Geiselnahme in Köln Polizei schließt terroristischen Hintergrund nicht aus

Köln · Die Kölner Polizei hat am Montag eine Geiselnahme in einer Bahnhofsapotheke gewaltsam beendet. Zuvor gab es einen Brandanschlag in einem Restaurant. Die Polizei hält einen terroristischen Hintergrund für nicht ausgeschlossen.

Kölner Hbf wegen Geiselnahme evakuiert - Fotos zum Polizei-Einsatz
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Kölner Hauptbahnhof wird evakuiert

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Foto: dpa/Oliver Berg

Am Kölner Hauptbahnhof ist am Montag womöglich ein größerer Terroranschlag nur knapp verhindert worden. Ein 55-jähriger Syrer hatte in einem Schnellrestaurant am südlichen Ende des Bahnhofs einen Molotowcocktail gezündet und damit ein 14-jähriges Mädchen schwer verletzt. Anschließend flüchtete der Angreifer in eine benachbarte Apotheke und nahm dort eine Angestellte als Geisel. Nachdem Spezialeinsatzkräfte die Frau befreit und den Täter überwältigt hatten, fand die Polizei an den beiden Tatorten weitere Molotowcocktails, mehrere Gaskartuschen und Brandbeschleuniger. „Das lässt darauf deuten, dass es sich um etwas mehr als eine Geiselnahme gehandelt haben könnte“, sagte Polizei-Einsatzleiter Klaus Rüschenschmidt am Abend. „Einen terroristischen Hintergrund können wir derzeit nicht ausschließen.“

Um 12.45 Uhr waren bei Polizei und Feuerwehr zuvor die ersten Notrufe eingegangen. Die Zufahrtsstraßen rund um den Bahnhof wurden abgesperrt, der Bahnverkehr kam nach und nach zum Erliegen. „Alle raus jetzt hier. Schnell, bitte“, forderten Ordnungskräfte gegen 13.45 Uhr die Bahnreisenden auf, die den Regionalexpress 1 am Gleis 4 erreichen wollten. Die Reise endete für sie wie für Tausende andere auf dem Bahnhofsvorplatz im Schatten des Kölner Doms, der zur Sammelstelle für die Passagiere wurde.

Auf der anderen Seite des Bahnhofs am Breslauer Platz spielten sich unterdessen dramatische Szenen ab. Dort stand Augenzeugin Larissa Da Silva Lima (25), als ihren Schilderungen zufolge eine junge Frau schreiend ins Freie lief – Schuhe und Hose in Flammen stehend. „Sie rannte um ihr Leben. Ein Passant hat sich auf sie geworfen und versucht, das Feuer zu ersticken. Andere haben mit Wasserflaschen geholfen.“ Auch aus der benachbarten Apotheke sei eine Helferin gekommen. Ein zweites Mädchen sei dem Opfer ebenfalls schreiend gefolgt.

Ganz ähnlich schildert Einsatzleiter Rüschenschmidt am Abend die Situation. Die 14-Jährige sei mit schweren Brandverletzungen in ein Krankenhaus transportiert worden. Eine weitere Person habe eine Rauchvergiftung erlitten. Vor der Geiselnahme in der Apotheke habe der Angreifer Passanten zugerufen, er sei Mitglied des „Islamischen Staats“ „Der Mann ist polizeilich mehrfach aufgefallen, unter anderem wegen Diebstahl und Betrug – nicht aber als aktiver Islamist“, sagte Klaus-Stephan Becker, Leiter Kriminalität der Kölner Polizei. Wohl aber sei er als Hinweisgeber auf einen mutmaßlichen Islamisten in Erscheinung getreten.

Der 55-Jährige lebt seit 2016 in Deutschland und ist hier geduldet. Entsprechende Ausweisdokumente fand die Polizei, nachdem eine Spezialeinheit gegen 16 Uhr die Apotheke stürmte. Der Geiselnehmer sei mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ der Passinhaber. Die Identität des Täters sei aber noch nicht eindeutig geklärt. Der Mann soll versucht haben, seine Geisel anzuzünden, außerdem habe er eine Waffe gehalten. Drei Polizisten eröffneten daraufhin das Feuer und streckten den Mann nieder. Er wurde noch vor Ort von einer GSG9-Notärztin reanimiert und im Kölner Uniklinikum notoperiert. Das Opfer sei mit Benzin überschüttet worden, zeitweise habe der Täter ihr zwei Gasflaschen angeklebt. Dennoch gehe es der Frau „den Umständen entsprechend gut“, sagte ein Polizeisprecher.

Vor dem Zugriff hatte die Polizei versucht, den mutmaßlichen Täter zur Aufgabe zu zwingen. Gegen 14.15 Uhr bestätigte die Polizei den Kontakt. In den Verhandlungen habe er unter anderem die Freilassung einer Tunesierin gefordert. Hintergründe zu der Frau wurden bislang nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft Köln hat Ermittlungen wegen versuchten Mordes aufgenommen.

Nach der Befreiung der Geisel untersuchten die Beamten das Gebäude und fanden im Schnellrestaurant und der Apotheke mehrere der hochexplosiven Gegenstände. Auch deswegen blieb der Kölner Hauptbahnhof bis in den Abend gesperrt. Hunderte Züge waren laut einem Bahnsprecher betroffen und mussten umgeleitet werden. Polizei-Einsatzleiter Klaus Rüschenschmidt sagte: „Zwei Gaskartuschen waren mit Klebeband zusammengefügt. Der Täter hatte ein Feuerzeug dabei. Was passiert wäre, wenn es zu einer Explosion gekommen wäre, möchte ich mir nicht vorstellen. Köln hat heute Glück gehabt.“

(cbo)
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