Prozess in Aachen Eltern aus Eschweiler töten Facebook-Freund der Tochter

Aachen · Das Ehepaar aus Eschweiler verdächtigte einen Mann, er wolle ihre zwölfjährige Tochter missbrauchen - laut Anklage zu Unrecht. Die beiden lockten ihn in einen Hinterhalt und töteten ihn. In Aachen wird ihnen der Prozess gemacht.

 Zum Prozessauftakt schwieg das angeklagte Ehepaar.

Zum Prozessauftakt schwieg das angeklagte Ehepaar.

Foto: dpa, mb mhe vfd

"Wie geht es dir?" und etwas später "Guten Abend". Die Nachrichten, die ein 29-Jähriger auf Facebook an eine ihm Unbekannte verschickte, waren nicht aufregend. Dennoch haben sie ihn das Leben gekostet. Christian L. wurde auf einem Feldweg in Eschweiler bei Aachen erstochen. Nun sind die Eltern eines Mädchens angeklagt, das sich hinter dem Facebook-Profil verbarg und sich darin sogar zehn Jahre älter gemacht hat. Nadine (31) und Karl-Heinz H. (39) vermuteten, der Mann sei pädophil und wolle ihre Tochter missbrauchen.

Vorwurf lautet gemeinschaftlicher Mord

Die Eltern haben sich seit gestern als Hauptangeklagte vor dem Landgericht Aachen zu verantworten, ebenso wie Sven L. (26), ein Arbeitskollege von Karl-Heinz H. Den Dreien wird gemeinschaftlicher Mord und schwere räuberische Erpressung mit Todesfolge vorgeworfen. Nadine und Karl-Heinz H. sollen im August des vergangenen Jahres Christian L. auf hinterlistige Art und Weise und aus niederen Beweggründen in einen Hinterhalt gelockt und erstochen haben. Sven L. habe bei der Planung dieser Tat geholfen, er - nach eigenen Aussagen Waffensammler - habe die Tatwaffen besorgt. Als "Trophäe" hätten die Eheleute H. ihm das Handy des Opfers versprochen, sagte der Staatsanwalt Boris Petersdorf.

Christian L., der in einer Werkstatt für Körperbehinderte in Eschweiler arbeitete, hatte über Facebook versucht, Frauen aus seiner Stadt kennenzulernen. Dabei geriet er auch an die zwölfjährige Tochter der Eheleute H., die allerdings von ihren Eltern dort selbst als 22-Jährige angemeldet worden war. Nach ein, zwei harmlosen Anfragen sei der Kontakt jedoch versandet, sagte der Staatsanwalt. Obwohl es dafür keine Anhaltspunkte gegeben habe, hätten die Eltern vermutet, der 29-jährige Mann plane, die Zwölfjährige zu missbrauchen. Zudem hätten sie überprüfen wollen, ob Christian L. Fotos der Tochter auf seinem Handy habe. Tatsächlich hatte es zuvor ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt gegeben, weil das Mädchen bei Facebook aufgefordert worden sein soll, Bilder zu verschicken - ein Verantwortlicher wurde aber nie gefunden.

Nadine H. freizügig gekleidet und mit Schlagring bewaffnet

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt: Nadine und Karl-Heinz H. wollten den ihrer Meinung nach pädophilen Christian L. bestrafen und lockten ihn über Facebook mit Hilfe einer 38-jährigen Bekannten in die Falle. Ihr wird ebenfalls Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung vorgeworfen. Zum Treffen kamen aber die Eheleute, Nadine war freizügig gekleidet und mit einem Schlagring bewaffnet. Sven L. stand derweil mit einem Würgedraht bereit, um einen eventuellen Fluchtversuch des Opfers zu vereiteln und ihn dann zu erdrosseln. Dann schlug Nadine H. das Opfer, dem zuvor an dem einsamen Ort Sex in Aussicht gestellt worden war, mit dem Schlagring.

Die Eheleute verlangten die Herausgabe des Handys von Christian L., auf dem jedoch keine Fotos der Tochter zu sehen waren. Mit "absolutem Vernichtungswillen" habe Karl-Heinz H. dann auf Christian L. eingestochen, sagte der Staatsanwalt. Das Opfer trug mehr als ein Dutzend Stichverletzungen davon und blieb stark verletzt, aber noch lebend, am Boden liegen. Die Eheleute nahmen sein Handy mit und übergaben es Sven L. Zum Hergang, den Motiven und Hintergründen der Tat wollte sich gestern keiner der Angeklagten äußern. Die Staatsanwaltschaft hofft, diese im Laufe des Prozesses - angesetzt sind dafür 15 Verhandlungstage - zu ergründen.

Nadine H. unter erheblicher Drogeneinwirkung

Bis auf Karl-Heinz H. machten jedoch alle Angeklagten mehr oder weniger ausführliche Angaben zu ihren persönlichen Lebensumständen. Nadine H. sagte zum Beispiel aus, dass sie regelmäßig Alkohol und Drogen konsumiert habe und auch zum Tatzeitpunkt unter erheblicher Drogeneinwirkung gestanden habe: zwei bis drei Gramm Amphetamine (Aufputschmittel) und je eine halbe Flasche Rum und Holunderschnaps sollen es nach ihren Angaben gewesen sein. Auch die Ehe sei zuletzt schwierig gewesen.

Der erste Verhandlungstag über den Fall von Selbstjustiz begann für den Vorsitzenden Richter Arno Bormann allerdings mit einem Ärgernis: Ein 42-Jähriger, angeklagt wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung, ließ das Gericht und die zahlreich erschienenen Zuschauer eine geschlagene Stunde warten. Er habe verschlafen, brachte der Mann schließlich als Entschuldigung vor. Was Richter Bormann zu der Bemerkung veranlasste: "Wenn ich so eine Anklage vor der Brust hätte wie Sie, würde ich die ganze Nacht nicht schlafen."

Der 42-Jährige sei mit dem Mord an Christian L. (29) einverstanden gewesen, indem er auf die Kinder seiner Freunde, der Eheleute H., aufpasste, während diese das Opfer "verletzten, folterten, töteten", sagte der Staatsanwalt. Die Verhandlung wird am 19. Februar fortgesetzt.

(RP)
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