Einsatz in Shisha-Bar Essener Familie erhebt schwere Vorwürfe gegen Polizei

Essen · Essens Polizeipräsident sprach von einem Schlag gegen libanesische Familienclans, als Beamte einen jungen Mann festnahmen. Die Anwältin der betroffenen Familie widerspricht allerdings und behauptet, der Einsatz habe die Falschen getroffen.

Es geht um einen Einsatz im September in Essen. Vor einer Shisha-Bar in der Innenstadt soll die Situation eskaliert sein, als zwei Polizisten die Personalien eines Mannes feststellen wollten. Mehrere „libanesisch-stämmige Personen“ hätten die Beamten angegriffen, sie geschlagen, getreten und gewürgt, berichtete die Polizei später. Ergebnis des Einsatzes: Ein festgenommener 17-Jähriger, ein leicht verletzter Polizist und eine schwer verletzte Polizistin.

Die Familie des jungen Mannes und ihre Anwältin beschreiben den Verlauf des Polizeieinsatzes anders. Wie der „Spiegel“ berichtet, haben sie bei der Kölner Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen die Essener Polizei erstattet. Nach Angaben des Magazins werfen sie den Einsatzkräften schwere Körperverletzung im Amt, Rechtsbeugung und Vortäuschung einer Straftat vor. Bis Donnerstagmittag sei die Anzeige noch nicht eingegangen, teilte die Kölner Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit.

Die Vorwürfe der Familie gegen die Polizei stützen sich offenbar auf ein Video, das während des Einsatzes entstanden ist. „Auf dem Video des Einsatzes ist deutlich zu sehen, wie der Polizeibeamte den 17-Jährigen zu Boden drückt und ihm gegen den Kopf schlägt. Ich finde das verstörend“, sagt Christiane Theile, die Anwältin der Familie, unserer Redaktion. Der junge Mann sei von einem zufällig anwesenden Mitarbeiter der Essener Tierrettung auch noch mit Pfefferspray besprüht worden, und die Polizistin habe ihn zwei Mal mit dem Knüppel geschlagen.

Dabei soll der Einsatz harmlos begonnen haben, wie die Anwältin sagt. Die Polizisten hätten zuerst angemahnt, dass die Außennutzungsfläche vor der Shisha-Bar ausgezeichnet werden müsse. Sie hätten dann die Shishas kontrollieren wollen. Einem der Brüder des Betreibers sei das zu viel gewesen. „Was hast du gegen uns“, soll er den Polizisten gefragt haben. Der Beamte habe den Mann daraufhin mit auf die Wache nehmen wollen. Auf dem Video ist zu sehen, wie der Mann zu fliehen versucht.

„Erst in diesem Moment kommt der 17-Jährige dazu. Er weiß noch gar nicht, was los ist“, sagt Theile. „Auf dem Video sieht es dann so aus, als ob er der Polizistin ein Bein stellt.“ Anschließend sei der Einsatz eskaliert. Am Boden liegend schreit Abdullah E. mehrmals: „Ich kriege keine Luft mehr“. „Er hatte Todesangst“, sagt Theile. Das Video zeigt weiter, wie Abdullah E. über den Boden zum Polizeiwagen geschleift wird. Schriftlich berichtet er von weiteren Tritten und Schlägen auf der Wache.

Die Familie erhebt aber nicht nur Vorwürfe gegen die Polizisten, sondern auch gegen Essens Polizeipräsidenten. Er trat fünf Tage nach dem Einsatz in der Sendung „Stern TV“ auf. Dort sprach er von einem Schlag gegen libanesische Familienclans. Für Theile ist das üble Nachrede. Die Familie verwahre sich gegen den Vorwurf, dass sie ein krimineller Clan sei. Die Polizei sei gegen die Falschen vorgegangen. „Niemand aus der Familie ist vorbestraft. Niemand lebt vom Staat.“ Der junge Mann, der festgenommen wurde, werde im nächsten Jahr sein Abitur machen. Für Theile ist die Familie ein Beispiel für gelungene Integration.

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