„Fridays for Future“ auch in NRW 300.000 Schüler gehen in Deutschland fürs Klima auf die Straße
Düsseldorf/Berlin · Allein in NRW sind am Freitag mehrere Tausend Schüler nicht zur Schule, sondern auf die Straßen gegangen. Sie demonstrierten für mehr Klimaschutz. Insgesamt waren deutschlandweit rund 300.000 Schüler auf den Beinen.
In Nordhrein-Westfalen sind am Freitag Tausende Schüler für den Klimaschutz auf die Straße gegangen. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) begrüßte das politische Engagement. Das Demonstrationsrecht setze jedoch die Schulpflicht nicht außer Kraft, mahnte sie. Die rheinische Landeskirche unterstützte die jungen Demonstranten. Kundgebungen fanden nach Angaben der Veranstalter in mehr als 220 deutschen Städten statt. An dem globalen Streik nahmen laut der Webseite „fridaysforfuture.org“ 123 Länder auf allen Kontinenten teil. Die weltweiten Demonstrationen gelten als vorläufiger Höhepunkt der Bewegung „Fridays for Future“.
In Köln meldeten die Veranstalter rund 10.000 Demonstranten. Zu den zunächst einigen tausend Teilnehmern zu Beginn seien im Zuge der Demonstration noch viele Menschen dazugestoßen, sagte ein Sprecher der Polizei Köln. Allein in Berlin gingen nach Polizeiangaben zwischen 15.000 und 20.000 Menschen auf die Straße.
Auch in vielen weiteren nordrhein-westfälischen Städten demonstrierten Tausende Schüler für eine bessere Klimapolitik. In der Landeshauptstadt Düsseldorf zogen zwischen 5000 und 8000 Mädchen und Jungen durch die Innenstadt bis zum Landtag. Konkretere Angaben zur Teilnehmerzahl lagen zunächst nicht vor. Ursprünglich erwartet worden waren in Düsseldorf etwa 2500 Teilnehmer. In Bonn nahmen nach Polizeiangaben rund 3500 Schüler an den Protesten teil - dort hatten die Organisatoren im Vorfeld mit etwa 2000 gerechnet. Insgesamt schätzten die Veranstalter die Zahl bundesweit auf rund 300.000. Die Polizeistellen meldeten zunächst keine besonderen Vorkommnisse.

„Fridays for Future“ in Düsseldorf
International waren bei dem Aktionstag Hunderttausende Schüler unterwegs. Kundgebungen unter dem Motto „Fridays For Future“ gab es in fast allen europäischen Metropolen, darunter in Rom, Paris, London, Wien sowie in Kopenhagen und Stockholm.
Die Kernforderungen: ein schnelles Aus für die klimaschädliche Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, keine Subventionen mehr für diese „dreckigen“ Energieträger, mehr Investitionen in erneuerbare Energien aus Windkraft und Sonne.
Symbolfigur der Protestwelle ist die 16-jährige schwedische Schülerin Greta Thunberg, die seit August 2018 immer freitags für einen beherzteren Kampf gegen den Klimawandel demonstriert statt zur Schule zu gehen. Sie ist inzwischen zu einer Ikone für Klimaschützer rund um die Welt geworden. In vielen Städten hielten Demonstranten Schilder mit dem Spruch „Make the world Greta again“ in die Höhe - angelehnt an den Wahlkampfslogan von US-Präsident Donald Trump „Make America great again“ (Macht Amerika wieder groß).
Thunberg, die zusammen mit Tausenden Mitstreitern in Stockholm protestierte, bescheinigte den Regierenden weltweit zu wenig Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderwärmung. Anstatt zu handeln, vergeudeten Politiker allerorten Zeit. In einem Beitrag im britischen „Guardian“ schrieb Thunberg zusammen mit anderen jugendlichen Organisatoren von „Fridays For Future“: „Diese Bewegung musste kommen, wir hatten keine Wahl.“ Das „etwas sehr falsch läuft“ hätten ihnen die jüngsten Wald- und Buschbrände etwa in Schweden und den USA sowie die Überschwemmungen und Dürreperioden in Australien und Deutschland gezeigt. Die Erderhitzung sei die „größte Gefahr, der die Menschheit jemals gegenüberstand“.
Von den Erwachsenen erwarte die Bewegung nicht, dass sie der Jugend Hoffnung spende, schrieben Thunberg und ihre Mitstreiter. „Wir wollen, dass ihr in Panik geratet und handelt. Wir wollen, dass ihr euch anschließt.“
Auf Plakaten bei Protesten in Deutschland hieß es unter anderem: „Wir lernen nicht für eine zerstörte Zukunft“ oder „Fehlstunden verkraften wir, Klimawandel nicht“. Andere hatten Schilder dabei mit Aufschriften wie „Die Dinos dachten auch, sie hätten Zeit“ und „Wäre die Welt eine Autofirma, hättet ihr sie längst gerettet“.
