Folgen der Isolation Frauenhäuser berichten von „extremer Gewalt“ in der Pandemie

Düsseldorf · Die Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus hat in diesem Jahr offenbar extreme häusliche Gewalt begünstigt. Zu diesem Schluss kommt die Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser NRW. Viele Frauen hätten ihre Flucht länger hinausgezögert als üblich.

 Die extreme häusliche Gewalt habe zugenommen, berichtet die LAG.

Die extreme häusliche Gewalt habe zugenommen, berichtet die LAG.

Foto: dpa/Maja Hitij

In der Pandemie haben Frauen aus Angst vor Ansteckung oft sehr lange gezögert und erst Zuflucht gesucht, als die Lage daheim schon eskaliert war. Diese Erfahrung haben viele Frauenhäuser in NRW im Krisenjahr 2020 mit ihren Hilfesuchenden gemacht, wie die Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser berichtete. „Manche haben sich erst sehr spät gemeldet, im Pandemie-Jahr ist es häufiger zu extremer häuslicher Gewalt gekommen“, sagte LAG-Sprecherin Claudia Fritsche der Deutschen Presse-Agentur.

Die Häuser seien 2020 praktisch ausnahmslos belegt gewesen. Wegen Corona hätten mache Frauenhäuser zur Entzerrung nicht alle Plätze vergeben können. „Es gibt keine landesweit einheitliche Strategie, jedes Haus sucht seine eigene Lösung“, erläuterte Fritsche. Einige hätten die Frauen vor einer Aufnahme in Zusammenarbeit mit den Kommunen zunächst in Quarantäne-Wohnungen - Hotelzimmer oder Pensionen - untergebracht. „Auch in dieser Zeit können wir die Frauen dort natürlich nicht in ihrer Krisenlage alleine lassen.“

Die Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern seien an ihre Grenzen gestoßen. „Wir brauchen mehr Personal.“ Eine Herausforderung auch: Abstands- und Hygienevorschriften in gemeinsamer Küche und Bad einzuhalten, sei nicht einfach. Die LAG hat 25 Frauenhäuser. Zudem gibt es Einrichtungen in Trägerschaft von Verbänden wie der AWO oder Caritas.

Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) betonte, die Unterstützungsinfrastruktur für von Gewalt betroffene Frauen müsse krisenfest sein. Das Land habe die Finanzmittel für Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen seit 2017 stetig angehoben. Im Ausnahmejahr 2020 seien zusätzlich 2,5 Millionen Euro an die Träger geflossen. Im kommenden Jahr sollen die Mittel dem Ministerium zufolge noch einmal erhöht werden. Das Land fördere inzwischen 64 Frauenhäuser in NRW, berichtete die CDU-Politikerin.

Ziel sei es, bis 2022 die Anzahl von 571 Plätzen - bei Übernahme der Regierung 2017 - um mindestens 50 Plätze zu erhöhen. Anfang Dezember 2020 standen nach Angaben der Ministerin 619 Plätze für Frauen zur Verfügung. Im März und April sei zunächst keine erhöhte Nachfrage zu verzeichnen gewesen, mit zunehmender Rücknahme der coronabedingten Einschränkungen wuchs die Zahl der Aufnahmen dann stetig - mit regionalen Unterschieden. Scharrenbach sagte der dpa: „Seit Beginn der Corona-Pandemie sind in NRW jedoch durchgängig freie Schutzplätze für von Gewalt betroffene Frauen mit und ohne Kinder verfügbar, so dass von Gewalt betroffene Frauen Schutz und Hilfe erhalten.“

Sorge bereitet den Frauenhäusern aber, dass angesichts ausfallender Kontakte und Austauschmöglichkeiten, etwa über Kita oder Schule, viele Frauen umso hilfloser seien. „Wir befürchten, dass in Zeiten der coronabedingten Isolation Frauen in Notlagen keinen Zugang zum Unterstützungssystem finden“, sagte Fritsche. Sehr viele Frauen zeigten ihren schlagenden Partner aus Scham nicht an - oder aus Angst, damit die Situation noch zu verschärfen.

Auch für die Kinder aus den gewaltbelasteten Familien sei die Pandemie umso belastender. „Frauenhäuser sind auch Kinderhäuser. Zu uns kommen Kinder aller Altersstufen.“ Für diese Jungen und Mädchen müsse viel mehr getan werden. Auch hier fehlten die Mittel für betreuendes Personal oder auch für Ausstattung, um sie beim Distanzlernen zu unterstützen. „Das wird seitens der Politik sehr mangelhaft wahrgenommen. Für die Kinder ist das eine Katastrophe.“

(th/dpa)
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