Interview mit Essens OB Kufen Langzeitarbeitslose sollen Senioren helfen

Essen/Düsseldorf · Im Interview mit unserer Redaktion spricht Thomas Kufen, Oberbürgermeister der Stadt Essen, über das Problem der Arbeitslosigkeit und die Finanzprobleme seiner Stadt sowie den Kommunal-Soli.

 Essens OB Thomas Kufen (Archivbild).

Essens OB Thomas Kufen (Archivbild).

Foto: dpa, mjh htf

Am Rande des Nürnberger Städtetages haben Sie 14 Gäste für 2655 Euro im Zwei-Sterne-Restaurant bewirtet. Musste das sein?

Kufen: Nein. Weder die Stadt, noch ich persönlich laden üblicherweise in ein Sterne-Restaurant ein. Ich wusste auch gar nicht, dass es sich um ein solches Restaurant handelt. Ich hatte eingeladen, die Rechnung gesehen und aus eigener Tasche bezahlt. Damit ist das Thema für mich erledigt. Zumal ich selbst gar nicht am Abendessen teilgenommen habe, weil ich kurzfristig absagen musste. Ich bin kein Luxus-OB.

Essen hat massiv vom rot-grünen Kommunal-Soli profitiert. Jetzt will Schwarz-Gelb ihn abschaffen. Wie finden Sie das?

Kufen: Der Kommunal-Soli hat die Solidarität unter den Kommunen schon strapaziert. Es wurde in den Koalitionsgesprächen verabredet, dass die Empfänger-Kommunen das Geld aus dem Landeshaushalt bekommen. Gleichwohl brauchen wir auch weiter einen Stärkungspakt mit verbindlichen Absprachen, wie Kommunen für finanzielle Hilfen des Landes konkrete Einsparungen umsetzen und ihre Schulden konsequent tilgen. Das Thema Altschulden muss von der neuen Landesregierung angegangen werden.

Warum hat Essen eigentlich so exorbitant hohe Schulden?

Kufen: Die Schattenseite des Strukturwandels im Ruhrgebiet ist die hohe Arbeitslosenzahl. Über die Hälfte unserer Arbeitslosen sind langzeitarbeitslos. Mit Hilfe von Bund und Land hat Essen unter meiner Führung ab 2017 zum ersten Mal seit 25 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Aber ein ausgeglichener Haushalt heißt aber nicht, dass wir schuldenfrei sind.

Ist die Essener Finanznot nicht auch selbst verschuldet? Sie haben sich bei Zinswetten verzockt, den richtigen Zeitpunkt für den Verkauf der RWE-Aktien verpasst und mehrfach in Unternehmen investiert, die viel Geld verbrannt haben …

Kufen: Ich habe mich persönlich dagegen engagiert, dass Essen noch mehr Zinswetten eingeht. Aber der ein oder andere Euro saß in der Vergangenheit schon locker. Mit der RWE bin ich nicht verheiratet. Wir haben knapp 19 Millionen RWE-Aktien. Ob, wann und wieviel wir verkaufen, entscheiden wir nicht nach Ideologie, sondern mit dem Rechenschieber. Wenn die RWE demnächst wieder eine Dividende ausschüttet, hilft das auch der Stadt.

Wo kann eine Stadt wie Essen noch selbst gestalten?

Kufen: Als Oberbürgermeister bin ich der erste Wirtschaftsförderer. Die hohe Arbeitslosigkeit hängt uns wie ein Mühlstein um den Hals. Wir starten daher jetzt ein neues Arbeitsmarktprogramm, um die Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit zu holen. Essen hat 15.000 Langzeitarbeitslose. Gemeinsam müssen wir diesen Menschen wieder eine Perspektive bieten. Es ist doch besser, wenn sie von der Stadt einen Zuschuss bekommen, damit sie als Parkhüter oder Seniorenbegleiter arbeiten, statt die Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Ich glaube, dass dieses Modell eines sozialen Arbeitsmarktes auch für andere Kommunen interessant ist. Wir beginnen mit 100 Langzeitarbeitslosen.

Der künftige Ministerpräsident von NRW, Ihr Parteifreund Armin Laschet, ist erklärter Gegner der gleichberechtigten Homo-Ehe. Wie sehen Sie das?

Kufen: Fragen Sie das jetzt nur, weil ich mit meinem Mann zusammenlebe? Ich glaube, die gesellschaftliche Wirklichkeit ist längst eine andere. Die Bürger sind da schon viel weiter als manche Parteitagsbeschlüsse der CDU. Es ist allerdings auch Unsinn, wenn die Grünen dieses Thema nun zum wichtigsten ihrer Agenda aufbauschen. Die Herausforderungen der globalisierten Welt, wie Terrorbekämpfung oder Klimaschutz, sind gewaltig. Da sollten die Tassen im Schrank bleiben.

Michael Bröcker und Thomas Reisener führten das Gespräch.

(brö / tor)
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