Tragödie in Solingen Fünf Kinder vermutlich erstickt – Haftbefehl gegen Mutter

Solingen · Gegen die 27 Jahre alte Frau, die in Solingen fünf ihrer Kinder getötet haben soll, ist Haftbefehl erlassen worden. Nach Angaben der Polizei wiesen die Leichen keine Anzeichen von äußerlicher Gewalteinwirkungen auf.

Gedenkveranstaltung auf dem Neumarkt in der Solinger Innenstadt
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Gedenkveranstaltung auf dem Neumarkt in der Solinger Innenstand

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Foto: Christoph Reichwein (crei)

Melina, Leonie, Sophie, Timo und Luca. Einsatzleiter Robert Gereci nennt zunächst die Namen der getöteten Kinder, die zwischen einem und acht Jahre alt gewesen sind. Nur Marcel lebt noch, der elf Jahre alte Bruder. Er sei womöglich nur verschont worden, weil er zum Zeitpunkt der Tat in der Schule war, sagte der Leiter der Mordkommission, Marcel Maierhofer.

Die 27-jährige Mutter steht unter dringendem Tatverdacht, ihre fünf Kinder getötet zu haben. Ein Richter hat Haftbefehl gegen sie erlassen; die Staatsanwaltschaft hatte zuvor den Haftbefehl wegen fünffachen Mordes beantragt. Die insgesamt sechs Kinder der Frau stammten von drei verschiedenen Vätern; keiner der Männer steht unter Tatverdacht.

Nach Angaben der Polizei haben die Leichen keine Anzeichen von äußerlicher Gewalteinwirkungen aufgewiesen. „Wir haben sie am Tatort in ihren Betten vorgefunden“, sagt Maierhofer. Der Tatzeitpunkt liege zwischen Mittwochnachmittag und Donnerstagvormittag. Zum genauen Tatablauf können die Ermittler noch nichts sagen. „Auf tragisch schreckliche Weise sind die fünf Kinder ums Leben gekommen“, sagt Kriminaldirektor Gereci. Die Obduktion der Kinder ergab bei allen Hinweise auf eine Sedierung und auf Ersticken. Die Polizisten, die die toten Kinder in der Wohnung gefunden haben, stünden unter Betreuung, sagt er.

Der ältere Junge sei am Donnerstagmorgen wie immer zur Schule gegangen. Die Mutter hatte dann Kontakt zur Schule aufgenommen und gesagt, es gebe einen Todesfall in der Familie und sich dann mit ihrem ältesten Sohn getroffen. Die Vermutung der Polizei, dass der Junge nur verschont geblieben ist, weil er zum Tatzeitpunkt in der Schule war, ist noch nicht gesichert. Der Junge habe noch nicht befragt werden können, so Gereci. Er befindet sich in familiärer Obhut. In einem schulischen Gruppenchat hatte der Elfjährige kurz nach der Tat geschrieben, dass alle seine Geschwister tot seien, so Gereci.

Die 27-Jährige hat ihrer Mutter die Tötung ihrer Kinder in einem Whatsapp-Chat gestanden und sich dann in Düsseldorf vor einen Zug geworfen. Dabei habe sie schwere, aber nicht lebensgefährliche innere Verletzungen erlitten, so Maierhofer. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass die Frau die Tat in einem Zustand der emotionalen Überforderung begangen habe. Zuvor habe sie ein Jahr von ihrem Ehemann, dem Vater von vier ihrer Kinder, getrennt gelebt, sagt Maierhofer. Sie könnte die Trennung nicht verkraftet haben. Ein psychiatrischer Sachverständiger soll mit der Mutter sprechen, sobald sie vernehmungsfähig ist.

Die Familie war dem Jugendamt vor der Tat bereits bekannt. „Ihr wurde von der Stadt Solingen erforderliche Unterstützungen gewährt. Das Jugendamt hat zusätzlich mögliche Hilfsangebote unterbreitet“, teilte die Stadt mit. Erkenntnisse zu Auffälligkeiten oder einer potentiellen Gefährdung der Kinder habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben.

Knapp 3000 Menschen leben in dem Solinger Stadtteil Hasseldelle. Wer es sich finanziell leisten kann, zieht aus dem Quartier weg, Kostenpflichtiger Inhalt das in der 163.000-Einwohnerstadt im Bergischen Land nicht gerade den besten Ruf hat. Anfang der 1970er Jahre gebaute Hochhäuser mit dunklen Schieferfassaden, Arbeitslosigkeit und soziale Probleme – die Hasseldelle kämpft gegen ihr schlechtes Image. Und das schon seit längerer Zeit. Dabei gibt es durchaus etliche Aktive unter den Einwohnern aus mehr als 50 Nationen, die sich mit dem schlechten Ruf nicht abfinden wollen. Sie wollen etwas unternehmen gegen die bestehenden Vorurteile ihres Viertels, das nur rund drei Kilometer vom Solinger Stadtzentrum entfernt liegt.

Solingen: Fünf tote Kinder in Wohnung gefunden - Fotos vom Tatort
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Fünf tote Kinder in Wohnung in Solingen gefunden

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Foto: dpa/Oliver Berg

Die Tragödie habe nicht nur die Menschen in Solingen tief getroffen. Auch in der Region, in Deutschland und im Ausland seien viele Menschen bestürzt und zeigten ihre Anteilnahme, sagt ein Sprecher der Solinger Polizei. Aber besonders in der Hasseldelle trauern die Menschen um die Kinder.

04.09.2020 , Solingen , Mutter tštet 5 ihrer 6 Kinder im Alter zwischen einem und acht Jahren in der Wohnung an der Hasselstra§e , der Tag danach in Solingen. 

Blumen , Kerzen und Stofftiere liegen unweit des Haueinganges zum Mehrfamilienhaus , in dem die Familie gewohnt hat.

04.09.2020 , Solingen , Mutter tštet 5 ihrer 6 Kinder im Alter zwischen einem und acht Jahren in der Wohnung an der Hasselstra§e , der Tag danach in Solingen. Blumen , Kerzen und Stofftiere liegen unweit des Haueinganges zum Mehrfamilienhaus , in dem die Familie gewohnt hat.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Die Zugänge zu dem Mehrfamilienhaus sind auch am Freitag noch mit rot-weißem Flatterband abgesperrt; immer wieder kommen Anwohner vorbei, um eine Kerze oder ein paar Blumen abzulegen. Ein kleiner Junge geht irritiert an den Erwachsenen vorbei, die alle fassungslos wirken. „Ich verstehe nicht, wie so etwas passieren kann“, sagt eine Frau. „Ich meine, wie verzweifelt muss man sein, um seine eigenen Kinder umzubringen?“ Ein Mädchen kommt an der Hand seiner Mutter zu der kleinen Gedenkstätte. In der anderen Hand hat das Kind eine Engelsfigur. Als die Mutter die Figur zu den Stofftieren und den Kerzen stellen will, protestiert das Mädchen. „Ich will sie doch behalten“, sagt es. Die Mutter spricht nochmal mit ihrer Tochter, die den Engel schließlich aus der Hand gibt. Am Samstag veranstaltet die Nachbarschaft eine kleine Trauerfeier.

(csh )
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