Tumultartige Szenen Wie es zum Chaos am Düsseldorfer Airport kam

Düsseldorf · Nach dem Chaos am letzten Schultag vor den Pegasus-Schaltern am Düsseldorfer Flughafen für Flüge in die Türkei beginnt die Aufarbeitung. Wie konnte es dazu kommen? Ein Protokoll des Tages, der für viele Urlauber mit Frust und Wut endete.

Flughafen Düsseldorf: Chaos zum Start in den Urlaub
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Lange Schlangen und gestrichene Flüge am Flughafen Düsseldorf

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Foto: Christian Schwerdtfeger

Die Ausgangslage Der letzte Tag vor den Kostenpflichtiger Inhalt Sommerferien und das folgende Wochenende gehören traditionell zu den stärksten Reisetagen des Jahres; so auch in diesem Jahr. Die Reisenden werden deshalb gebeten, extra viel Zeit einzuplanen – und zum Teil drei Stunden vorher am Flughafen zu sein, um stressfrei zu bleiben und sicher ihren Flug zu bekommen. Ebenfalls traditionell sind Freitag, Samstag und Sonntag die Hauptreisetage der türkischen Community in Deutschland; die Türken fliegen seit Jahrzehnten mit dem Start der Ferien in die Türkei. Dort bleiben viele dann bis zum Ferienende. Entsprechend viele Flüge in die Türkei sind deshalb am Freitag und am Wochenende terminiert. Die meisten Maschinen waren dem Vernehmen nach ausgebucht.

Pandemie Wegen Corona gelten natürlich auch am Flughafen besondere Hygieneregeln. Die üblichen Abstandregelungen müssen eingehalten werden; es gilt Maskenpflicht. Am Flughafen können an zwei Testzentren noch Covid-19-Tests gemacht werden; jeder Testtyp wird angeboten, den die Reisenden benötigen.  

Der Chaostag, Freitag, 2. Juli 2021, etwa 15 bis 16.30 Uhr Am Terminal C werden die Reisenden in die Türkei abgefertigt. Passagieren zufolge hat die Airline Pegasus ihnen im Vorfeld geraten, deutlich mehr Zeit einzuplanen. Diesen Ratschlag befolgen viele. Das führt allerdings dazu, dass bereits am Nachmittag viele Reisende dort aufschlagen, deren Flug erst am frühen Abend oder noch später geht. Aber auch sie reihen sich zum Teil in die Warteschlangen ein. Die Folge: Reisende, deren Maschine viel früher geht, müssen länger warten, und bei manchen in der Warteschlange wächst nun die Sorge, den Flug zu verpassen. Ungeduld und Nervosität machen sich breit. Ab 15 Uhr wird es von Minute zu Minute voller. Die Menschen stehen dicht an dicht – an Abstandsregeln ist kaum noch zu denken. Hinzu kommt, dass sich das Terminal C im Vergleich zu den anderen in einem Bereich befindet mit zum Teil niedrigen Decken. Der Bereich ist nicht gänzlich offen, sondern für die Passagiere von zwei Seiten zu erreichen. Die Luft zirkuliert nicht gut wegen der vielen Menschen. Es ist zum Teil stickig. Trotzdem scheint niemand darauf zu reagieren; jedenfalls werden die Massen zu diesem Zeitpunkt nicht entzerrt. Folge: Einige Passagiere bekommen Kreislaufprobleme. Die Stimmung wird aggressiver.

Flughafen Düsseldorf: Lange Schlangen - Polizeieinsatz zum Ferienstart
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Großeinsatz der Polizei am Düsseldorfer Flughafen zum Ferienstart

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Foto: RPO/Schwerdtfeger

Probleme am Check-in An den Schaltern sitzt augenscheinlich viel zu wenig Personal; zeitweise sind sogar nur vier Schalter der Airline Pegasus besetzt. Daneben sind viele Schalter leer und geschlossen. Das führt bei Fluggästen und Flughafenpersonal zu Kopfschütteln und Unverständnis. Die wenigen Mitarbeiter am Schalter geben ihr Bestes, sind aber mit der Masse der Reisenden völlig überfordert. Darauf reagieren einige Fluggäste aggressiv. „Wir wurden beschimpft, ein Kollege von mir berichtete, dass er am Hals attackiert worden sei. Wir hatten Angst“, sagte eine betroffene Mitarbeiterin unserer Redaktion. Manche Reisenden sollen vor Wut gegen Wände geschlagen und getreten haben. Verdi-Sekretär Özay Tarim, der die Interessen der Fluggastkontrolleure vertritt und als ausgewiesener Experte über die Abläufe am Düsseldorfer Flughafen gilt, kritisierte: „Für das Chaos ist die Fluggesellschaft Pegasus der Hauptverantwortliche.“ Von Planung und Organisation könne nicht gesprochen werden. „Es waren de facto viel zu wenige Mitarbeiter bereit, um die Menschenmassen abzufertigen. Sowas darf nicht passieren“, so Tarim.

