Wegen Corona-Krise Gericht regt Einstellung des Loveparade-Verfahrens an

Duisburg · Der Loveparade-Prozess könnte mit einer Verfahrenseinstellung enden. Diesen Vorschlag hat die zuständige Strafkammer des Landgerichts Duisburg gemacht. Die Beteiligten haben nun Bedenkzeit.

Die Kammer hat den Verfahrensbeteiligten vorgeschlagen, das Loveparade-Verfahren einzustellen, wie das Gericht am Dienstag mitteilte. Sie könnten zu diesem Vorschlag bis zum 20. April schriftlich Stellung nehmen. Dem Vorschlag liegt demnach die Würdigung mehrerer Umstände zugrunde. Das Verfahren kann aktuell zum einen wegen des Coronavirus nur eingeschränkt durchgeführt werden.

Trotz aller Schutzmaßnahmen sei zu berücksichtigen, dass unter den notwendig zu beteiligenden Personen mehrere Angehörige von Risikogruppen sind. Schon jetzt musste die Hauptverhandlung deswegen unterbrochen werden. „Eine weitere Anordnung von Quarantänen gegen Prozessbeteiligte ist jederzeit möglich“, heißt es in der Mitteilung des Landgerichts. Aufgrund der dynamischen Entwicklung der Corona-Pandemie sei nicht absehbar, wann und wie die Verhandlung fortgesetzt werden könne. Für den Fall einer Fortführung wäre mit einer erheblichen Dauer des weiteren Verfahrens zu rechnen.

Im Prozess steht noch die zeitintensive Vernehmung mehrerer Gutachter und Nebenkläger aus. Unter anderem sind noch mehrere psychiatrische Sachverständige geladen. Die Kammer hält es zwar für wahrscheinlich, dass den Angeklagten die ihnen vorgeworfene Tat nachgewiesen werden könne, wenn es möglich wäre, die Hauptverhandlung ohne zeitliche Beschränkungen fortzusetzen. „Da dies nicht der Fall ist, besteht allerdings nur noch eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, den angeklagten Sachverhalt verurteilungsreif aufzuklären“, heißt es.

Die Loveparade in Duisburg am 24. Juli 2010, bei der 21 Mensschen bei einer Massenpanik ums Leben kamen, liegt fast zehn Jahre zurück. Spätestens am 27. Juli 2020 dürfte hinsichtlich des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung das Prozesshindernis der Verjährung eintreten. Auch dürfte eine etwaige Schuld der Angeklagten nach allen bisher vorliegenden Erkenntnissen als gering angesehen werden, wie das Gericht mitteilt. Weiterhin muss die Kammer die lange Dauer des Verfahrens und die konstruktive Mitwirkung der Angeklagten zu ihren Gunsten berücksichtigen. Zudem war keiner der Angeklagten strafrechtlich vorbelastet. Unter Würdigung dieser und weiterer Umstände würde sich eine eventuelle Strafe im unteren Bereich des Strafrahmens bewegen.

Zum Vorschlag Landgerichts Duisburg erklärt die Kanzlei Baum Reiter & Collegen, die zahlreiche Geschädigte und Angehörige vertritt: „Es ist zu erwarten, dass die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten der Einstellung zustimmen werden. Eine Einstellung wird bedeuten, dass die Angeklagten, die nach Einschätzung des Gerichts wahrscheinlich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden wären, nicht zur Verantwortung gezogen werden können.“ Stattdessen würden die Kosten des Verfahrens von der Staatskasse getragen. „Wir bedauern, dass der Loveparade-Prozess nach nunmehr fast zehn Jahren Bearbeitung durch Polizei und Justiz ohne ein Gerichtsurteil enden wird“, teilt die Düsseldorfer Kanzlei mit. „Die Geschädigten und die Angehörigen der Todesopfer sind maßlos enttäuscht. Dies ist ein weiterer schwarzer Tag für die Opfer und Angehörigen der Loveparade-Katastrophe.“

Im Falle einer Einstellung beabsichtigt die Kammer, die bereits gewonnenen Erkenntnisse zu den Geschehnissen um die Loveparade 2010 in einem schriftlichen Beschluss zusammenzufassen und dessen Inhalt bei einer zeitlich begrenzten Hauptverhandlung vorzutragen.

Der nächste Termin ist auf den 21. April bestimmt. Ob er stattfinden kann, ist unklar.

(hsr)
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