Steinkohlenzeche Pluto in Herne Einsatzbereit bis zum letzten Tag – Grubenwehr übt den Ernstfall

Herne · Solange in Deutschland noch jemand in ein Kohlebergwerk einfährt, muss er dort auch wieder herausgeholt werden können. Regelmäßig übt die Grubenwehr den Ernstfall – im Übungs-Brandstollen der stillgelegten Steinkohlenzeche Pluto in Herne.

Grubenwehr trainiert in Herner Zeche Pluto
8 Bilder

Grubenwehr trainiert in Herner Zeche

8 Bilder
Foto: dpa/Oliver Berg

Dichter Rauch überall. Lichterloh brennen mitten im Stollen Holzpaletten. So schnell wie möglich muss die Grubenwehr den Brand in den Griff bekommen. Routiniert montiert ein Wehrmann in orangenem Flammschutz-Overall und mit Atemmaske den Wasserschlauch an die Zuleitung. Kurz darauf erstickt ein starker Strahl das Feuer. Zum Glück nur im Übungs-Brandstollen der stillgelegten Steinkohlenzeche Pluto in Herne - an der Erdoberfläche und nicht unter Tage in über 1000 Metern Tiefe wie im Ernstfall.

Die Grubenwehr ist eine Art Werksfeuerwehr im Bergbau, die bei Unglücken aber auch bei Grubenbränden zum Einsatz kommt. Neben den 190 Wehrmännern der „Zentralen Grubenwehr“ in Herne hat jedes Bergwerk seine eigene Mannschaft. Deren Wehrmänner arbeiten sonst als normale Bergleute auf den Zechen. Ihr Dienst für die Grubenwehr ist freiwillig. „Solange unter Tage angefahren wird, muss es eine Grubenwehr geben“, sagt Michael Wolf, stellvertretender Hauptgerätewart bei der Zentralen Grubenwehr in Herne.

Bis Ende 2018 fördern Bergleute in Deutschland noch Steinkohle aus den letzten beiden Tiefbau-Zechen: in Bottrop im Ruhrgebiet und in Ibbenbüren im Tecklenburger Land im Norden Westfalens. Danach wird unter Tage noch rund zwei Jahre lang aufgeräumt. In manchen alten Schächten stehen außerdem Wasserpumpen, die von Technikern noch einige Jahre lang gewartet werden müssen. Bis Ende 2021 wird das dauern, dann lässt man das Wasser steigen. Den Wasserstand in den Gruben werden dann riesige Tauchpumpen regulieren, die über Tage gewartet werden können. In die stillgelegten Bergwerke muss dann niemand mehr „einfahren“, wie der Bergmann sagt.

Insgesamt 535 Mitglieder hatte die Grubenwehr Anfang 2018 noch: in der Zentrale in Herne, an den Standorten der beiden Bergwerke und im Saarland, wo die letzte Zeche bereits 2012 die Förderung einstellte. Neue Wehrmänner werden nicht ausgebildet. „Man braucht mindestens fünf Jahre, um einen Grubenwehrmann auszubilden“, sagt Roberto Cillis, Oberführer der Grubenwehr-Reservisten. Und was machen die Männer, wenn Ende 2021 Schluss ist? „Die jungen Leute nutzen die Ausbildung als Zusatzqualifikation. Einige haben wir schon zu Feuerwehren oder Atemschutz-Geräteherstellern vermitteln können“, sagt Andreas Betka, Leiter der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen in Herne.

Die letzten Männer der Grubenwehr im deutschen Steinkohlebergbau stehen in einer langen Tradition. Immer wieder erschütterten Unglücke mit Dutzenden oder gar Hunderten Toten Deutschland. Beim schwersten Unglück in Europa starben 1906 im nordfranzösischen Courrières fast 1100 Bergleute. „Erst der Einsatz deutscher Rettungstrupps der Zechen Shamrock und Rheinelbe, die mit Atemschutz ausgerüstet waren, führte dazu, dass 13 Überlebende geborgen werden konnten“, heißt es bei der Berufsgenossenschaft Rohstoffe.

Einer großen Öffentlichkeit wurden die Untertage-Rettungsspezialisten 1963 bekannt - beim Grubenunglück in einer Eisenerzgrube im niedersächsischen Lengede. Die Rettung von elf Bergleuten nach zwei Wochen ging als „Wunder von Lengede“ in die Geschichte ein. Sie hatten in 62 Meter Tiefe überlebt und wurden mit sogenannten Dahlbusch-Bomben, torpedoförmigen Rettungsgeräten, geborgen. „Die Dahlbusch-Bombe war 1955 auf der Zeche Dahlbusch in Gelsenkirchen entwickelt worden“, sagt der Historiker Michael Farrenkopf, Leiter des Montanhistorischen Dokumentationszentrums in Bochum. „Das war das erste Mal, dass das Grubenrettungswesen weit über die Grenzen des Bergbaus hinaus bekannt wurde.“

(hsr/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort