Kampf gegen Geldautomaten-Sprenger in NRW „Fluchtfahrten sind an Rücksichtslosigkeit kaum zu überbieten“

Düsseldorf · Die Zahl der Geldautomaten-Sprengungen hat in NRW im Vergleich zum Vorjahr weiter zugenommen – es droht sogar ein trauriges „Rekordjahr“. Wie viele Täter gefasst werden konnten und wie die Polizei ihren Kampf gegen diese Kriminellen verschärft.

 Ermittler stehen am 14. Dezember 2022 nach der Sprengung eines Geldautomaten im verwüsteten Vorraum einer Bank in Kevelaer.

Ermittler stehen am 14. Dezember 2022 nach der Sprengung eines Geldautomaten im verwüsteten Vorraum einer Bank in Kevelaer.

Foto: dpa/Guido Schulmann

Trotz intensiver Fahndung und hohem Ermittlungsdruck ist die Zahl der Geldautomaten-Sprengungen in NRW in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr weiter gestiegen. Nach Angaben der Sicherheitsbehörden gab es bislang 171 solcher Taten im Jahr 2022 (2021 waren es 151). Bis Jahresende dürfte die Zahl noch weiter steigen und noch höher liegen als im bisherigen „Rekordjahr“ 2020, als 176 Attacken auf Automaten erfolgt waren.

„Es stinkt mir gewaltig, dass es Kriminelle gibt, die in Deutschland ein ‚El Dorado‘ für ihre Beutezüge sehen“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtages. Die Sprengungen sind laut Reul hoch gefährlich und könnten unbeteiligte Bürger verletzen. „Das zweite Risiko sind die anschließenden Fluchtfahrten, die an Rücksichtslosigkeit kaum zu überbieten sind“, so der NRW-Innenminister weiter.

Um die Zahl der Sprengungen endlich einzudämmen, wird auch die Ermittlungsarbeit zu den Taten innerhalb der NRW-Polizei in Teilen umstrukturiert. So werden sich bald die Großbehörden des Landes, die zum Beispiel auch für die polizeilichen Schwerpunktthemen Kindesmissbrauch und Mord zuständig sind, mit dem LKA gemeinsam um die Geldautomatensprengungen kümmern.

Die NRW-Polizei hat alle rund 11.000 Geldautomaten des Landes nach ihrem Gefährdungsgrad bewertet und eine entsprechende Landkarte der risikoreichsten Standorte erstellt. „Dann kann die Bank selbst sehen, an welchen Standorten sie – auch im eigenen Interesse – sicherheitstechnisch nachlegen sollte“, so Reul.

Viele Banken haben ihre Automaten mittlerweile auch besser geschützt als noch vor einigen Jahren, so dass es häufig auch nur bei einem Versuch bleibt und die Täter ohne Beute flüchten müssen. So konnten die Täter in diesem Jahr in 40 Prozent der Fälle kein Geld erbeuten; außerdem konnten bis zum 8. Dezember 21 Täter festgenommen werden. Die Polizei erhält zudem auch immer mehr Zeugenhinweise aus der Bevölkerung. So gab es auf dem landesweiten Hinweisportal der Polizei bis zum 6. Dezember 99 Hinweise auf Geldautomatensprenger; 122 Dateien wie Handyvideos wurden dazu hochgeladen aus der Bevölkerung.

Nach Angaben des NRW-Innenministeriums haben sich besonders Vernebelungsanlagen bewährt. Demnach haben allein in den Monaten September bis November in zehn Fällen die Täter ihren Versuch abgebrochen, weil eine solche Anlage ausgelöst wurde. „Täter lassen von Geräten ab, wenn sie nichts mehr sehen können. Man kann das Geld in den Automaten auch mit einer speziellen Technik verkleben, so dass es für die Täter nicht mehr nutzbar ist. Solche Techniken werden auch ständig weiterentwickelt“, sagte Ingo Wünsch, Direktor des Landeskriminalamtes.

Nach Angaben der NRW-Sicherheitsbehörden steckt hinter einem Großteil der Taten eine Szene von mindestens 400 bis 500 Personen aus den niederländischen Ballungszentren Utrecht, Amsterdam und Rotterdam. Bei den Verdächtigen handele es sich überwiegend um Männer im Alter von 18 bis 40 Jahren mit niederländischer oder marokkanischer Staatsangehörigkeit.

Während die Taten bis vor einigen Jahren fast ausschließlich in NRW verübt wurden, registrieren nun auch zunehmend andere Bundesländer vermehrt Geldautomatensprengungen – insbesondere in Hessen und Niedersachsen. Laut NRW-Innenministerium spielten sich vor zwei Jahren (2020) noch annähernd die Hälfte aller Fälle in Deutschland auf nordrhein-westfälischem Boden ab; im laufenden Jahr sei es nur noch gut jede Dritte (37,2 Prozent).

Die Opposition im Landtag äußerte Kritik. „Die Zahlen steigen. Es gab sieben Verletzte. Es ist ein ständiges Problem für die Anwohner, die in Angst leben“, sagte Christina Kampmann von der SPD. „Die Geldautomaten-Sprengungen sind eine Gefahr für die Innere Sicherheit in NRW“, ergänzte sie.

Ihr Duisburger Parteikollege Benedikt Falszewski forderte, die Banken zu verpflichten, mehr Maßnahmen zum Schutz zu ergreifen. „In meinem Stadtbezirk mit rund 50.000 Einwohnern ist es zu mindestens drei Sprengungen gekommen. Wenn da jetzt noch zwei weitere Sprengungen stattfinden, kann da keiner in dem Bezirk mehr Bargeld abholen. Das zeigt die ganze Dramatik“, so Falszewski.

FDP-Innenexperte Marc Lürbke erklärte: „Die Automatensprenger sind ein Riesenproblem. Das Thema treibt uns alle um. Bürger werden massiv gefährdet“, so Lürbke. „Wir können von Glück sprechen, dass bislang kein Kinderzimmer über einem gesprengten Automaten lag“, so Lürbke weiter.

(csh)
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