Fragen und Antworten Ermittler prüfen Terrorverdacht nach Kölner Geiselnahme

Köln · Nach der Geiselnahme in Köln mit mehreren Verletzten setzen die Ermittler alles daran, die Hintergründe aufzuklären. Sie prüfen auch, ob möglicherweise ein noch schlimmerer terroristischer Anschlag verhindert worden ist.

Kölner Hbf wegen Geiselnahme evakuiert - Fotos zum Polizei-Einsatz
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Kölner Hauptbahnhof wird evakuiert

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Foto: dpa/Oliver Berg

Was ist passiert?

Am Montagmittag hatte der mutmaßliche Täter in einem Schnellrestaurant am südlichen Ende des Kölner Hauptbahnhofs einen Molotowcocktail gezündet und damit ein 14-jähriges Mädchen verletzt. Dabei wurde die Sprinkleranlage ausgelöst. Deshalb flüchtete der Angreifer anschließend in eine benachbarte Apotheke und nahm dort eine Angestellte als Geisel. Der Bahnhof wurde geräumt, der Zugverkehr gestoppt. Einsatzkräfte umstellten die Apotheke und überwältigten den mutmaßlichen Täter später, nachdem er versucht haben soll, die Geisel mit Benzin zu übergießen und anzuzünden. Lesen Sie hier einen detaillierten Nachbericht unseres Reporters vor Ort.

Wer ist der mutmaßliche Täter?

Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um einen 55-jährigen Syrer, der seit 2016 in Deutschland lebt und hier geduldet ist. Entsprechende Ausweisdokumente fand die Polizei, nachdem sie die Apotheke gestürmt hatte. Der Geiselnehmer sei mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ der Passinhaber. Die Identität des Täters sei aber noch nicht eindeutig geklärt.

Der Inhaber des Duldungsdokuments ist laut Polizei seit 2016 wegen mehrerer Straftaten bekannt, unter anderem wegen Diebstahls, Körperverletzung und Hausfriedensbruchs.

Was ist über das Motiv bekannt?

Wie Polizeieinsatzleiter Klaus Rüschenschmidt mitteilte, soll der Mann Zeugen zufolge bei der Tat gesagt haben, dass er der „Terrorgruppe Daesh“ angehöre. Dabei handelt es sich um den arabischen Namen der dschihadistischen Terror-Miliz Islamischer Staat (IS).

Die Ermittler fanden am Tatort unter anderem zwei Gaskartuschen, die mit einem Klebeband zusammengebunden waren. Ermittelt werde nun in alle Richtungen, sagte die stellvertretende Kölner Polizeipräsidentin Miriam Brauns. „Auch einen Terroranschlag schließen wir dabei nicht aus.“

Vor dem Zugriff hatte die Polizei versucht, den mutmaßlichen Täter zur Aufgabe zu zwingen. In den Verhandlungen habe er unter anderem die Freilassung einer Tunesierin gefordert. Hintergründe zu der Frau wurden bislang nicht bekannt.

Offiziell nahm die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen unter anderem wegen versuchten Mordes und Geiselnahme auf. Die Polizei rief am Dienstagmorgen erneut Zeugen auf, sich mit Hinweisen zu melden.

Noch am Montagabend hat die Polizei eine Wohnung in Köln durchsucht, in der der mutmaßliche Täter gelebt haben soll.

Wie geht es den Verletzten?

Bei dem Zugriff durch ein Spezialeinsatzkommando wurde auch die Angestellte der Apotheke leicht verletzt, die der Täter am Mittag in seine Gewalt gebracht hatte. Neben dem 14-jährigen Mädchen, das vorher in dem Schnellrestaurant verletzt wurde, zog sich außerdem eine weitere Frau eine Rauchvergiftung zu.

Der Tatverdächtige wurde beim Zugriff der Polizei lebensgefährlich verletzt und am Abend in einer Klinik notoperiert.

Am Dienstagmorgen hieß es, der Gesundheitszustand der Verletzten sei unverändert. Der mutmaßliche Täter wird weiter auf der Intensivstation behandelt.

Regierungssprecher Steffen Seibert bedankte sich am Montagabend via Twitter bei den Einsatzkräften in Köln. „Die Gedanken sind jetzt bei den beiden verletzten Frauen, die hoffentlich bald wieder gesund werden“, schrieb er.

Welche Auswirkungen gibt es noch im Bahnverkehr?

Nach der Vollsperrung des Kölner Hauptbahnhofs erwartet die Bahn einen weitgehend reibungslosen Start in den Tag. „Der Nah- und Regionalverkehr kann planmäßig fahren“, sagte eine Bahnsprecherin in der Nacht zu Dienstag. Im Fernverkehr kann es jedoch teilweise zu Verzögerungen und Ausfällen kommen. Das Unternehmen bittet Reisende daher, sich vor Beginn ihrer Fahrt über ihre Verbindungen zu informieren. Der Zugang zum Bahnhof zwischen Schnellrestaurant und Apotheke war am Dienstagmorgen weiterhin gesperrt.

Am Montagabend sei es noch möglich gewesen, Reisende mit Zügen nach Berlin und Frankfurt zu bringen. Kunden, die nicht weitergekommen seien, hätten Taxi- und Hotel-Gutscheine bekommen. Insgesamt seien mehrere Hundert Gutscheine ausgeteilt worden. Im Bahnhof sei niemand gestrandet, so dass der Infoschalter im Kölner Hauptbahnhof in der Nacht teilweise komplett leer gewesen sei.

Der Kölner Hauptbahnhof gehört zu den am meisten frequentierten Bahnhöfen in Deutschland. Der Schienenknotenpunkt liegt im Stadtzentrum direkt neben dem Kölner Dom. Täglich durchströmen ihn rund 1300 Züge, bis zu 280.000 Reisende kommen hier auf elf Gleisen an oder fahren ab.

(hebu/cbo/dpa/AFP/Reuters)
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