Vergiftete Hunde in NRW Gift-Gefahr beim Gassigehen

Goch · Meldungen über vergiftete Hunde häufen sich. Entsprechend groß ist das Interesse an Portalen wie Giftköder-Radar, die Köderfunde im Internet auf Karten verzeichnen. In Seminaren werden Hunde abgerichtet, nicht alles zu fressen.

Heidi Bergmann an dem Ort, an dem sie die Warnplakate aufgehängt hat.

Heidi Bergmann an dem Ort, an dem sie die Warnplakate aufgehängt hat.

Foto: GOTTFRIED EVERS

Für Heidi Bergmann gehörte ihre Berner Sennenhündin "Evy" mit zur Familie. Entsprechend schwer fällt es der 60-Jährigen, über den Tag zu sprechen, an dem die junge Hündin qualvoll verendet ist. Auf einem Spaziergang mit anderen Hundehaltern im Tannenbusch bei Goch verhielt sich "Evy" plötzlich merkwürdig, hechelte, spuckte weißen Schaum, legte sich hin, nur um gleich wieder aufzustehen. Im Hals war kein Fremdkörper zu sehen, "Evys" Zustand aber verschlechterte sich zusehends. Als Bergmann die Hündin zu einer Ärztin geschafft hatte, war "Evy" bereits so gut wie tot. Auch wenn niemand beobachten konnte, dass die Hündin etwas gefressen hat, ist sich Heidi Bergmann sicher: "Mit 99-prozentiger Sicherheit wurde ,Evy' vergiftet."

Ein Beweis dafür steht aus, die Hündin wurde nicht obduziert. Das hohe Fieber aber und die schnelle Reaktion würden für hochgradig konzentriertes Gift sprechen, sagt Bergmann. Rattengift beispielsweise braucht mehrere Tage, bis die Wirkung einsetzt. Bergmann hat zwar wegen der unklaren Todesursache keine Anzeige erstattet, aber im Wald Plakate aufgehängt, um andere Hundehalter auf die Köder hinzuweisen.

Ein ähnliches Prinzip verfolgen viele lokale und regionale "Giftköder-Alarm"-Seiten im Internet, die Fundorte markieren. Mit Abstand die meisten Nutzer besitzt "Giftköder-Radar.com" - mehr als 150.000 Menschen informieren sich dort über die Gefahr beim Gassigehen. Seit vier Jahren verzeichnet das Portal, das Deutschland, Österreich und die Schweiz abdeckt, enormen Zulauf. Die Gründe liegen für Betreiberin Amalia Schoppengerd auf der Hand. "Die Meldungen über Giftköderfunde häufen sich", sagt die Österreicherin, "und dahinter steht noch eine hohe Dunkelziffer."

Gefährliche Giftköder: So schützen Sie Ihren Hund
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Foto: Gemeinde/Gemeinde Weeze

Offizielle Statistiken über ausgelegte Köder werden weder in den Bundesländern noch vom Deutschen Tierschutzbund geführt. "Es scheint aber mehr Fälle zu geben", sagt Veterinärin Sophie Arnold, beim Tierschutzbund zuständig für Heimtiere. Dabei geht es aber nicht nur um Hundehasser, die Fleischstückchen mit Gift, Rasierklingen oder Nägeln präparieren, sondern genauso um in der Landwirtschaft eingesetzte Gifte gegen Ratten, Mäuse oder Schnecken. "Auch das nehmen Hunde möglicherweise auf, oder sie fressen damit kontaminierte Tiere", sagt Arnold.

Ein weiterer Grund mag ebenfalls dazu beitragen, dass die Zahl der Giftköderfälle gestiegen ist - Seiten wie Giftköder-Radar, die Hundehaltern plötzlich ein Forum bieten. Andere versuchen wiederum, die abschreckende Wirkung des Portals für sich zu instrumentalisieren. Heißt: Sie melden Gift, wo keines ist, vertreiben so aber Hundehalter. "Wir überprüfen daher jede Meldung sehr aufwendig, rufen Polizei und Ärzte an, bevor sie auf die Seite kommt", sagt Schoppengerd. Einige Hundebesitzer halten ihr das vor, wollen lieber eine Meldung zu viel als eine zu wenig. Schoppengerd aber, die selbst zwei Huskys hat, will "effizient warnen". Ihre Seite schickt als App Push-Mitteilungen über Funde und informiert über Tierärzte in der Nähe, wenn es mal schnellgehen muss.

Überhaupt wächst das Angebot an Hilfestellungen für Hundehalter. So veranstaltet der Düsseldorfer Tiertrainer Dirk Lenzen in Lörick Workshops zum Thema, morgen zum letzten Mal in diesem Jahr. Der Kurs ist ausgebucht, im April geht's weiter, die Nachfrage ist groß. Lenzen versucht vor allem, Fehler in der Hundeerziehung zu korrigieren. "Unwissend bringen wir den Tieren bei, dass sie Fressbares auch auf der Straße behalten dürfen, wenn sie es finden", sagt er. Da setzt er an, vermittelt zusätzlich Wissen über Gifte und deren Wirkung sowie Erste-Hilfe-Maßnahmen fürs Tier.

Was lässt sich noch tun? Schoppengerd appelliert an Hundehalter, deren Tiere Köder fressen, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Viele würden darauf verzichten, weil sie nicht an eine Strafverfolgung glauben, da der Hund vor dem Gesetz nur als Sache gilt. Veterinärin Arnold setzt bei möglichem Konfliktpotential mit Hundegegnern an. Viele Tiere seien nicht gut erzogen, einige Halter würden sich über Leinenverbote hinwegsetzen oder das Geschäft ihres Hundes nicht beseitigen. "So viel Verantwortungsgefühl kann man erwarten", sagt sie. Heidi Bergmann aus Goch hat eine andere Konsequenz aus "Evys" Tod gezogen. Ihre Hunde tragen beim Gassigehen jetzt einen Maulkorb.

(RP)
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