Braunkohleabbau in NRW RWE will Kohleausstieg auf 2030 vorziehen - Lützerath wird abgebaggert

Update | Düsseldorf · Der Energiekonzern RWE will den Kohleausstieg um acht Jahre auf das Jahr 2030 vorziehen. Damit wird sich auch der Personalabbau deutlich beschleunigen. Der Ort Lützerath muss weichen.

Das Braunkohlekraftwerk Neurath von RWE in Grevenbroich.

Das Braunkohlekraftwerk Neurath von RWE in Grevenbroich.

Foto: dpa/Oliver Berg

Zugleich sollen zwei Kraftwerksblöcke, die nach derzeitiger Rechtslage Ende des Jahres stillgelegt werden sollten, bis ins Frühjahr 2024 weiterlaufen. Damit soll die Versorgungssicherheit gestärkt und Erdgas im Strommarkt eingespart werden, wie das NRW-Wirtschaftsministerium am Dienstag mitteilte.

Trotz des damit verbundenen Mehrbedarfs an Braunkohle in den nächsten 15 Monaten könnten weitere Umsiedlungen für den Braunkohleabbau sicher ausgeschlossen werden, hieß es. Der Ort Lützerath soll im Zuge des Braunkohleabbaus am Tagebau Garzweiler aber durch den Betreiber RWE abgebaut werden, hieß es weiter. Die Bundesregierung hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, mit der die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen gesenkt werden soll. Dazu sollen auch alte Kohlekraftwerke zum Einsatz gebracht werden. RWE hatte angekündigt, Braunkohlekraftwerke wieder in Betrieb nehmen zu wollen. Die Kohle unter Lützerath werde benötigt, „um die Braunkohlenflotte in der Energiekrise mit hoher Auslastung zu betreiben“, teilte RWE weiter mit. Umweltschützer hatten gefordert, dass die Braunkohle unter Lützerath nicht abgebaut wird. Der Tagebau ist in den vergangenen Monaten dicht vor den Ort gerückt.

Die Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath bleiben laut RWE erhalten. Die Bewohner müssen nicht umgesiedelt werden.

Durch die Entscheidung blieben rund 280 Millionen Tonnen Kohle in der Erde, dies entspreche einer Menge des Klimagases CO2 von rund 280 Millionen Tonnen, die nun nicht mehr emittiert würden. RWE wolle zudem massiv in erneuerbare Energien investieren, um einen weiteren Beitrag zum Ausstieg aus der Kohle zu leisten.

Mit dem Kohleausstieg werde sich auch der Personalabbau zum Ende des Jahrzehnts „deutlich beschleunigen“, erklärte das Unternehmen weiter. RWE versicherte, den Ausstieg „sozialverträglich gestalten“ zu wollen.

Die Ampel-Koalition auf Bundesebene hat zum Ziel, den bisher spätestens bis 2038 geplanten Kohleausstieg in Deutschland „idealerweise“ auf 2030 vorzuziehen, wie es im Koalitionsvertrag heißt.

Auch die NRW-Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) hält das Abbaggern der Siedlung Lützerath im Rheinischen Revier für unvermeidbar. Drei unabhängige Gutachten seien zu dem Schluss gekommen, dass in dem Tagebau „eine Landzunge oder Insellage der Siedlung Lützerath nicht zu rechtfertigen ist“, sagte Neubaur am Montag in Berlin.

Neubaur sagte, dass Lützerath „geräumt und eben auch die Kohle darunter zur Verfügung gestellt werden“ müsse. Die Grüne betonte die Vorteile der Vereinbarung. Durch den auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg sei sichergestellt, dass 280 Tonnen CO2 unter der Erde bleiben. Der von 2038 auf 2030 vorgezogene Ausstieg sei ein großer Erfolg für den Klimaschutz. Zudem bekämen die Bewohnerinnen und Bewohner mehrerer Dörfer und Höfe Gewissheit, dass „sie nicht mehr gegen ihren Willen umgesiedelt werden müssen“.

Mit Blick auf Lützerath räumte Neubaur ein, dass die Vereinbarung nicht überall auf Zustimmung stoßen werde. Sie betonte, dass sie als Ministerin in Abwägungsprozessen „das Bestmögliche für den Klimaschutz rauszuholen“ wolle. „Die Lage der Energieversorgungssicherheit durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine erfordert jetzt die notwendige Kohle unter Lützerath - das bedeutet, Lützerath muss bergbaulich in Anspruch genommen werden, also abgebaggert werden“.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND reagierte mit Kritik auf die Ankündigungen, dass Lützerath abgebaggert werden soll. „Lützerath ist unnötigerweise ein Verhandlungsopfer geworden“, sagte der nordrhein-westfälische BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht unserer Redaktion. Dass die Kohle für die Sicherheit der Energieversorgung gebraucht werde: „Das ist völliger Unsinn“, bekräftigte Sticht die BUND-Position.

Nach Auffassung des BUND wird durch die Weichenstellungen vom 4. Oktober der Klimaschutz geschwächt. „Wir müssen Lützerath erhalten, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Es ist völlig eindeutig, dass die Kohle, die unter Lützerath liegt, auf gar keinen Fall verfeuert werden darf, wenn das zu schaffen sein soll“, sagte Holger Sticht. Er richtet Vorwürfe an NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. „RWE hat es geschafft, die grünen Minister über den Tisch zu ziehen“, so Sticht, und prognostiziert ein politisches Nachspiel: „Für die Grünen wird das eine Zerreißprobe, die sie nicht aushalten werden – Kohleausstieg 2030 hin oder her.“

(top/kag/afp/reuters/dpa)
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