Kindesmissbrauch Staatsanwalt erhebt Anklage im Fall Lügde

Düsseldorf/Lügde · Der Anwalt vier missbrauchter Kinder rechnet mit Haftstrafen von bis zu 14 Jahren für die zwei Hauptbeschuldigten. Jetzt wurden die ersten beiden Anklagen erhoben.

 Auf diesem Campingplatz sollen sich die Straftaten zugetragen haben.

Auf diesem Campingplatz sollen sich die Straftaten zugetragen haben.

Foto: dpa/Guido Kirchner

Wüller vertritt vier Opfer, die in Lügde sexuell missbraucht worden waren. Behutsame Befragungen von missbrauchten Kindern und Jugendlichen hätten so klare Aussagen ergeben, dass jedem der zwei Hauptbeschuldigten genügend schwere Verbrechen nachgewiesen werden können, meint er. Er hält es für gut möglich, dass die zwei Männer nach der Haft in Sicherheitsverwahrung kommen: „Wer sich über viele Jahre an kleinen Kindern vergeht, ist als Hangtäter zu betrachten. Der darf nie wieder freikommen.“

Wüller gibt sich schockiert über das Ausmaß der Verbrechen, wie sie die Akten zeigen: Kinder seien gezwungen worden, sich gegenseitig zu missbrauchen. Die beiden Hauptbeschuldigten hätten Kinder „regelrecht untereinander getauscht“. Kindern sei mit „Wohnwagenarrest“ gedroht worden. Er sei aber auch darüber schockiert, dass die Taten sich unbemerkt über viele Jahre mit Dutzenden Opfern hinzogen, obwohl „Hunderte anderer Menschen“ auf dem Campingplatz waren. „Das verstehe ich nicht.“

Derweil wird bekannt, dass die Ermittlungen im Fall Lügde offenbar die Aufklärung anderer Sexualdelikte in NRW behindern. Mit entsprechenden Fällen befasste Polizisten klagten in Gesprächen mit unserer Redaktion, dass sie bei ihrer Arbeit nicht vorankämen, weil die Ermittlungskommission „Eichwald“ zu viele Kapazitäten binde. Sebastian Fiedler, NRW-Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, sagte: „Es stimmt, dass die Konzentration von Spezialisten auf den Fall Lügde die Ermittlungen von anderen Sexualdelikten in NRW verzögert.“

Die zeitweise auf 76 Beamte aufgestockte Ermittlungskommission „Eichwald“ klärte monatelang den wohl schwersten bekannten Fall von Kindesmissbrauch in der Landesgeschichte auf. Enorme Kapazitäten erforderten die Auswertung von Millionen Fotos und Videos mit kinderpornografischem Material, die sichergestellt wurden.

Das nordrhein-westfälische Innenministerium schloss auf Anfrage nicht aus, dass die Aufklärung anderer Fälle unter der Ermittlungskommission „Eichwald“ gelitten hat. Ein Sprecher des Ministeriums sagte: „Die Kreispolizeibehörden, die dortigen Führungskräfte und kriminalpolizeilichen Sachbearbeiter und auch das Ministerium werden alles dafür tun, auch in allen anderen Ermittlungsverfahren die notwendigen Ermittlungen innerhalb der zulässigen Fristen zu bearbeiten.“ In den übrigen Kreispolizeibehörden stünden nach wie vor Fachkräfte zur Aufklärung von Sexual- und Kindesmissbrauchsdelikten zur Verfügung.

Wie viele Fälle von Sexualdelikten und Kindesmissbrauch die NRW-Polizei derzeit aufklärt, ist nicht bekannt, erklärt das Innenministerium. Es gäbe nur vorläufige Zahlen. Für das vergangene Jahr weist die Kriminalstatistik in NRW 14.076 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und 2422 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch aus.

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