Verschlüsselter Video-Stream Helios-Klinik in Wuppertal startet "Frühchen-TV" für Eltern

Wuppertal · Bundesweit bieten nur wenige Krankenhäuser einen Videostream von Frühgeborenen an. In Wuppertal hat nun die Helios-Klinik sieben Betten mit Kameras ausgestattet. Die Bilder sollen helfen, die Eltern-Kind-Bindung zu intensivieren.

 Die kleine Frieda kam acht Wochen zu früh. Mutter Kerstin Schmidtmann war täglich mehrere Stunden in der Wuppertaler Klinik, freute sich aber, ihr Baby auch von daheim aus über die am Bett montierte Kamera sehen zu können.

Die kleine Frieda kam acht Wochen zu früh. Mutter Kerstin Schmidtmann war täglich mehrere Stunden in der Wuppertaler Klinik, freute sich aber, ihr Baby auch von daheim aus über die am Bett montierte Kamera sehen zu können.

Foto: Mutzberg

Die kleine Frieda kam acht Wochen zu früh, wog nur knapp 2100 Gramm und war gerade mal 40 Zentimeter groß - ein Fall für die Frühchen-Station des Wuppertaler Helios-Klinikums. Für die Eltern Kerstin und Stephan Schmidtmann bedeutete das nicht nur, über Wochen täglich mehrere Stunden am Krankenbett zu verbringen, sondern auch, sich jeden Tag aufs Neue von der neugeborenen Tochter trennen und sie der Obhut anderer überlassen zu müssen. Da kam das neue Angebot der Klinik gerade recht: Die Möglichkeit, Frieda per Kamera in Echtzeit über ein sicheres Online-Portal auch von zu Hause aus betrachten zu können. "Frühchen-TV", wenn man so will. "Wir waren sofort begeistert", sagt Kerstin Schmidtmann, "zumal das bei unserer ersten Tochter, die ebenfalls zu früh geboren wurde, nicht möglich war." Nun aber habe sich die sechsjährige Lena jeden Abend darauf gefreut, ihre Schwester zu sehen - wenn auch nur via Internet.

Bundesweit bieten nur sehr wenige Krankenhäuser einen Videostream von Frühchen an, darunter die Berliner Charité. Eine Helios-Klinik war bisher nicht dabei. Für Michael Heldmann, Leiter des Wuppertaler Perinatalzentrums, galt es vor Beginn des Projekts daher viele, auch eigene Vorbehalte auszuräumen. "Etwa die Frage, ob die Eltern nun das Kind per Kamera überwachen und in der Klinik anrufen, wenn es schreit oder ob sie beispielsweise auch die Arbeit des Personals kontrollieren", sagt Heldmann. Geklärt werden mussten zudem die Dauer der Übertragung und datenschutzrechtliche Fragen wie etwa das Abbilden der Schwestern. Letzteres stellte sich schnell als gegenstandslos heraus - zu sehen ist im Bildausschnitt immer nur das Baby. Gesendet wird außerdem nicht rund um die Uhr, sondern streng begrenzt von 10 bis 12 und 19 bis 21 Uhr. Und ohne Ton. Heldmann: "Damit waren eigentlich sehr schnell alle Bedenken vom Tisch."

 Auch übers Smartphone lässt sich der Videostream abrufen.

Auch übers Smartphone lässt sich der Videostream abrufen.

Foto: Michael Mutzberg

Zumal die erhofften positiven Effekte überwogen. So sollten gesundheitlich sensible Frühchen abgesehen von den Eltern nur wenig Besuch bekommen; Geschwisterkinder etwa dürfen nur einmal die Woche vorbeischauen. "Mit dem Videostream schaffen wir eine Familienzusammenführung schon während des Klinikaufenthalts", sagt Heldmann, "es kann früher eine enge Bindung aufgebaut werden." Außerdem würden sich die Eltern ihrem Kind näher fühlen und seien beruhigter, weil sie es gut versorgt wüssten. Das zumindest hätten Erfahrungswerte in der Charité sowie die dreimonatige Testphase im Wuppertaler Klinikum ergeben. Fast alle Eltern entschieden sich laut Heldmann für den verschlüsselten, nur mit persönlichen Zugangsdaten freischaltbaren Videostream und nutzten diesen auch tatsächlich, wie die Auswertung ergab. Demnach habe es nur einen Anruf von Eltern gegeben, weil ein Spucktuch sich über das Gesicht des Kindes geschoben hatte. Interessant sei noch ein anderer Effekt, sagt Heldmann. "Generell haben wir festgestellt, dass der Videostream Eltern zu animieren scheint, die Kinder häufiger zu besuchen."

Auch für Kerstin Schmidtmann ersetzen die Bilder nicht den persönlichen Kontakt. Vor allem der sei am Ende für die Bindung zum Kind wichtig. "Aber der Videostream ist ein zusätzliches Angebot, von dem die Familie profitiert", sagt die 34-Jährige. "Und es ist einfach schön, sein Kind im Bett liegen und schlafen zu sehen."

Wenn eine Schwester oder ein Arzt sich um ein Frühchen kümmert, wird die Kamera abgeschaltet. Dann ist statt des Kindes ein Pausen-Bild zu sehen mit dem Hinweis: "Wir kümmern uns gerade um ihr Baby. Bitte kommen Sie etwas spätrer wieder." Insgesamt sieben mit Kameras ausgestattete Betten bieten die Wuppertaler, die Kosten liegen im fünfstelligen Bereich. Eine Investition, die sich lohne, sagt Heldmann, für die Eltern, die beruhigter seien, und für die Kinder. Denn der Videostream habe neben dem psychologischen auch einen medizinischen Effekt. So hätten Mütter in der Charité die Erfahrung gemacht, dass es vorteilhaft sei, vor dem Webcam-Bild des Kindes Milch abzupumpen - die Produktion sei dann deutlich gesteigert.

(RP)
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