Klagen von Supermarkt-Leitern Aktivisten am Hambacher Forst rufen zu Ladendiebstahl auf

Kerpen · Im Raum Kerpen rund um den Hambacher Forst klagen Supermarktleiter über die Zunahme von Diebstählen. Sie verdächtigen Aktivisten, die den Wald retten wollen. Im Internet werben diese für einen Ladendiebstahl-Workshop.

 Mutmaßliche Aktivisten werden beim Einbruch in einen Supermarkt von einer Überwachungskamera gefilmt.

Mutmaßliche Aktivisten werden beim Einbruch in einen Supermarkt von einer Überwachungskamera gefilmt.

Foto: Privat

Die Vermummten kommen meistens zu zweit. Und in der Regel nachts, wenn niemand anderes mehr auf dem Gelände des Supermarktes ist. Sie tragen Overalls mit Kapuzen und Gesichtsschutz, damit sie nicht erkannt werden, wie Bilder einer Überwachungskamera zeigen, die unserer Redaktion vorliegen. In diesem Fall wollen sie an die Mülltonnen, die voll sind mit Lebensmittel vom Vortag – vor allem mit Obst und Gemüse, das eigentlich noch essbar ist, aber aus gesetzlichen Gründen weggeworfen werden muss. Die Tonnen stehen auf einem umzäunten Bereich hinter dem Supermarkt, der normalerweise abgeschlossen ist.

„Wenn sie nicht reinkommen, begehen sie Sachbeschädigungen. Sie verkleben die Schlösser mit irgendeinem Zeug, sodass wir sie austauschen müssen“, sagt der Leiter des Marktes aus dem Raum Kerpen, der aus Sorge vor Repressalien anonym bleiben möchte. Er hat einige von ihnen schon auf frischer Tat erwischt und zur Rede gestellt. „Daher weiß ich, dass es sich um Aktivisten aus dem Hambacher Forst handelt“, sagt er. „Die kommen zu dritt ins Geschäft und klauen meist Alkohol“, sagt ein weiterer betroffener Marktleiter. „Wenn wir sie auffordern, ihre Taschen zu öffnen, damit wir nachsehen können, werden sie rabiat“, sagt er. Darüber hinaus würden sie die Kundentoilette des Supermarktes täglich aufsuchen und verunstalten. „Was die da anrichten, dafür fehlen mir die Worte. Es stinkt entsetzlich bis in den Verkaufsbereich hinein“, sagt der Leiter.

Hambacher Forst: So leben die Aktivisten in ihren Baumhäusern
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So leben die Aktivisten in ihren Baumhäusern im Hambacher Forst

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Foto: dpa/Jana Bauch

Konkret kann die Polizei nicht bestätigen, dass es sich bei den Ladendieben um Aktivisten aus dem Hambacher Forst handelt. „Dazu liegen uns keine validen Angaben vor“, sagt Bernd Mauel, Sprecher der Kreispolizeibehörde Rhein-Erft-Kreis. Allerdings habe man kreisweit seit Jahresbeginn eine Vielzahl von Ladendiebstählen registriert, auch in Kerpen. „Da war auch der eine oder andere Tatverdächtige dabei, der Englisch spricht“, so Mauel. Außerdem sei die Dunkelziffer sehr hoch, weil häufig erst spät oder gar keine Anzeige erstattet werde.

Klar ist: Die Waldbesetzer rufen offen zum Ladendiebstahl auf. Auf der Internetseite des Aktionsbündnisses „Hambi bleibt! wird für einen Workshop mit dem Titel „Ladendiebstahl lohnt sich – klau dir dein Leben zurück“ geworben. Der Workshop „Ladendiebstahl“ besteht demnach aus drei Teilen.

  1. Offene Diskussion über Sinn und Ziele von Ladendiebstahl
  2. Rechtliche Konsequenzen
  3. Praktischer Austausch

Zur Notwendigkeit des Workshops heißt es:

„In einer Welt, in der alles schon längst wem anders gehört, in der von mir erwartet wird, mein Leben für die Arbeit zu verkaufen, damit ich Geld bekommen, um für mein Überleben zu bezahlen, (…), schafft Ladendiebstahl die Möglichkeit, mir ein kleines Stück der Welt zu nehmen beziehungsweise eine Welt zu beeinflussen, die mich so sehr beeinflusst“.

„Das ist eine Provokation von Straftätern“, sagt Heiko Müller, stellvertretender NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Mit Klimaschutz habe das nichts mehr zu tun. „Ich kann nur alle Umweltaktivisten, denen es wirklich um den Wald geht, bitten, sich von diesen Straftätern zu distanzieren“, sagt Müller. Und Erich Rettinghaus, NRW-Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), sagt: „Das ist Anstiften zu einer Straftat. Dagegen müssen wir konsequent vorgehen.“

Viele Anwohner der Dörfer am Hambacher Forst fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. „Wir sind der Kollateralschaden“ sagt ein Geschäftsmann, der wie alle, die unsere Redaktion zu dem Thema befragt hat, anonym bleiben möchte. „Es wird einfach nicht mehr durchgegriffen gegen die radikalen Linksautonomen im Wald. Wir, die hier leben, müssen das täglich ausbaden“, sagt er. So würden die Aktivisten vermummt durch die Ortschaften laufen. „Meine Frau hat deswegen schon Angst, auf die Straße zu gehen“, sagt ein Mitarbeiter einer Tankstelle. Zwar sei sie noch nicht von den Vermummten attackiert worden. „Aber gehen Sie mal spazieren, wenn hinter ihnen drei Vermummte laufen“, sagt er. Er selbst sei in der Tankstelle angegangen worden. „Eine Frau aus diesem Kreis wollte mit einer Geldkarte bezahlen, die ihr nicht gehörte. Als ich sie darauf ansprach, rief sie andere, die draußen gewartet hatten. Sie kamen rein und schubsten mich rabiat weg“, sagt er.

Rettinghaus macht das wütend: „Deswegen verlieren die Menschen das Vertrauen in den Staat. Deswegen fühlen sie sich nicht mehr sicher“, sagt er. „Die Autonomen müssen, sobald sie aus dem Wald kommen und Richtung Dorf gehen, dreimal auf links gedreht und kontrolliert werden“, fordert er.

Der Leiter eines betroffenen Supermarktes weist darauf hin, dass man nicht alle Aktivisten über einen Kamm scheren dürfe. „Der Großteil ist friedlich. Mit denen kann man reden“, sagt er. Das Problem sei der harte Kern an Radikalen. „Die halten sich an nichts und ziehen die eigentlich Guten mit runter“, sagt er. Auch gebe es im Hambacher Forst viele Event-Aktivisten, meint er, die nur an Wochenenden und bei gutem Wetter kämen. „Da werden einige von ihren Eltern am Waldrand in teuren Autos abgesetzt und wieder abgeholt“, sagt der Marktleiter.

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