Andere Schalter Insgesamt ist es am Freitag voll am Düsseldorfer Flughafen. Auch vor anderen Schaltern (etwa Condor und Tui) bilden sich zum Teil lange Warteschlangen zu den Stoßzeiten morgens und mittags. Auch dort stehen Reisende, die viel früher gekommen sind als sonst – und auch dort haben manche Sorge, ihren Flug zu verpassen. Anders als das Terminal C sind die anderen Terminals aber vollständig in der großen Halle – luftig und von allen Seiten zugänglich. Es gibt viel mehr Raum, um Abstände einzuhalten. Am Samstag bildete sich vor dem Schalter von Condor eine 200 Meter lange Warteschlange.

Die Polizei schreitet ein Gegen 16.30 Uhr tritt die Bundespolizei auf den Plan. „Wir haben sie zur Hilfe gerufen, weil die Stimmung aggressiver wurde“, so die Mitarbeiterin am Check-in. Die Bundespolizisten versuchen das Chaos zu bewältigen und für Ruhe zu sorgen. Per Lautsprecher wird mitgeteilt, dass die Fluggäste Abstand halten sollen und einige Schritte zurückgehen sollen. Doch zurück können die meisten nicht, weil es viel zu eng ist. Die Bundespolizisten positionieren sich direkt vor dem Check-in, ziehen dort eine Art Polizeikette ein. Jetzt werden zunächst nur noch diejenigen zum Schalter durchgelassen, deren Flüge unmittelbar bevorstehen. Sie müssen den Bundespolizisten ihre Tickets zeigen, dann dürfen sie zum Schalter. Und dazwischen: immer wieder Lautsprecherdurchsagen. „Wir sind eigentlich dafür gar nicht zuständig. Das ist Aufgabe der Landespolizei, aber wir leisten natürlich gerne Amtshilfe in so einem Fall“, sagte ein Bundespolizist am späten Freitagnachmittag. Dann kommen massive Kräfte der Landespolizei; vor dem Flughafen stehen mindestens zehn Mannschaftswagen. Ein Teil einer Bereitschaftshundertschaft zieht in den Flughafen ein. „Sowas haben wir hier noch nie gesehen“, sagen übereinstimmend mehrere Mitarbeiter des Flughafens.

Entzerrung, etwa 17.30 Uhr bis 19 Uhr Zunächst werden Wasserflaschen an die wartenden Menschen verteilt; viele sitzen erschöpft am Boden – vor allem Mütter und ihre Kinder. Einige Kinder weinen und schreien. Endlich kommt Bewegung in die Menschenmasse. Es wurde beschlossen, weitere Schalter an einem anderen Gate zu öffnen. Dort soll ein Teil der Türkei-Reisenden jetzt hin. „Das war überfällig und hätte viel früher gemacht werde müssen“, so Tarim. Der Flughafen sagt dazu: „Ursächlich dafür war vielmehr, dass die Check-in-Mitarbeiter der Airline beziehungsweise des Airline-Dienstleisters auch das Boarding am Gate durchführen – und Freitag eben nicht in ausreichender Zahl verfügbar waren.Eine Schalteröffnung ohne Handling-Personal hätte den Prozess also an dieser Stelle nicht beschleunigt“,so ein Sprecher. 

Das Ende aller Hoffnung, etwa 21.30 Uhr Die Polizei teilt per Lautsprecher mit, dass am Freitag keine Flüge mehr rausgehen. Grund ist das Nachtflugverbot am Düsseldorfer Flughafen. „Wir saßen schon in der Maschine. Dann wurde gesagt, dass wir nicht mehr fliegen werden und wieder raus müssen“, sagt eine 19-Jährige aus Aachen, die mit drei Freundinnen in die Türkei fliegen wollte. Bei manchen Passagieren fließen Tränen, einige wenige sollen handgreiflich geworden sein, wird berichtet. Fünf Maschinen in die Türkei bleiben am Freitag am Boden. Ein Teil der Passagiere kommt in Hotels unter.

Bis auf den Fall am Terminal C zeigte sich der Flughafen zufrieden mit dem Ferienstart. Ansonsten sei es trotz Corona-Bedingungen reibungslos verlaufen, so ein Sprecher.

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