Diakoniezentrum in Düsseldorf Kinder singen gemeinsam mit Demenzkranken

Düsseldorf · Im Diakoniezentrum in Düsseldorf-Gerresheim gibt es eine Kita und ein Altenheim. Regelmäßig werden Kinder und Senioren zusammengebracht – zum Beispiel zum gemeinsamen Singen. Davon haben beide etwas, sagt die Initiatorin.

 Im Diakoniezentrum in Düsseldorf-Gerresheim singen Senioren und Kindergartenkinder miteinander. Rechts im Bild: Helmut Farr.

Im Diakoniezentrum in Düsseldorf-Gerresheim singen Senioren und Kindergartenkinder miteinander. Rechts im Bild: Helmut Farr.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Wer denkt, „Alle meine Entchen“ hätte nur eine Strophe, war noch nie montagsmorgens im Diakoniezentrum in Düsseldorf-Gerresheim zu Besuch. Hier schwimmen die Entchen nicht nur, sondern bohren auch in der Nase oder pupsen. Ziemlich lustig, findet der fünfjährige Finn und lacht. Ziemlich lustig, findet auch Helmut Farr, 78 Jahre alt, und klatscht in die Hände. Farr, weinroter Pullover, schütteres Haar, wird in der Tagespflege betreut, die sich vor allem an Menschen richtet, die an Demenz erkrankt sind. Zusammen mit anderen Senioren nimmt er jede Woche am musikpädagogischen Angebot der Kita Apostelplatz teil, die sich im gleichen Gebäude befindet.

„Eine Begegnung der Generationen“, sagt die Leiterin des Sozialen Dienstes des Zentrums, Julia Richarz, die die Idee für das Projekt hatte. Seit zwei Jahren haben Tagespflege-Gäste die Möglichkeit, beim Musikangebot am Montagmorgen mitzumachen. Sechs bis acht Senioren nehmen diese pro Woche wahr. Helmut Farr ist eigentlich immer mit dabei. Besonders gut gefallen ihm die Fröhlichkeit und die Lebendigkeit der Kinder, sagt er. „Das erinnert mich an meine Enkeltochter und macht viel Spaß.“

An diesem Montag ist der 78-Jährige, der früher als Architekt gearbeitet hat, einer von drei Senioren, die mitmachen. Sie sitzen in roten Ledersesseln im hellen Gemeinschaftsraum der Kita, um sie herum toben Kinder zwischen einem und sechs Jahren. Von der Decke baumeln bunte Fähnchen, am Klavier sitzt Petra Mainka-Bersch, die das Angebot seit vielen Jahren ehrenamtlich betreut.

Los geht es mit dem „Schubiduba-Tanz“. Schon nach wenigen Takten sind alle in Bewegung. Die Kinder wackeln mit dem Oberkörper und strecken die Hände in die Höhe, die Senioren lassen die Schultern kreisen. Außer Helmut Farr machen Herbert und Marlies (Namen geändert) mit, die sich zwar nicht an ihren Namen erinnern können, aber an die Melodie von „Hänschen klein“. Beide lächeln, als Farr das Kinderlied zwischendurch auf seiner Mundharmonika anstimmt.

Zu den verschiedenen Liedern sollen sich alle auch bewegen: klatschen, winken, mit den Füßen stampfen, Grimassen schneiden. Senioren machen mit, so gut sie es in ihren Ledersesseln eben können, strecken ihre Hände in die Höhe, summen mit. Albert und Margarethe brauchen ein bisschen, um aufzutauen, haben dann aber sichtlich Freude an der Musik und dem kindlichen Durcheinander um sie herum. Zwischendurch zeigt Helmut Farr zwei der Jungen, wie seine Mundharmonika funktioniert. „Ich bin der Altstadt-Louis“, stellt er sich dabei vor und grinst. Berührungsängste: Fehlanzeige.

Das ist auch das Ziel, sagt Initiatorin Julia Richarz: „Wir wollen die Vielfalt in der Gesellschaft erfahrbar machen und Unsicherheiten im Umgang miteinander abbauen.“ Es ist nicht das einzige Angebot des Hauses, das Alt und Jung zusammenbringt. Die Kinder aus der hauseigenen Kita kommen beispielsweise auch regelmäßig in die Wohnbereiche der stationären Pflege und singen für die Senioren. Musik gehöre ohnehin zu den wichtigsten therapeutischen Mitteln bei Demenzkranken. Sie könne positive Erinnerungen hervorrufen und sei gleichzeitig einfach zugänglich: „Man braucht nur sich selbst, seine Stimme und seinen Körper.“

Die gemeinsamen Aktivitäten werden von allen Seiten positiv aufgenommen, sagt Richarz, sowohl von den Eltern der Kinder als auch von den Angehörigen der Senioren. Im Alltag gebe es oft zu wenig Zeit für solche Begegnungen. „Hier haben wir den Rahmen und die Möglichkeiten dazu, und wir wollen es nutzen, dass wir alles unter einem Dach haben“, so die 41-Jährige. Zu den Gemeinschaftsprojekten gehören zudem ein Adventsbasar, eine St. Martinsfeier der Kita, bei der auch die Senioren willkommen sind, und regelmäßige Besuche in den aneinandergrenzenden Außenbereichen, besonders im Sommer.

Nach einer halben Stunde ist für diesen Montag Schluss mit der Musik. Nach einem Geburtstagslied für eins der Kinder singen alle zum Abschied das „Traumflieger“-Lied. Auch dazu spielt Helmut Farr Mundharmonika, wiegt sich im Takt. In dem Lied aus dem Kindermusical „Drei Wünsche frei“ heißt es: Wenn Traumflieger fliegen, kann es gescheh’n, dass die Uhren sich andersrum dreh’n. Wenn Traumflieger fliegen, dann schläft die Zeit.“

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