Berufungsprozess in Hagen Kollegen im Kugelhagel alleingelassen – zwei Polizistinnen vor Gericht

Hagen · Bei einer Verkehrskontrolle in Gevelsberg fallen plötzlich Schüsse. Zwei Polizistinnen fliehen in Todesangst und überlassen zwei Kollegen ihrem Schicksal. Vor Gericht kämpfen sie jetzt um ihre berufliche Zukunft.

Ein beschädigter Streifenwagen der Polizei steht auf der Mühlenstraße in Gevelsberg, nachdem über 20 Schüsse gefallen waren.

Ein beschädigter Streifenwagen der Polizei steht auf der Mühlenstraße in Gevelsberg, nachdem über 20 Schüsse gefallen waren.

Foto: dpa/David Young

Dürfen Polizisten Angst haben und deshalb von einem Tatort fliehen? Diese Frage beschäftigt am Montag (26. September, 9.30 Uhr) erneut die Justiz. In der Berufungsverhandlung am Hagener Landgericht kämpfen zwei Polizistinnen um nicht weniger als um ihre berufliche Zukunft.

Die Beamtinnen hatten im Mai 2020 zwei Kollegen allein gelassen, als diese bei einer Verkehrskontrolle in Kostenpflichtiger Inhalt Gevelsberg plötzlich von einem Autofahrer beschossen worden waren. Das Amtsgericht hatte sie dafür in erster Instanz wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung im Amt durch Unterlassen jeweils zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Ein Jahr Haft ist im Beamtenrecht eine magische Grenze: Wird sie erreicht oder überschritten, verliert ein Beamter zwingend seinen Job. Bei Strafen, die darunter liegen, entscheidet ein Disziplinarverfahren über die Konsequenzen.

Bei der Verkehrskontrolle in Gevelsberg waren innerhalb weniger Sekunden mehr als 20 Schüsse abgegeben worden. Einer der Streifenpolizisten wurde getroffen und ging zu Boden. Seine schusssichere Weste bewahrte ihn vor ernsthaften Verletzungen oder gar dem Tod. Die beiden Polizistinnen waren zufällig am Tatort vorbeigefahren. Sie beobachteten das Geschehen und erkannten auch, wie ihr Kollege umfiel. Dennoch griffen sie nicht ein, sondern entfernten sich aus der Gefahrenzone.

In erster Instanz hatten die beiden Angeklagten ihre Flucht mit Todesangst erklärt. Sie hätten jeden Moment damit gerechnet, selbst getroffen zu werden. Auf eine solche Situation würde kein Polizist in seiner Ausbildung wirklich vorbereitet, sagten die Beamtinnen.

Das Hagener Landgericht wird in der Berufung nun die gesamte Beweisaufnahme noch einmal durchführen. Bestätigt die Kammer am Ende das erstinstanzliche Urteil, dürften die Angeklagten nie wieder als Polizistinnen arbeiten.

(mba/dpa)
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