Wrackteile in der Ostsee gefunden Kölner Karnevalist flog den abgestürzten „Geisterflieger“

Update | Köln · Nach dem Absturz eines Kleinflugzeugs in der Ostsee mit mutmaßlich vier Toten ist nun klar, wer sich in der Cessna befand. Viele Fragen zu dem Unglück sind aber noch offen. Das Privatflugzeug war am Sonntag vor der Küste Lettlands ins Meer gestürzt.

 Eine Person zeigt mit einem Stift auf die letzte bekannte Position der Cessna mit der Kennung OE-FGR.

Eine Person zeigt mit einem Stift auf die letzte bekannte Position der Cessna mit der Kennung OE-FGR.

Foto: dpa/Helmut Fohringer

Von einem „Geisterflieger“ ist am Sonntag in ersten Meldungen die Rede, als ein Privatflugzeug offenbar führerlos quer durch Europa fliegt. Die Cessna 551 fliegt noch über die Ostsee und stürzt dann vor der Küste Lettlands ins Meer. Am Montag verlagert sich die Geschichte des rätselhaften Flugs ins Rheinland und schockt den Kölner Karneval: An Bord des Flugzeugs war der Kölner Unternehmer und Karnevalist Peter Griesemann mit seiner Frau und seiner Tochter. Griesemann soll das Flugzeug geflogen haben. Auch der Lebensgefährte der Tochter soll dabei gewesen. Die Familie hätte am Abend eigentlich am Flughafen Köln-Bonn landen sollen. Mehrere Medien berichteten.

Auch wenn von der Familie noch jede Spur fehlt, gibt es keine Hoffnung mehr, sie lebend bergen zu können. In der Nacht zu Montag wurden nur Trümmerteile des Flugzeugs entdeckt. Mittlerweile berichtet die Sprecherin der lettischen Marine, Liva Veita, von zehn im Meer gefundenen Wrackteilen. Ein weiteres sei bereits am Sonntag ausfindig gemacht worden, sagte sie der lettischen Nachrichtenagentur Leta.

Christoph Kuckelkorn, Präsident des Kölner Festkomitees, teilte auf Anfrage unserer Redaktion mit: „Ich bin fassungslos über den plötzlichen Tod von Peter Griesemann, seiner Frau und Tochter, mein tiefes Mitgefühl gilt der Familie. Peter hat über Jahrzehnte viel in der Stadt bewegt, als Unternehmer und als Karnevalist.“ Griesemann habe die Blauen Funken als langjähriger Präsident in ein neues Zeitalter geführt. Im Festkomitee war der 72-Jährige in den vergangenen fünf Jahren Aufsichtsratsvorsitzender. „Peter hatte nicht nur Sachverstand und Unternehmergeist, er hatte auch viel Herz für die Menschen und den Fastelovend“, sagte Kuckelkorn. „Der Karneval und auch ich persönlich verlieren in ihm einen wertvollen Ratgeber und einen treuen Freund.“ In den sozialen Netzwerken äußerten Karnevalsbands wie „Cat Ballou“ oder die „Funky Marys“ ihre Betroffenheit. Auch Moderator Guido Cantz reagierte mit einem „RIP“ auf ein Foto von Peter Griesemann.

Die Familie wollte am Sonntag vom andalusischen Flughafen Jerez de la Frontera nach Köln-Bonn fliegen. Medienberichten zufolge hat sie dort ein Ferienhaus an der Küste. Nach Angaben von Behörden in verschiedenen europäischen Ländern änderte der Privatjet, eine Cessna 551, auf dem Weg nach Köln aus unbekanntem Grund den Kurs. Die „Bild“-Zeitung berichtete, die Cessna habe nach ihrem Start Druckprobleme in der Kabine gemeldet.

„Schon im französischen Luftraum wurde das Flugzeug von einer Alarmrotte begleitet, ein deutscher Eurofighter hat dann übernommen“, sagte ein Sprecher der Luftwaffe unserer Redaktion. Eine Alarmrotte besteht üblicherweise aus zwei Eurofightern, die innerhalb weniger Minuten an jedem Ort im deutschen Luftraum sein können. Sie steigen auf, wenn ein Flugzeug nicht per Funk zu erreichen ist, um die Situation zu klären. Ein Eurofighter setzt sich dann neben das Cockpit des Fliegers und versucht Kontakt herzustellen. Dies geschieht mittels international standardisierter Sichtzeichen der Crews untereinander, wie der Sprecher der Luftwaffe erklärt.

Schon in Frankreich konnten die Kampfpiloten aber niemanden im Cockpit sehen. Möglicherweise waren die Insassen bereits zu diesem Zeitpunkt bewusstlos. Ein Experte für Luftsicherheit sagte einer schwedischen Nachrichtenagentur, Druckprobleme könnten dazu geführt haben, dass die Passagiere das Bewusstsein verloren hätten. Gerade in Höhen, in denen Kleinflugzeuge unterwegs seien, könne dies schnell passieren. „Das Flugzeug flog auf einer Linie durch den Luftraum, der Pilot wird den Autopilot eingeschaltet haben“, sagte der Sprecher der Luftwaffe. Im dänischen und schwedischen Luftraum übernahmen andere Kampfflugzeuge die Begleitung. Solange die Option besteht, dass jemand in der Kabine aktiv werden und eingreifen könnte, können die Eurofighter nichts weiter tun als das Flugzeug zu begleiten. Im Fall der Cessna 551 kam es schließlich zum Absturz, als der Treibstoff ausging.

Im Fokus der Öffentlichkeit stand die Familie Griesemann zuletzt im Mai 2021. Damals erwarb sie für einen siebenstelligen Betrag über das Auktionshaus Sotheby’s das weitläufige Areal des Dreilindenhofs in der Höhenlage Wachtberg-Niederbachem. Auf der rund 20 Hektar umfassenden Reitanlage mit 16 Pferdeeinstellplätzen wollten Lisa Griesemann (26) und ihr Lebensgefährte ihre Vorstellungen eines Reitstalls verwirklichen.

Um das Vorhaben selbst in die Praxis umzusetzen, zog das Paar in das auf dem Gelände liegende Wohnhaus. Man habe in der kurzen Zeit ein sehr gutes nachbarschaftliches Verhältnis entwickelt, sagte Dirk Schneider vom Broichhof, einem alteingesessenen Reiterhof auf dem Rodderberg in Wachtberg-Niederbachem. Man habe sich ausgetauscht und einander gelegentlich geholfen. Deshalb habe er Unterstützung angeboten, falls sie auf dem Dreilindenhof benötigt werde. „Wir sind alle zutiefst erschüttert. Das ist eine Tragödie“, sagte Dirk Schneider.

Die Suchaktionen dauern indes an, um die Überreste des Flugzeugs und höchstwahrscheinlich auch die verstorbenen Personen zu bergen. „Sobald diese Arbeiten abgeschlossen sind, wird eine entsprechende aktive Untersuchung des Flugunfalls eingeleitet“, sagte Aivis Vincevs von der lettischen Behörde für zivile Luftfahrt dem lettischen Rundfunk. Noch sei nicht bekannt, welches Land für die Untersuchung des Unfalls zuständig sein wird, da das Flugzeug ins Meer stürzte und in neutralen Gewässern versank.

Zur Suche auf See werden Schiffe der lettische Marine und des Grenzschutzes eingesetzt. Weiter war nach Angaben von Veita auch eine Drohne der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs an der Suchaktion beteiligt. Am Dienstag soll mit Hilfe von Drohnen auch unter Wasser gesucht werden.

(mit dpa)
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