre Hühner, Schweine und Rinder wohlfühlen.

  Klaus Bird, Betreiber des Biolandhofs Frohnenbruch, inmitten seiner Hühner. Bird hat 1000 Legehennen und zieht die sogenannten Bruderhähnchen mit auf – die männlichen Küken, die sonst nach der Geburt getötet werden. 

Klaus Bird, Betreiber des Biolandhofs Frohnenbruch, inmitten seiner Hühner. Bird hat 1000 Legehennen und zieht die sogenannten Bruderhähnchen mit auf – die männlichen Küken, die sonst nach der Geburt getötet werden. 

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Nach einem stressigen Tag geht Johannes Vahnenbruck gerne auf die Wiese und schaut seinen Limousin-Rindern beim Fressen zu. „Das beruhigt mich“, sagt der 28-Jährige, „und es gibt mir ein gutes Gefühl.“ Tiere, auch Nutztiere, müssten glücklich sein, lautet die Devise des Landwirts, der mit seinem Vater Heinrich den Hof Vahnenbruck in Dinslaken bewirtschaftet. Der junge Agraringenieur ist vor allem für die acht Rinder zuständig, die den größten Teil des Jahres im Freien verbringen, auf den Streuobstwiesen und Grünflächen des 54 Hektar großen Geländes. Der Hof betreibt zwar konventionelle Landwirtschaft. „Aber die artgerechte Haltung der Tiere ist mir sehr wichtig“, sagt Vahnenbruck. „Fleisch aus Massentierhaltung würde ich nicht essen.“

Konkret heißt das: Die Rinder laufen, solange es geht, auf der Weide, stehen im Stall auf Stroh und bekommen überwiegend Futter von eigenen Flächen. Vahnenbruck begleitet die Tiere zur Schlachtung beim nur 13 Kilometer entfernten Metzger und vermarktet das Fleisch im eigenen Hofladen. Rund 90 Prozent des Tieres werden verwertet, auch weniger nachgefragte Teile wie Zunge, Bäckchen oder Leber. Für Vahnenbruck ist das ein wichtiger Bestandteil nachhaltiger Landwirtschaft.

Klaus Bird vom Biolandhof Frohnenbruch in Kamp-Lintfort sieht das genauso. Bei einem Schlachtgewicht von 200 Kilogramm entfielen bei einem Rind nur rund drei Kilo auf Filet – den Rest könne man ja nicht einfach wegschmeißen, sagt der Landwirt. Daher wird im Hofladen das gesamte Tier vermarktet; wenn es sein muss, auch mit günstigen Preisen für weniger beliebte Stücke. Gehalten werden seine rund 230 Tiere nach Bioland-Richtlinien komplett auf Stroh, mindestens sieben Monate im Jahr stehen sie auf der Weide. Das war nicht immer so. Angefangen hat der 53-Jährige erst mit konventioneller Milchvieh-, dann mit Mutterkuhhaltung. Ohne wirklich zufrieden zu sein. Als nach der BSE-Krise im Jahr 2000 die Preise verfielen, setzte Familie Bird auf einen Neustart. „Wir wollten Landwirtschaft so betreiben, wie sich das viele Menschen vorstellen“, sagt Klaus Bird, „in der Hoffnung, dass auch genug Kunden danach suchen.“

Heute zieht der Öko-Bauer eine positive Bilanz. Doch leicht sei es nie gewesen. So würden zwar viele Menschen anerkennen, dass er sich für artgerechte Tierhaltung engagiere, aber seine teureren Produkte nicht kaufen. „Von 16 Jahren Biolandwirtschaft waren erst die vergangenen zwei, drei Jahre wirtschaftlich ganz nett“, sagt er. Belohnt worden sei er dafür mit dem enorm positiven Effekt, dass seine Zufriedenheit deutlich gestiegen sei und er so den Spaß am Job wiedergefunden habe. Das wirkte sich auch auf die Familie aus. Die Kinder sind mittlerweile in den Betrieb eingestiegen, ohne dass die Eltern darauf gedrungen hätten. Tochter Eva führt den Hofladen, Sohn Paul macht gerade seinen Agrar-Betriebswirt und kümmert sich demnächst um die Schweinehaltung. „Diese Effekte sind natürlich nicht in Zahlen zu fassen“, sagt Bird.