Tatsächlich drängt die Zeit: Schon jetzt hat sich die Erde nach Befunden des Weltklimarats IPCC gegenüber der vorindustriellen Zeit um etwa ein Grad Celsius erwärmt. Die Jahre 2015 bis 2018 waren nach Analysen der Weltwetterorganisation die vier wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert. Geht es weiter wie bisher, ist Ende dieses Jahrhunderts die Welt wohl gut drei Grad wärmer. Zu den fatalen Folgen gehören je nach Region mehr Hitzewellen, längere Dürren sowie mehr Stürme, Starkregen und Hochwasser. Um den Trend zu stoppen, muss der Ausstoß von Treibhausgasen etwa aus der Verbrennung von Kohle und Öl oder aus der Tierhaltung stark reduziert werden.
Unterstützung bekommt die ursprünglich von jungen Leuten initiierte Bewegung auch aus anderen Generationen. So haben rund 20.000 Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eine Stellungnahme unterzeichnet, um dem Anliegen der Klimabewegung Nachdruck zu verleihen. Auch Eltern stellen sich mit „Parents for Future“ an die Seite der Jugendlichen. Sie bitten unter anderem darum, auf Schulverweise oder andere disziplinarische Maßnahmen zu verzichten, wenn Schüler für Proteste dem Unterricht fernbleiben.
Nach Ansicht von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sollten die Schüler besser nach Unterrichtsende in ihrer Freizeit demonstrieren, wie er dem „Spiegel“ sagte. Ähnlich äußerte sich Verkehrsminister Andreas Scheuer im Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Samstag). Vergangene Woche hatten allerdings Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Schülerproteste ausdrücklich begrüßt.
Die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer, eine 22-jährige Studentin, kündigte im SWR einen weiteren großen Protest für den 24. Mai an, „wenn wir die Europawahl zur Klimawahl machen werden und massivst auf die Straßen gehen in ganz Europa, um direkt vor den Wahlen allen Parteien richtig Angst zu machen“.
In Neuseeland, wo die ersten Proteste weltweit anliefen, sagte Koordinatorin Sophie Handford (18) der Deutschen Presse-Agentur: „Wir sind die, die diese Erde erben werden. Wir verdienen es, darüber mitreden zu dürfen, welche Art von Zukunft wir haben werden.“
In Australien sprachen die Organisatoren von schätzungsweise 150.000 Teilnehmern in Dutzenden Städten, auch in Spanien waren es mehrere Zehntausend. In Rom strömten Tausende Schüler zu den Kaiserforen, dabei skandierten sie bei strahlendem Sonnenschein „Wir haben nur einen Planeten“ und „Wir sind der Wandel“.
Auch in Indien beteiligten sich einige Hundert Schüler in der Hauptstadt Neu Delhi sowie weiteren Städten. In Gurugram, einem Vorort von Neu Delhi, trug ein Mädchen einen Kittel, auf dem „Ich will nicht ersticken“ stand. Neu Delhi und Gurugram (früher Gurgaon) gehören laut Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO zu den 13 Städten mit der schlimmsten Feinstaubbelastung weltweit - alle 13 liegen in Nordindien.
Die internationalen Proteste für mehr Klimaschutz haben mit Grönland und der Antarktis auch entlegene Orte erreicht, die ganz besonders von der Erwärmung der Erde und der Ozeane betroffen sind. In der grönländischen Hauptstadt Nuuk kamen am Freitag rund 400 Schüler zusammen, um mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz einzufordern. Wie ein Mitorganisator der Deutschen Presse-Agentur berichtete, riefen die Demonstranten vor dem Regierungsgebäude unter anderem „Es ist unsere Zukunft!“. Schüler wiesen in Reden darauf hin, dass Grönland von Klimaveränderungen weltweit mit am stärksten betroffen sei. Auf Plakaten war unter anderem „Kämpft für unsere Zukunft!“ zu lesen. Auf einem Schild stand: „Wenn sich das Klima verändern kann, warum nicht auch wir?“
Auch in der Antarktis wurde protestiert. Vor der Neumayer-Station III, der deutschen Polarforschungsstation des Alfred-Wegener-Instituts, zeigten Wissenschaftler an, wie weit der Meeresspiegel wegen des Klimawandels steigen könnte. Ein Forscher hielt ein Schild mit der Aufschrift hoch: „Es gibt keinen Plan(eten) B. Stoppt den Klimawandel. Sichert die Zukunft der Antarktis“.