Prozess in NRW Polizistinnen sollen verletzten Kollegen zurückgelassen haben

Gevelsberg · Ein dramatischer Polizeieinsatz in Gevelsberg hat für zwei Polizistinnen Konsequenzen. Weil sie geflohen waren, als Schüsse fielen und ein Kollege verletzt zu Boden ging, müssen sie nun vor Gericht.

Gegen zwei Polizistinnen ist Anklage erhoben worden, weil sie einen verletzten Kollegen im Stich gelassen haben sollen. Das hat ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in Hagen am Freitag bestätigt. Beide Frauen im Alter von 32 und 37 Jahren müssten sich wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen vor Gericht verantworten.

Die beiden Beamtinnen waren im Mai vergangenen Jahres in Gevelsberg im südlichen Ruhrgebiet zufällig mit ihrem Streifenwagen zu einer Verkehrskontrolle hinzugekommen, als diese aus dem Ruder lief.

Ein Streifenbeamter habe die Beamtinnen per Handzeichen zum Anhalten aufgefordert. Als die Polizistinnen ausstiegen, sollen schon Schüsse gefallen sein. Ein 36-jähriger Autofahrer hatte eine Pistole gezückt und auf einen der Beamten gefeuert, die die Kontrolle durchführten.

Die Kugel blieb zwar in dessen Schutzweste stecken, der 28-jährige Beamte wurde aber zu Boden gerissen und erlitt eine schwere Prellung. Statt dem Kollegen im Kugelhagel beizustehen, sollen die Beamtinnen davon gerannt sein.

Ihren Streifenwagen samt Maschinenpistolen hätten sie unverschlossen stehen gelassen, berichtete Oberstaatsanwalt Gerhard Pauli. Dann hätten sie als Anhalterinnen einen Wagen gestoppt und sich von einer Autofahrerin davonfahren lassen.

Später sollen die Beamtinnen zum Tatort zurückgekehrt sein. Da war der Schütze bereits flüchtig und die Beamtinnen hätten sich noch „an den Absperrmaßnahmen beteiligt“. Die „Westfalenpost“ hatte zuerst über die Anklage berichtet.

Die 32-jährige Beamtin schweigt bislang zu den Vorwürfen. Die ältere hatte ausgesagt, sie sei geschockt gewesen. Als ihre Kollegin ihr zugerufen habe: „Lauf, lauf, lauf!“ sei sie gelaufen.

Der Kölner Rechtsanwalt Eckhard Wölke, der die 37-Jährige vertritt, war früher selbst Polizist und sagt, dass man sich in die Situation hineinversetzen muss: „Vom Schreibtisch aus sieht das zweifellos unglücklich aus. Aber wenn sie sich in stockfinsterer Nacht plötzlich im Kugelhagel befinden, nicht wissen, von wo die Schüsse kommen, mit wem und wie vielen sie es zu tun haben, sieht die Sache anders aus.“

Seine Mandantin sei völlig unvorbereitet in Lebensgefahr geraten und eine Möglichkeit, in Deckung zu gehen, habe sie vor Ort nicht gesehen.

Aber laut Staatsanwalt wären beide Polizistinnen verpflichtet gewesen, Hilfe zu leisten - „erst recht den eigenen Kollegen“. Am 27. April soll der Fall vor dem Amtsgericht in Schwelm verhandelt werden.

Nach dem Strafverfahren wartet auf die Beamtinnen auch noch ein Disziplinarverfahren. Bei einer Verurteilung zu mehr als einem Jahr Haft droht ihnen die Entfernung aus dem Polizeidienst und der Verlust des Beamtenstatus.

Der mutmaßliche Schütze steht bereits wegen mehrfachen versuchten Mordes in Hagen vor dem Landgericht. Bei seiner Festnahme war es erneut zu einem Schusswechsel gekommen.

(mba/dpa)
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