Bildung für Hochbegabte in NRW Wunderkind Friedrich

Dülmen · Friedrich Wendt ist acht Jahre alt und hat einen IQ von etwa 180, ganz einig sind sich die Experten da nicht. Welche Hürden ergeben sich bei der Suche nach einer Schule für ein hochbegabtes Kind? Wir haben mit Friedrich und seiner Familie gesprochen.

 Friedrich Wendt ist hochbegabt und geht bald in NRW zur Schule, sein Lieblingsfach ist Mathematik.

Friedrich Wendt ist hochbegabt und geht bald in NRW zur Schule, sein Lieblingsfach ist Mathematik.

Foto: privat

Friedrich spricht am liebsten Englisch. Klar, schließlich ist er in den USA aufgewachsen und erst seit kurzem mit seinen Eltern Sylvia und Wilfried Wendt sowie seinem kleinen Bruder Richard wieder nach Deutschland gezogen. Ab 18. August soll er nämlich auf eine neue Schule gehen, die Wahl fiel auf Schloss Buldern in Dülmen bei Münster.

Doch auch auf Englisch ist Friedrich ein aufgewecktes Kind, er lacht viel, zeichnet auf einem Blatt Papier herum, während seine Eltern erklären, wie es ist, ein hochbegabtes Kind großzuziehen. Als er das Blatt dann hochhält, sind mathematische Formeln darauf geschrieben. In ordentlicher Schrift, perfekt leserlich und weitaus komplizierter als das, was viele Menschen noch aus ihrer Schulzeit parat hätten. Zumindest eine Formel wirkt irgendwie bekannt, es ist eine der binomischen Formeln.

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„Mathe ist mein Lieblingsfach“, sagt Friedrich, aber auch Geschichte und Naturwissenschaften interessieren ihn. Auf seiner neuen Schule wird er erst einmal zusätzlich zum normalen Mathe-Unterricht Einzelstunden bekommen, zum Halbjahr wechselt er dann, wenn alles klappt, in den Mathekurs der Oberstufe. Leistungskurs versteht sich. In eineinhalb Jahren könnte er dann Deutschlands jüngster Mathe-Abiturient werden. Denn aktuell ist er in seinem Lieblingsfach ungefähr auf dem Niveau eines Neunt- oder Zehntklässlers, wie sein neuer Schulleiter Stefan Schrade sagt. Bei seinem ersten Treffen mit Friedrich im November war der Junge noch auf dem Stand der siebten Klasse. Bei dieser schnellen Entwicklung sei es durchaus möglich, dass er in Mathematik bald dem Stand eines Gymnasiums entwachsen sein könnte, meint auch sein Vater.

 Auch sein kleiner Bruder Richard ist ziemlich schlau, bei ihm wurde ein IQ von 155 gemessen.

Auch sein kleiner Bruder Richard ist ziemlich schlau, bei ihm wurde ein IQ von 155 gemessen.

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Dann könnte der Standort von Schloss Buldern zum Vorteil werden, so glauben Friedrichs Eltern. Es liegt nämlich nicht weit entfernt von der Universität Münster. Über das Centrum für Begabungsforschung der Uni seien sie auf die Schule aufmerksam geworden. „Die Schule bietet auch genug Flexibilität, man muss ja ständig die Waage halten zwischen Förderung und der Anpassung an neue Klassen“, sagt Wilfried Wendt. Auf Schloss Buldern kann Friedrich einzelne Fächer in höheren Klassen belegen, ohne aus dem Klassenverband gerissen zu werden, das sei ihm wichtig. „Denn das ist das Allerwichtigste: Friedrich soll Spaß dabei haben, neue Sachen zu lernen. Er soll sich nicht gezwungen fühlen“, sagt der Vater.

Denn es ist für Eltern natürlich eine Herausforderung, wenn Kinder besonders begabt sind. Mit eineinhalb Jahren konnte Friedrich lesen und schreiben, mit drei Jahren die analoge Uhr gut verstehen. Das fällt manchem Erwachsenen noch schwer. Doch erst einmal hätten sie sich keine großen Gedanken gemacht, sagt Wilfried Wendt, Friedrich war ihr erstes Kind, seine Frau und er hätten ja keinen Vergleich gehabt. Als er dann in den USA in die Vorschule kam und sich mit dreieinhalb Jahren in Mathematik und Sprachen auf dem Niveau eines Drittklässlers bewegte, da war klar, dass er eine besondere Förderung brauchte. „Er hat auch immer gejammert, wenn ich ihn bei der Vorschule abgesetzt habe, es sei ihm dort langweilig“, sagt Wilfried Wendt. Mit vier Jahren wurde er deshalb eingeschult – direkt in die zweite Klasse. Für ihn ist das alles kein großes Problem, er scheint Spaß zu haben: „Wenn ich in Mathe etwas Neues lerne, dann ist das wie ein neues Level in einem Videospiel. Ein mathematisches Problem lösen ist wie ein Puzzle“, sagt Friedrich.

Im Moment fasziniert ihn die Zahl Pi, die ersten 111 Stellen nach dem Komma kennt er auswendig. Zum Beweis schreibt er sie direkt auf. „Ein Journalist, mit dem er gesprochen hat, hat ihn mal nach der Zahl Pi gefragt, seitdem interessiert er sich dafür“, sagt sein Vater. Friedrich stellt gerne Fragen. Wie viele Monde hat der Pluto? Wie heißen die Monde des Mars? Wann wurde Napoleon geboren? Die Antworten liefert er gleich mit (5, Phobos und Deimos, 1769). Für ihn ist das ein Ratespiel, dessen Antworten er schon kennt. Aber auch Musik mag er, am liebsten Klassik. An den Nationalhymnen kann er verschiedene Länder erkennen. Und diese dann auch auf einer Weltkarte finden. Sein Berufswunsch steht ebenfalls schon fest: „Ich will etwas erfinden, was die Menschen länger leben lässt, eine Medizin oder eine Behandlung“, sagt er.

Auf seinem Weg dorthin werden ihm sicher auch die Latein-Stunden helfen, die er bei seinem Schulleiter Schrade bekommen wird, sobald das neue Schuljahr beginnt. „Friedrichs Muttersprache ist Englisch, im Englisch-Untericht seiner Klasse würde er nicht mehr viel Neues lernen. Deshalb werde ich ihm Latein beibringen“, sagt der Pädagoge. Denn das sei es, was die Schule dem hochbegabten Kind bieten könne: flexiblere Strukturen als andere Schulen. „Wir versuchen, bestmöglich und individuell auf unsere Schüler einzugehen, deshalb haben wir auch kleinere Klassen von 15 oder 16 Schülern“, sagt Schrade.

Doch Friedrich ist nicht das einzige Kind der Familie mit außergewöhnlichen Begabungen. Auch sein zwei Jahre jüngerer Bruder Richard hat einen IQ von 155. Für die Eltern war das überraschend, aber auch sehr erfreulich, wie sie sagen. Richards Lieblingsthemen sind Experimente, Technologie und Umwelt. Und wer weiß, vielleicht schaffen die Brüder es tatsächlich, etwas zu erfinden, was Menschen länger leben lässt. Sei es eine Medizin oder eine Technologie. Bis es aber soweit ist, sollen sie Kinder sein und Spaß haben. Das wünschen sich Sylvia und Wilfried Wendt im Moment am meisten.

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