Bertelsmann-Studie Lehrermangel an Grundschulen verschärft sich

Gütersloh/Düsseldorf · An den Grundschulen droht eine gewaltige Lücke. Auch NRW tut sich schwer, den Bedarf an Lehrern zu decken. Bildungsforscher schlagen deshalb vor, dass Teilzeitkräfte mehr arbeiten.

 Schulunterricht (Symbolbild).

Schulunterricht (Symbolbild).

Foto: dpa, awe cul jai jol

Bis 2025 werden einer Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge etwa 35.000 Lehrkräfte an Grundschulen fehlen. Angesichts steigender Schülerzahlen durch Zuwanderung und höherer Geburtenzahlen sowie des geplanten Ausbaus der Ganztagsschulen reiche die heutige Zahl der Lehramtsstudenten nicht aus, heißt es in der Untersuchung. Aufgrund der langen Dauer der Lehrerausbildung sei auch eine Aufstockung der Ausbildungskapazitäten keine kurzfristige Lösung.

Um entstehende Lücken zu schließen, schlagen die Bildungsforscher vor, Teilzeitkräften Anreize zum Aufstocken zu bieten. Fast vierzig Prozent aller Grundschullehrkräfte, davon überwiegend Frauen, arbeiten demnach in Teilzeit. Auch könnten Grundschullehrer, die kurz vor der Pensionierung stehen, wieder mehr unterrichten. Seiteneinsteiger ohne Grundschulstudium seien wichtig, hier dürfe es aber keine Qualitätseinbußen geben, mahnten die Autoren.

Angebot an Lehrer der Sekundarstufe II

Auch Nordrhein-Westfalen tut sich weiter schwer, seine Grundschulen ausreichend mit Lehrern zu versorgen. Deshalb gehe das Land "auch unkonventionelle Wege, um den Bedarf kurzfristig zu decken", sagte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Im Sommer hatte sie knapp 2400 Lehrer der Sekundarstufe II angeschrieben und denjenigen eine Stelle an einer weiterführenden Schule garantiert, die bereit sind, zwei Jahre an einer Grundschule zu unterrichten. Daraus sind bisher allerdings erst 74 Arbeitsverträge entstanden. "Das ist ein Anfang, der hoffnungsvoll stimmt, aber mich noch nicht zufriedenstellt", räumte Gebauer ein und kündigte an, weiter für dieses Programm zu werben.

Auch die jetzt neu ausgebildeten Lehrer werden die Lücke nicht schließen — so beenden zum 1. Mai zwar 498 junge Leute ihr Grundschul-Referendariat, es sind aber bereits zum 1. Februar 900 Stellen an Grundschulen im Land zu besetzen. Das geht aus Zahlen des Ministeriums hervor, die unserer Redaktion vorliegen. Zum 1. November rechnet das Land nochmals mit 570 Junglehrern für die Primarstufe.

Ungleichgewicht zwischen den Schulformen

Die Statistik zeigt auch, dass NRW insgesamt keineswegs zu wenige Lehrer ausbildet. Vielmehr besteht ein deutliches Ungleichgewicht zwischen den Schulformen: Zum 1. Mai beenden zum Beispiel 1933 Referendare für das Lehramt der Sekundarstufe II ihren Vorbereitungsdienst; in ihrem Bereich gibt es allerdings nur 480 freie Stellen. Im Schulministerium hofft man auch darauf, dass dieses Missverhältnis angehende Lehrer der Sekundarstufe II dazu bewegt, zeitweise an einer Grundschule zu unterrichten. Insgesamt zeigte sich Gebauer "vorsichtig optimistisch": Die Besetzungsquote der neuen Stellen an den Grundschulen sei seit Schuljahresbeginn von 36 auf jetzt 59 Prozent gestiegen. Auch hier allerdings hinkt die Primarstufe hinterher: Bezogen auf alle Schulen stieg die Quote in diesem Schuljahr von 53 auf 77 Prozent.

Der Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) warf der Politik schwere Versäumnisse vor. "Die Berechnungen zeigen: Während der Bedarf steigt, kann die Personalplanung nicht einmal im Ansatz mithalten", sagte der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann. Die Vorschläge der Bertelsmann-Studie zur Schließung der Lücke nahm Beckmann mit Zurückhaltung auf: "Viele Lehrkräfte gehen in Teilzeit, um die hohen Belastungen mit Rücksicht auf die eigene Gesundheit abfedern zu können." Auch die Anstellung von Ruheständlern könne auch nur eine zeitlich begrenzte Notlösung sein, die freiwillig und lediglich in kleinem Stundenumfang erfolgen sollte.

(fvo)
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