Erkelenz Garzweiler im Nebel - Erkelenz sucht Klarheit

Erkelenz · Drohkulisse, Ungeschicklichkeit oder alles nur Spekulation? Auf der Suche nach Klarheit zum Tagebau Garzweiler stochert Erkelenz im Nebel. Auch die Landesregierung gibt keine Antwort.

Streit um vorzeitiges Aus für Tagebau
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Streit um vorzeitiges Aus für Tagebau

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RWE hätte sich diesen Brief vermutlich schenken können. Darin teilt der Energiekonzern dem Erkelenzer Bürgermeister Peter Jansen (CDU) mit, dass er an Garzweiler festhalte. Durch Spekulationen über ein vorzeitiges Aus sei "ein großer Schaden entstanden", da das notwendige Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Unternehmens erschüttert werde. Für Jansen heißt das gar nichts: "Das Unternehmen entscheidet nach Wirtschaftskriterien. Wenn sich die Einschätzung in ein, zwei Jahren verändert, dann treffen die wieder eine neue Annahme."

Über 3000 weitere Erkelenzer sind noch gezwungen, wegen Garzweiler wegzuziehen. Die Umsiedlungen laufen seit Jahren, geräuschlos. Bemerkenswert für ein Großprojekt, das in den 90er Jahren fast die rot-grüne Koalition gesprengt hätte. Die betroffenen Menschen in der Region haben sich arrangiert. Aber durch den Zeitungsbericht vom 8. Oktober, wonach der Tagebau wegen mangelnder Rentabilität 2018 beendet werden könnte, hat sie zutiefst verunsichert. Das Dementi des Konzerns ist für sie allenfalls eine Fußnote. Die Stadt Erkelenz hatte nach dem Bericht nach eigenen Angaben alle Vorbereitungen für weitere Umsiedlungen gestoppt.

Einige Beobachter dieser undurchsichtigen Gemengelage gehen davon aus, dass RWE vor dem Hintergrund von Koalitionsverhandlung und Energiewende gepokert hat. Der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel etwa meinte, dass die Information gezielt lanciert wurde: "Damit wird eine Diskussion angeschoben, um in dem offenen Konflikt der Energiewende die konventionellen Kraftwerke zu stärken", hatte er der Tageszeitung "taz" gesagt. Auf diese Weise solle Druck auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin ausgeübt werden.

Das erinnert an einen Vorgang aus dem Jahr 1999, als es um die Ökosteuerreform zur Steuerbefreiung von Gaskraftwerken ging. Garzweiler war gerade genehmigt, da stellte der frühere RWE-Chef Dietmar Kuhnt das Großprojekt wegen erwarteter "massiver Wettbewerbsnachteile" durch die Ökosteuerreform infrage - und erreichte einen unter Beteiligung des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder ausgehandelten Kompromiss.

Erkelenz drängt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) schon jetzt zu einer Aussage darüber, ob das Land Garzweiler für notwendig hält. Für die nordrhein-westfälische Landesregierung kommt die Forderung sicher zur Un-Zeit, in einer Situation mit zwei Unbekannten: Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen in Berlin auch zum weiteren Fortgang der Energiewende ist völlig offen. Und die Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe müssen noch über die Klagen eines Betroffenen gegen die Umsiedlung und des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) gegen die Enteignung seiner Obstbaumwiese entscheiden.

Falls die Richter den Tagebau nicht stoppen, müsste die NRW-Landesregierung spätestens mit Genehmigung des Braunkohleplans zur Umsiedlung wohl im nächsten Jahr entscheiden, ob Garzweiler energiepolitisch notwendig ist. "Bei dem jetzt anstehenden Braunkohleplan kommt die Landesregierung in Erklärungsnöte, wenn selbst RWE Zweifel sät, ob die den Tagebau überhaupt brauchen", sagt NRW-BUND-Geschäftsleiter, Dirk Jansen. Sollte die SPD bei ihrer Einschätzung zu Garzweiler "weiter auf dem Kohlekurs fahren", könnte es zu einer "kleinen Störung" des Koalitionsfriedens kommen, erwartet Jansen.

Erkelenz hat auch mal gegen Garzweiler geklagt - vor vielen Jahren - und ist gescheitert. Danach hat die Stadt beschlossen, ihren Bürgern bei der Umsiedlung zu helfen. Aber nun ist sie an dem Punkt, wo sie nicht weitermacht. "Jetzt muss doch einer mal klar sagen, wo es hingeht. Und das kann nur jemand von der Landesregierung", sagte Bürgermeister Jansen.

(lnw/dpa)
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