Flüchtlinge Letzte Zuflucht NRW

Düsseldorf · Die Großunterkünfte für Asylsuchende sind überlaufen. Selbst die Millionenstadt Köln hat keine Kapazitäten mehr. In Leverkusen werden Schutzsuchende in Wohnungen untergebracht.

So viele Flüchtlinge mussten die Städte 2014 neu aufnehmen
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So viele Flüchtlinge mussten die Städte 2014 neu aufnehmen

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Foto: dpa, jst fdt

An der Seibertzstraße 1 in Arnsberg jagt derzeit ein Krisengespräch das nächste. Die Mitarbeiter der dort ansässigen Bezirksregierung telefonieren permanent. Viele von ihnen kennen die Rufnummern der NRW-Rathäuser mittlerweile auswendig. Fast täglich rufen sie Bürgermeister an, um zu fragen, ob die in ihren Städten nicht doch noch Platz für Flüchtlinge hätten. Nein, lautet in der Regel die Antwort. Schon alles voll. Man könne unmöglich noch mehr aufnehmen, heißt es meistens landesweit in den Amtsstuben. "Es ist wie Klinkenputzen", sagt eine Mitarbeiterin. "Aber irgendwo müssen wir sie unterkriegen."

Die Bezirksregierung Arnsberg sucht händeringend nach Gebäuden, die sich als Not- und Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) eignen. Die Behörde hat jetzt sogar eine Task-Force gegründet, um geeignete Räumlichkeiten im Land aufzuspüren. Die Zeit drängt. Denn der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab: Allein in diesem Jahr sind bislang 20 173 neue Flüchtlinge auf die NRW-Kommunen verteilt worden. Sie kommen aus Syrien, dem Irak, aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawien und aus Afrika.

Das Leben im Asylbewerberheim Luisental in Mönchengladbach
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Landesweit gibt es nur zwei Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE), in Dortmund und Bielefeld, die diese Menschen aufnehmen. Dort werden die Schutzsuchenden als Asylsuchende registriert und vorläufig untergebracht. Dann werden sie in die Zentralen Unterbringungseinrichtungen in Hemer, Schöppingen und Neuss verlegt. Weitere große Notunterkünfte sollen in Kerken, Borgentreich, Bad Driburg, Mönchengladbach und Willich entstehen. Sie sind dringend notwendig, weil die Aufnahmestellen überlaufen sind. In Mönchengladbach sollen 34 Gebäude auf dem JHQ-Gelände für 500 Flüchtlinge hergerichtet werden. Zudem soll dort eine Zentralstelle für die Erstaufnahme wie in Dortmund und Bielefeld entstehen. Von diesen Großquartieren werden sie auf die Städte verteilt.

Doch die meisten Kommunen haben keine Gebäude mehr frei, um die Menschen unterzubringen. Oft liegt es an den Brandschutzbestimmungen, dass die Flüchtlinge nicht in leerstehenden Schulen, Krankenhäusern und Amtsgebäuden beherbergt werden können. Viele ältere Häuser erfüllen die Sicherheitsauflagen nicht mehr. Dabei fehlt es manchmal nur an einer Treppe, die nicht breit genug ist, an einem zweiten Ausgang (Fluchttür) oder Fenstern, die nicht der Norm entsprechen. Experten fordern deswegen, dass die Brandschutzbestimmungen gelockert werden.

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Selbst in der Millionenstadt Köln sind die Unterbringungsressourcen ausgeschöpft. Schon jetzt müssen dort 971 Menschen in 16 Hotels untergebracht werden. In Düsseldorf leben 500 Flüchtlinge in Hotels. Der designierte Oberbürgermeister Geisel will die Quartiersuche zur Chefsache machen. In der Landeshauptstadt sollen keine Sammelstellen entstehen. Die Flüchtlinge sollen stattdessen auf alle Stadtbezirke verteilt werden, um eine Ghettoisierung zu verhindern. In Grevenbroich hat man für 200 Flüchtlinge eine Bleibe gefunden. Damit sind allerdings die Kapazitäten erschöpft. Nun plant die Stadt ein Container-Dorf, weil man die Räume gut auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge zuschneiden könne. Die Einrichtung soll auf dem Gelände der ehemaligen Nato-Kaserne in Kapellen entstehen.

In Leverkusen werden Flüchtlinge nicht mehr in Sammelunterkünften, sondern in Privatwohnungen untergebracht. Das sei menschenwürdig, lobt der Flüchtlingsrat. Doch selbst in Leverkusen leben die Schutzsuchenden zunächst in einer Sammelunterkunft. "Es ist nicht so, dass sie bei uns ankommen und einen Schlüssel für eine Wohnung bekommen", sagt eine Stadtsprecherin. "Das dauert auch bei uns eine Weile." Andere Städte folgen dem Leverkusener Beispiel - wenn auch nur vereinzelt. So sind in Hückeswagen 13 der 51 Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht. Zudem haben sich acht selbst eine Wohnung genommen. In Haan sind es 20 Flüchtlinge, die in Privatwohnungen leben.

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Foto: Christoph Reichwein

Besonders gut organisiert die Stadt Hilden die Unterbringung der Flüchtlinge. Die Kommune hat bisher 179 Asylbewerber aufgenommen und für weitere vorgesorgt. Bis zu 100 Plätze zusätzlich könnten kurzfristig bereitgestellt werden. In einer Unterkunft gibt es ein Kinderspielzimmer und einen Fitnessraum. Für die sportlichen Aktivitäten wurde sogar mit Hilmi Hyseni ein prominenter Trainer als Honorarkraft eingestellt. Hyseni war Ende der 1980er Jahre jugoslawischer Vizemeister im Boxen (Leichtgewicht). Ebenfalls sportlich integriert werden Afrikaner in Viersen. Der Fußballverein Blau Weiß Concordia Viersen arbeitet eng mit der Flüchtlingseinrichtung zusammen.

(RP)
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