Duisburg-Rheinhausen Die Sackgasse, in die sich die Post nicht mehr traut

Duisburg · In einer Straße in Duisburg-Rheinhausen stellt die Deutsche Post seit Februar keine Briefe mehr zu. Ein Grund sei die Sorge vor einer Ansteckung mit Corona. Dafür schaut die Polizei häufig vorbei. Ein Ortsbesuch.

 Für eine Kontrolle eines BMW-Fahrers kommen Polizisten am Sonntag in die Straße von Duisburg-Rheinhausen, die die Deutsche Post seit Februar meidet.

Für eine Kontrolle eines BMW-Fahrers kommen Polizisten am Sonntag in die Straße von Duisburg-Rheinhausen, die die Deutsche Post seit Februar meidet.

Foto: Viktor Marinov

Mehrstöckige Familienhäuser aus rotem Klinker, blühende Bäume, eine Frau und ein Mädchen grillen am Balkon. Auf den ersten Blick sieht es friedlich aus in der Straße in Duisburg-Rheinhausen, in der die Post aus Angst vor einer Corona-Infektion seit Monaten keine Briefe mehr zustellt. Es fallen lediglich viele Menschen auf, vor allem Männer, die in größeren Kreisen zu siebt oder acht stehen und sich unterhalten – ohne Abstand oder Masken. Reicht das schon als Grund dafür aus, dass seit Februar kein Postbote mehr kommt?

Nicht mal eine Stunde später ist es mit der Ruhe vorbei. Zwei Polizeiautos rollen an, die Gesprächskreise lösen sich auf. Die meisten Männer gehen zurück in die Häuser, vor allem Jugendliche und Kinder bleiben draußen und schauen neugierig zu. „Die Polizei macht hier ständig Stress“, sagt ein Anwohner. Nur fünf Minuten vergehen, bis ein drittes Polizeiauto in die Straße biegt – für einen anderen Einsatz als ihre Kollegen. Die Polizeibeamten werden später erklären, sie seien jeweils wegen eines „Nachbarschaftsstreits“ und der „Zufallskontrolle“ eines BMW-Fahrers dort.

 Die Polizeibeamten versuchen am Sonntag einen Streit unter Nachbarn aufzulösen.

Die Polizeibeamten versuchen am Sonntag einen Streit unter Nachbarn aufzulösen.

Foto: Viktor Marinov

Dass die Post nicht mehr zugestellt wird, sondern in einer Filiale abgeholt werden muss (zuerst hatte die „WAZ“ berichtet), erklärt eine Sprecherin der Post unserer Redaktion so: „Die Zusteller werden dort massiv bedrängt. Die Anwohner kommen ihnen sehr nahe.“ Das sei in der Pandemie gefährlich. Nach gemeinsamen Ortsbesuchen mit Streetworkern und Dolmetschern habe sich die Situation nicht gebessert, schildert die Sprecherin. „Wir müssen als Arbeitgeber die Zusteller schützen.“ Irgendwann sei die Grenze erreicht.

Eine Anwohnerin schildert die Lage anders. „Die Post nutzt Corona als Vorwand, um nicht hierher zu kommen“, sagt sie. Ihre Nachbarn, die mehrheitlich aus Osteuropa kommen, hätten die Postboten auch schon vor der Pandemie schikaniert. „Sie umzingeln die Zusteller, klauen Briefe, geben falsche Namen an“, sagt die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie sagt, sie habe Angst vor der Rache der Nachbarn.  Eine Sprecherin der Post weist den Vorwurf zurück. „Wir stellen überall zu, auch woanders gibt es Viertel, die nicht so nett sind“, sagt sie. Eine andere Straße in NRW, welche die Zusteller aktuell nicht anfahren, kenne sie nicht.

Oft hat die Nachbarin schon die Polizei angerufen, weil es zu laut war oder zu dreckig. Auch an diesem Sonntag erstattet sie Anzeige. „Nichts Dramatisches“, sagen die Beamten vor Ort. Die Infektionszahlen sind in Rheinhausen höher als anderswo in Duisburg. Nach Angaben der Stadt lag die Inzidenz des Stadtteils am 25. April bei 300. Aber Duisburg ist aktuell auch generell stark von der Pandemie betroffen – einzig im Bezirk Süd liegt die Inzidenz unter 200.

Die mehrheitlich rumänischen Anwohner erzählen eine andere Geschichte als die Post und die Nachbarin. „Die machen immer Palaver“, sagt einer von ihnen. „Warum hat die Post Angst? Hier hat keiner Corona“, sagt ein anderer. Mehrere Menschen aus der Gegend sagen übereinstimmend, dass sie keine Angst hätten vor der Straße, die die Post-Zusteller meiden. „Die Leute sind manchmal sehr laut, das stimmt“, sagt ein Familienvater. Gefährlich seien sie aber nicht.

Damit, dass die Post seit Monaten keine Briefe mehr zustellt, haben sich die Bewohner der Rotklinker-Häuser abgefunden. „Kein Problem“, sagen sie, „wir gehen dann in die Postfiliale und holen unsere Sachen.“ Auf Anfrage teilt die Deutsche Post mit, die Briefe würden in eine benachbarte Filiale geschickt. Sie ist anderthalb Kilometer entfernt. 

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