Emmerich Fungarden: Bericht eines Opfers

Emmerich · Am elften Prozesstag schilderte eine ehemalige Prostituierte ihren Leidensweg. Ein Zuhälter bot sie gegen ihren Willen in verschiedenen Bordellen an. Das Gericht hat angekündigt, nicht mehr allzu viele Zeugenaussagen hören zu wollen.

 Die Angeklagten Olga G. und Esed D. gestern beim elften Verhandlungstag im Gerichtssaal in Kleve. Zwischen ihnen hat ein Dolmetscher Platz genommen.

Die Angeklagten Olga G. und Esed D. gestern beim elften Verhandlungstag im Gerichtssaal in Kleve. Zwischen ihnen hat ein Dolmetscher Platz genommen.

Foto: Markus van offern

Seit 289 Tagen sitzen Olga G. (40) und Esed D. (53) in Untersuchungshaft. Sie feierte bereits einen Geburtstag hinter Gittern, beide verbrachten die Weihnachtstage und den Jahreswechsel hinter Schloss und Riegel. Gestern war der elfte Sitzungstag in der Verhandlung gegen das Paar, das gemeinsam das Bordell "Fun Garden" betrieben hat.

Dabei zeichnete sich ab, dass zumindest die Parade der Zeugen in dem Mammutverfahren vor dem Ende steht - und, dass die beiden Angeklagten, die sich wegen zahlreicher Delikte vom Menschenhandel bis zu Steuerhinterziehung verantworten müssen, wenigstens wissen, woran sie sind. Der Vorsitzende Richter Christian Henckel erklärte, dass die Kammer — abgesehen von einer Handvoll bereits geladener Zeugen — keine weiteren neuen Zeugen mehr zu hören beabsichtige.

Selbst hartgesottene Prozessbeobachter haben inzwischen Mühe, den Überblick über die Fülle der Aussagen von aktuellen oder ehemaligen Beschäftigten des einstmals florierenden Saunaclubs im Emmericher Industriegebiet zu behalten.

Die Brasilianerin Luciana F. (30), eine ehemalige Mitarbeiterin des Schwesterbetriebs "Villa Auberge", die eigens für ihre Aussage aus ihrer derzeitigen Heimat Portugal eingeflogen worden war, berichtete dem Gericht, teilweise unter Tränen, von der tristen und brutalen Realität des Gewerbes. Und sie war einmal mehr eine Zeugin, die ihre eigene Naivität eingestand.

Vor sechs Jahren war sie in einer Diskothek in Lissabon angesprochen worden, ob sie als Gaststättenbedienung in Deutschland Geld verdienen wolle. Sie geriet an einen Zuhälter namens Hugo. Der machte schon kurz nach der Ankunft in Düsseldorf klar, womit sie in Wahrheit ihr (und sein) Geld verdienen solle. Er klapperte mit ihr und einer weiteren Frau Bordelle ab, in denen er die beiden den jeweiligen Inhabern anbot. So gelangte F. auch zur "Villa Auberge", wo sie zwei oder drei Nächte tätig war. Laut einer Aussage bei der Polizei wurden die Einnahmen zwischen ihr und dem Inhaber hälftig geteilt. Gestern vor Gericht konnte sie sich allerdings nicht mehr genau daran erinnern, "das ist doch schon sechs Jahre her". Nie habe sie der Prostitution nachgehen wollen, "doch wir hatten Angst, dass Hugo uns etwas antut".

In Emmerich ließ die Frau sich einmal mit einem Taxi in ein Internetcafé bringen. Per Chat wollte sie Kontakt zu Bekannten in Portugal aufnehmen. Esed D. spürte sie in dem Lokal auf und brachte sie ins Bordell zurück.

Warum sie denn nicht zur Polizei gegangen sei, fragte Staatsanwalt Hendrik Timmer. Antwort Luciana F.: "Ich wusste noch nicht einmal, in welcher Stadt ich mich befand. Ich wollte fliehen, aber ich habe mich nicht getraut. Ich hatte noch nie in diesem Milieu gearbeitet."

Ihr Leidensweg im Rotlichtmilieu endete wenige Tage später in einem anderen Bordell mit dem Namen Klein-Paris. Sie sei dort misshandelt worden: "Als zwei Tage später die Polizei kam, wusste ich, dass es einen Gott gibt."

Der Prozess wird am 22. Januar fortgesetzt. An diesem Tag soll unter anderem eine Frau aus Ungarn, die im "Fun Garden" gearbeitet hat, mit einer Videoschaltung nach Budapest vernommen werden.

(daute)
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