  Michael Heinrichs (r.) und Max Esser kooperieren in Kamp-Lintfort bei der Schweinezucht.

Michael Heinrichs (r.) und Max Esser kooperieren in Kamp-Lintfort bei der Schweinezucht.

Foto: Esser

Andere dagegen schon. Rund 1000 Legehennen hält der Landwirt in Mobilställen, dazu, und das ist das Besondere, seit 2012 noch zweimal im Jahr rund 400 sogenannte Bruderhähnchen. Bruder deshalb, weil die Birds nicht, wie sonst üblich, die männlichen Küken töten lassen, sondern aufziehen und nach 14 Wochen als Masthähnchen verkaufen. Finanziert wird das Ganze über höhere Eierpreise – die wegen der arbeitsintensiveren Haltung ohnehin schon über dem Durchschnitt liegen. Kein Ei weniger habe man dadurch verkauft, sagt Bird etwas stolz. Dass die Familie überhaupt auf die Idee kam, Bruderhähnchen mit aufzuziehen, sei durch die öffentliche Diskussion über das sogenannte Kükenschreddern entstanden. „Wir haben uns sofort verantwortlich gefühlt, weil wir nur weibliche Legehennen gekauft haben“, erzählt Bird. Wenn da schon Nutztiere schlüpfen, so seine Position, dann sollte man sie auch nutzen.

Sich verantwortlich fühlen für die Tiere, die man hält, das kennt Kurt Heinrichs sehr gut. Zusammen mit seinem Sohn Michael züchtet er auf seinem konventionellen Hof in Heinsberg Duress-Schweine, eine Kreuzung aus Duroc-Schweinen und Alter Landrasse. Die Haltung sei eine Einstellungssache den Tieren gegenüber. Für Heinrichs heißt das: Seine insgesamt rund 1400 Tiere an zwei Standorten leben auf Stroh und haben 20 bis 40 Prozent mehr Platz zur Verfügung als üblich, teils sogar sogenannte Aktivställe, die eigens Bereiche fürs Fressen, Schlafen und Herumwühlen bieten. „Die Tiere zeigen ein komplett anderes Verhalten, sind weitaus zufriedener und ausgeglichener“, sagt Heinrichs.

Die Rinder, die Johannes Vahnenbruck in Dinslaken züchtet, stehen den größten Teil des Jahres draußen auf der Weide. Der junge Landwirt legt Wert darauf, dass es den Tieren gut geht.

Die Rinder, die Johannes Vahnenbruck in Dinslaken züchtet, stehen den größten Teil des Jahres draußen auf der Weide. Der junge Landwirt legt Wert darauf, dass es den Tieren gut geht.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Die Idee, spezielle Schweine in artgerechter Haltung zu züchten, hat Heinrichs auch Metzgermeister Max Esser zu verdanken. Gemeinsam tüftelten sie das Projekt aus. Esser wollte damit dem Kundenwunsch nach Qualitätsfleisch aus guter Haltung entsprechen und die eigene Überzeugung, alles Nötige fürs Tierwohl zu tun, damit verbinden. Heinrichs wiederum profitierte von der wirtschaftlichen Sicherheit, einen festen Abnehmer für seine Schweine zu haben. Auch das Futter stammt aus der Region, verarbeitet wird die Rheinische Ackerbohne. Für ein Bio-Siegel müsste auch der Futteranbau biologisch sein, was den Endpreis für seine Produkte verdoppeln würde, sagt Heinrichs. Das würde der Kunde nicht mitmachen. Ziel sei es am Ende, besonders gutes Fleisch zu bekommen – aber eben auch die Tierhaltung so artgerecht wie möglich zu gestalten.

Zum Nulltarif, das sagen alle Bauern, sei das mit dem Tierwohl nicht zu machen. Und obwohl das Kaufverhalten vieler Kunden mittlerweile deutlich kritischer sei und die Bereitschaft größer, mehr Geld für hochwertiges Fleisch auszugeben, existiere immer noch ein eklatanter Unterschied zwischen Reden und Handeln. „Statt immer wieder Geld für ein teures Handy auszugeben, sollten die Menschen lieber in hochwertige Lebensmittel investieren“, sagt Heinrichs. „Denn am Ende geht es immer um die Frage, welche Tierhaltung wir unterstützen wollen.“

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