Anti-Terror-Übung am Flughafen Köln/Bonn Bedrückend realistisch

Köln · 1000 Polizisten haben in der bislang größten Anti-Terror-Übung auf einem deutschen Flughafen in Köln/Bonn den Ernstfall geprobt. Simuliert wurde in der Nacht ein islamistisch motivierter Terroranschlag - mit drastischen Szenen.

Flughafen Köln/Bonn: 1000 Beamte bei Anti-Terror-Übung
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1000 Beamte bei Antiterror-Übung am Flughafen Köln-Bonn

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Foto: Rheinische Post/David Young

Es wimmelt von Menschen im Flughafen Köln/Bonn am späten Dienstagabend. Auf den Anzeigetafeln stehen Flüge nach Palma de Mallorca oder München. Doch plötzlich bricht der Terror in Terminal 1 aus. Vier maskierte, schwer bewaffnete Männer eröffnen das Feuer, Panik bricht aus, jeder versucht, sich in Sicherheit zu bringen. Die Täter kennen keine Gnade. Sie erschießen Menschen, die weg rennen und Menschen, die schon am Boden liegen. Einer von ihnen stellt sich mit seiner Maschinenpistole über die Schwerverletzten, zielt und feuert weiter, Schuss um Schuss, bis sie sich nicht mehr bewegen. Ihr Blut verschmiert den weißen Boden. Es sind drastische Szenen.

Auch wenn das Blut nicht echt ist, die Toten wieder aufstehen und die Attentäter keine islamistischen Terroristen, sondern Taktiker von Spezialeinheiten sind – die Anti-Terror-Übung im Flughafen erinnert unweigerlich und auf beklemmende Weise an Attentate wie in Paris und Brüssel. „Realistische Abbildung eines Terror-Ernstfalls“ nennt sich das im Behördendeutsch. Organisiert wurde die Übung von der Kölner Polizei und der Bundespolizei. An den Szenarien, die bis zum frühen Mittwoch durchgespielt wurden, sind neben Beamten der Landes- und Bundespolizei auch die Feuerwehr, der Zoll und Flughafenmitarbeiter beteiligt.

1000 Beamte – unter ihnen auch Spezialeinheiten und die GSG 9 – und 300 Darsteller probten den Ernstfall. Polizeischüler mimten die Opfer. Ähnliche Trainings gab es schon in der Kölner Innenstadt oder im Frankfurter Hauptbahnhof. Auf einem deutsche Flughafen und in der Größenordnung gab es aber bisher noch keine Übung dieser Art.

„Wir haben alle möglichen Szenarien in Einzeltrainings simuliert, nun kommt es auf das Zusammenspiel der Beteiligten an“, sagte Wolfgang Wurm, Präsident der Bundespolizeidirektion Sankt Augustin, vor dem Test. Dabei gehe es auch darum, „die Kollegen in Belastungssituationen zu bringen und zu schauen, wie sie reagieren.“ Es sei ein großer Unterschied, ob sie von Toten sprechen oder ob sie vermeintlich vor ihnen liegen, sagte er. Vor allem Beamte aus dem Wach-und Streifendienst waren beteiligt. Sie sind im Ernstfall die Ersten an einem Tatort. Sie müssen im schlimmsten Chaos entscheiden, wer Opfer und wer Täter ist. Sie müssen erst die Täter unter Kontrolle bringen und können sich erst dann um die Opfer kümmern.

„Kann sich hier noch irgendwer bewegen?“ schreit eine junge Beamtin in die Szenerie. Ihre Kollegen nehmen einem augenscheinlich schwer verletzten Täter das Sturmgewehr ab und legen seine Hände auf dem Rücken in Handschellen. Wem die Übung zu nahe geht, kann sich an einen psychosozialen Berater wenden – sie sind ebenfalls in der Nacht im Einsatz.

Nicht nur die Polizeibeamten, auch Feuerwehrleute, Sanitäter und Ärzte, die vor dem Flughafen warten, müssen bei einem derart großen Einsatz Prioritäten setzen. „Normalerweise steht einem Verletzten eine komplette Rettungswagenbesatzung von vier Sanitätern und Ärzten zur Verfügung“, sagte Christian Heinisch, Sprecher der Kölner Berufsfeuerwehr. „Bei 100 Verletzten geht das aber nicht.“ Ein Arzt muss die Verletzten sichten und schnell entscheiden, wer als erstes versorgt werden muss. Für jeden hat er nur wenige Sekunden Zeit. In der Übung gibt es 20 Schwerstverletzte, die je eine rote Karte umgehängt bekommen und als erstes ins Krankenhaus gebracht werden – auch der Transport wird in der Nacht geübt.

Echte Fluggäste dürften irritiert gewesen sein wegen all des Blaulichts rund um den Flughafen. Das komplette Terminal 1 wurde für die Übung gesperrt. Der Flugbetrieb war aber nicht beeinträchtigt, alle Reisenden wurden in Terminal 2 geleitet.

Ziel des aufwändigen Testlaufs ist es, so gut wie möglich auf einen Terroranschlag vorbereitet zu sein. Einsatzkonzepte sollen auf ihre Praxistauglichkeit überprüft und wenn nötig verbessert werden. Miriam Brauns, Stellvertreterin des Kölner Polizeipräsidenten Uwe Jacob, sagte: „Es geht auch darum, neue Einsatzmittel wie Westen und Helme zu testen. Was nutzt die beste Ausrüstung, wenn wir im Ernstfall nicht damit umgehen können?“

Die Sicherheitsbehörden betonen zwar, dass es keine konkreten Hinweise auf Anschlagspläne in Deutschland gebe – die Gefahr ist aber immer abstrakt erhöht, wie es heißt.

Sogenannte Schiedsrichter haben die Übung in der Nacht begleitet. Sie werden maßgeblich an der Auswertung beteiligt sein, die einige Tage beanspruchen wird. Am Mittwochmorgen wurde das Terminal 1 wieder geöffnet. Eine Putzkolonne hatte sämtliches Kunstblut noch in der Nacht weggewischt.

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